Check: Top IT-Dienstleister der Automobilindustrie. Wie gut sind die Unternehmen aufgestellt?

Die deutsche Automobilproduktion soll im laufenden Jahr um fast 14 Prozent sinken. Das hat im Juli PricewaterhouseCoopers gemeldet. Mit cirka 4,7 Millionen Pkw verlassen 750 000 Fahrzeuge weniger die Werkshallen als 2008. Umsatzrückgänge im zweistelligen Prozentbereich machen den Account-Managern von T-Systems, HP, IBM, Siemens, Accenture und Capgemini schwer zu schaffen. Was fehlt, sind Neuaufträge im Projektgeschäft. Volkswagen/Audi, Daimler und BMW konzentrieren sich auf wenige strategische Entwicklungs-und Integrationsvorhaben, mit denen sie sich vom Wettbewerb differenzieren können oder die schnell Kosteneinsparungen versprechen. Bei allen anderen Projekten stehen die Ampeln auf Rot – Haltephase ungewiss. Gleichzeitig haben die Hersteller und Zulieferunternehmen Preisnachlässe für Standardservices im Infrastrukturbereich durchgesetzt. Die Preise sind im Keller. „Der eingeengte finanzielle Spielraum auf Kundenseite sorgt für eine weitere Verschärfung des Wettbewerbs im IT-Services-Umfeld und erhöht den Konsolidierungsdruck“, erklärt Analyst Andreas Stiehler vom Beratungshaus Berlecon.

rücken deshalb ihre Kernkompetenzen stärker ins Licht und versuchen, Kunden mit frischen Ideen und neuen Angeboten für eine Zusammenarbeit zu gewinnen. automotiveIT hat die führenden Anbieter für Beratung, Software und IT-Services in Deutschland analysiert, die das Marktforschungsunternehmen Lünendonk auf seiner Liste Business Innovation/Transformation Partner (BITP) führt. Ergebnis: Abseits der unternehmerischen Größe, dokumentiert durch Umsatz- und Mitarbeiterzahlen, kommt es einmal mehr auf den richtigen Servicemix im Portfolio an. Die Telekom-Tochter T-Systems, laut Lünendonk größter IT-Gesamtdienstleister Deutschlands, spielt erwartungsgemäß auch im Automobilbereich ihre klassischen Stärken als Betreiber von Netzen und Rechenzentren aus. Und kombiniert sie mit Beratungsleistungen, um entlang der gesamten automobilen Wertschöpfungskette durchgängig für effiziente Arbeitsprozesse zu sorgen. Flexible Belieferungs- und Abrechnungsmodelle sollen die Auslagerung von Informationstechnologie in Teilen oder als Ganzes fördern. „Um Unternehmen in der gegenwärtigen Situation bei der Modernisierung ihrer IT-Landschaft zu unterstützen, legen wir die notwendigen Investitionen auf langfristige Vertragslaufzeiten um“, erklärt Peter Stolte, der das Industry Consulting Automotive und Manufacturing Industries bei T-Systems leitet. Die Finanzkraft der Deutschen Telekom Gruppe macht das möglich. Im ersten Halbjahr 2009 ist so das internationale Geschäft – lange Zeit die Achillesferse von T-Systems – um 3,5 Prozent gewachsen. Durch gewonnene Outsourcing-Deals wie mit Royal Dutch Shell und die Übernahme zusätzlicher Rechenzentren in Malaysia und den USA stehen erweiterte IT-Infrastrukturen zur Verfügung, auf die auch Automotive-Firmen zugreifen können.

Nach dem Kauf von EDS, der ehemaligen IT-Tochter von General Motors, verspürt Hewlett-Packard deutlich mehr Benzin im Unternehmensblut als bisher und möchte zum weltweit führenden IT-Dienstleister der Branche aufsteigen. Schon heute stammt knapp ein Drittel der HP-Umsätze aus dem Services-Segment. Mit Hilfe neuer Geschäftsansätze sollen es künftig noch mehr werden. HP bietet IT-Dienstleistungen entlang der gesamten automobilen Wertschöpfungskette an. Neben Siemens auf der Softwareseite gilt das Unternehmen mit als einer der größten PLM-Service-Provider in der Automobilindustrie und hat sich in den letzten Jahren enorm in Richtung Software erweitert. Jetzt gilt es, das vorhandene Potenzial mit dem Prozesswissen von EDS zusammenzuführen. „Die Aufgaben, die die IT in der Automobilindustrie übernimmt, werden sich in Zukunft noch grundlegend ändern“, ist Oliver Bahns überzeugt. Der Global Director Automotive & Aerospace in der Technical Solution Group bei HP verweist auf das Beispiel Elektrofahrzeuge. Um mittelfristig zu serienreifen Produkten zu kommen, müssten die Hersteller mit Partnern zusammenarbeiten, die wie HP über komplementäre Technologie-, Sourcing- und Industriekompetenzen verfügen, beispielsweise in den Sektoren Energie und Konsumentenprodukte. So liefert HP zum Beispiel Monat für Monat Millionen von Druckern aus und stattet sie mit aktuellen Steuerungsprogrammen aus. Hochgradig automatisiert, effizient und sicher. Know-how, das helfen könnte, den Software-Lebenszyklus in modernen Autos zu managen. Tatsächlich scheinen die Trends hin zu Elektrifizierung und Digitalisierung von Fahrzeugen unumkehrbar. IBM geht davon aus, dass der Anteil von Elektronik im Auto 2014 mehr als 30 Prozent der Gesamtherstellungskosten ausmachen wird. Nanomechaniker, Simulationsspezialisten und Materialwissenschaftler von IBM arbeiten derzeit mit Hochdruck an Nutzungskonzepten für Lithium-Luft-Batterien. Mit ihnen soll der Radius einer Stromfahrt auf über 600 Kilometer anwachsen. Als weltweit größter Technologiepartner der Branche hat IBM immer wieder Anwendungen für die Automobilindustrie entwickelt und mit Herstellern zur Serienreife gebracht. Beispielsweise Abstandsregelsysteme oder Spurwechselassistenten. In speziellen Entwicklungszentren forschen Experten von IBM mit Ingenieuren, beispielsweise von Valeo oder Magna. „Wir sehen uns nicht nur als Lieferant, sondern als Partner der Automobilindustrie“, so Gerhard Baum, IBM Vice President Automotive Industry. „Besonders gefragt sind unsere Studien und Untersuchungen, die den Marktteilnehmern analytisch fundierte Aussagen über Trends und aktuelle Managementstrategien an die Hand geben und ihnen helfen, Schwachstellen entlang der Wertschöpfungskette zu beheben.“

Den Blick über die Motorhaube hinweg gibt es auch bei Accenture. Das weltweit größte Management- und Technologie-Beratungsunternehmen denkt branchenübergreifend und kann Wissen aus mehreren Industrien in Projekte einbringen. Ein Vorteil vor allem bei transaktionalen Vorgängen wie Finanzsystemen, Back-Office und Vertrieb. Für Andreas Baier, der das Automobilgeschäft im deutschsprachigen Raum verantwortet, bringt diese Interdisziplinarität klare Vorteile: „Gerade weil Accenture nicht nur in ITKategorien denkt, können wir in Transformationsprojekten Geschäftsprozesse und IT optimal miteinander verknüpfen.“ Zudem ist Accenture bisher ohne Akquisitionen gewachsen. Alle Mitarbeiter teilen das Verständnis für IT-Dienstleistungen und handeln auf Basis einheitlicher Standards und Prozesse – auch in den Offshore-Centern in China und Indien. Allein in Mumbai arbeiten mehrere zehntausend Entwickler von Accenture auch im Auftrag der Autoindustrie an Individual-Software, der Pflege von Softwaresystemen und dem Betrieb von Geschäftsprozessen. Die Angebote rund ums Application Management können den Spielraum von Herstellern und Zulieferfirmen in der Krise schnell vergrößern. Und sie durch die Projektsteuerung vielleicht sogar vom Offshoring überzeugen. Sicherheit gibt auch der Name Siemens, wenn Unternehmen in neue Märkte vorstoßen wollen. Beim Aufbau von Werkenbieten die Münchner Komplettlösungen an. „Als Marktführer für Automatisierungstechnik, Manufacturing Execution Systems und PLM-Software kennen wir die Maschinenparks, die Steuerungssoftware und die Schnittstellen sehr genau“, sagt Roger Kehl, der das Automobilgeschäft der Siemens IT Solutions and Services weltweit leitet. Prozessberatung und Dienstleistungen rund um Automotive SCM, PLM und Shop-Floor-Lösungen für Presswerk, Karosseriebau, Lackiererei, Motorenbau und Montage sind die Türöffner, um ergänzende IT-Services zielgerichtet zu platzieren. PLM-Softwarelösungen von Siemens optimieren den Produktlebenszyklus, Manufacturing Intelligence sorgt für flexiblere Produktionsprozesse und Automatisierungs- und Servicekonzepte steigern die Produktivität. „Siemens versteht sich nicht als klassischer IT-Dienstleister, sondern als Industriekonzern mit einem breiten Lösungsportfolio“, erklärt Kehl. Eines der Zukunftsthemen heißt Fahrzeugelektronik. Schwerpunkte sind Embedded Systems für das Motormanagement, die Getriebesteuerung und die Bordelektronik. Aber: Experten erwarten, dass Siemens von Platz drei der Lünendonk-Liste abrutschen wird, wenn die Automotive-Umsätze von EDS erstmals vollständig in das Jahresergebnis von HP einfließen.

Sind neue Fabriken produktionsbereit, landen Ausschreibungen für IT-Systeme, die den Anlauf begleiten und helfen, Lieferanten zu integrieren, oft bei Capgemini. Speziell mit Lösungen für Kundenauftragsprozesse sieht man sich als Nummer eins im deutschen Markt – selbst wenn die Lünendonk-Liste das französische Unternehmen als Verfolger der Spitzengruppe „nur“ auf Platz sechs ausweist. „Unsere Kunden schätzen die unkomplizierte und effiziente Zusammenarbeit mit Capgemini – nicht nur in ihrem Heimatmarkt, sondern auch in Niedriglohnländern“, bekräftigt Kai Grambow, als Vorstandsmitglied von Capgemini sd&m verantwortlich für die Autoindustrie. 20 Prozent der Umsätze im deutschsprachigen Raum erlöst Capgemini mit Kunden wie BMW, Daimler, Volkswagen und Volvo sowie den Tier-1-Suppliern Bosch, Continental und ZF. Ob das so bleibt, muss sich zeigen. Nick Gill, Vice President für das Automobilgeschäft, rechnet vorerst nicht mit steigenden IT-Budgets. „Viele Firmen haben ihre indirekten Kosten heruntergefahren und festgestellt, dass sie auch ohne diese Ausgaben ganz passabel zurechtkommen. Wir werden daher nicht mehr so schnell das Ausgabenniveau der Vorjahre erreichen – wenn überhaupt.“ Ein Problem, das momentan alle haben.

Autor: Ralf Bretting

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