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Stagnierende Märkte, Innovationsdruck und stark sinkende IT -Budgets: Die Rahmenbedingungen für die Automobilindustrie waren selten so schwierig wie heute – zugleich herrscht dringender Investitionsbedarf.

Die Spreu vom Weizen zu trennen, gehört derzeit zum Alltagsgeschäft im IT-Bereich der Automobilkonzerne. „Die laufenden, strategisch wichtigen Projekte weiterzuführen, neue zu ermöglichen und gleichzeitig die IT-Kosten zu senken ist aktuell die größte Herausforderung. Dabei gilt es den Freiraum für Weiterentwicklungen zu wahren“, konstatiert Michael Gorriz, CIO der Daimler AG. Auch bei Toyota geht es darum, mit reduzierten Budgets die erwarteten Services leisten zu können und sich gleichzeitig auf zukünftige Anforderungen einzurichten. „Die wichtigste Herausforderung sehen wir in der Trennung von sinnvollen und langfristig weniger sinnvollen Einsparmaßnahmen und in einem transparenten und effektiven Controlling“, unterstreicht Roland Storz, Direktor Informatik und Organisation der Renault Deutschland AG. Der Spagat zwischen einem stabilen Systembetrieb und der Verfolgung erfolgskritischer Projekte beschäftigt auch Ford.

– so lautet das IT-Motto der Stunde: Die ITBudgets wurden bei allen OEMs nach unten angepasst. Im nächsten Jahr sieht es ähnlich aus. Bei Toyota greift ein harter Sparkurs: Dieses Jahr wurde um 15 Prozent gekürzt, bezogen auf das bereits reduzierte Budget 2008. Auch die Budgets für das nächste Jahr sollen unter denen des laufenden Jahres liegen. „Die Investitionen sind extrem zurückgefahren und werden nur im Bereich der Ersatz- und Erneuerungsinvestitionen wie Softwarelizenzen durchgeführt“, weiß Georg Molinari, Geschäftsführer der Toyota Informations-Systeme GmbH. Aktuelle Projekte werden bei der Genehmigung extrem gegen den ROI und den Nutzen für die aktuelle Situation geprüft. Strategische Projekte werden geschoben oder in der Umsetzung verlangsamt. „Die Gesamtstrategie steht nicht in Frage, allerdings wird der Zeitraum zur Umsetzung länger dauern“, so Molinari. Gleiches bei Audi: Auch dort gibt es laut CIO Klaus Straub Projekte, die sich nicht kurzfristig auf der Kostenseite einspielen lassen (Ausgabe 02/09). Straub ist sich aber sicher, dass man mit IT massive Effekte auf der Kostenseite erzielen kann. Daimler geht für die IT nach den deutlichen Kürzungen 2009 von einer leichten Verringerung des Budgets im Vergleich zum Vorjahr aus. „Wir haben uns auf die wesentlichen Projekte konzentriert, die Servicelevels heruntergefahren und liegen jetzt im IT-Bereich deutlich unter dem Budgetniveau des Vorjahres“, so Gorriz. Bei Renault wurden die IT-Ausgaben dieses Jahr um etwa zehn Prozent gekürzt. Im nächsten Jahr soll das Budget konstant bleiben, eine finale Entscheidung steht jedoch noch aus. „Wir haben einige kleinere Projekte zeitlich nach hinten verschoben (auf 2010/2011), die Gesamt-strategie hat sich jedoch nicht geändert“, erklärt Storz. „Es ist weiterhin unklar, wie sich die Nachfragesituation über 2010 hinaus entwickeln wird. Ich gehe daher von weiteren Anstrengungen zur Verbesserung unserer Wettbewerbsfähigkeit aus“, sagt auch Hans-Joachim Heister, IT-Manager bei Ford. Laufende Projekte und IT-Zielsetzungen sieht Heister nicht gefährdet. „Wir haben einen ‚Zero-based Approach‘ eingeführt, bei dem jede Neuinvestition in erster Linie daran gemessen wird, wie kritisch das Projekt einzustufen ist“, erklärt Heister. Projekte kommen dann auf die Prioritätenliste, wenn ansonsten Produktionsprozesse, der Verkauf der Fahrzeuge oder die Erfüllung von gesetzlichen Anforderungen nicht gewährleistet würden. Im Infrastrukturbereich treibt Ford die RZ-Konsolidierung und Virtualisierung voran.

Zu den absolut unantastbaren Gütern gehören nahezu durchgehend die Systemstabilität und das Thema Dealer-Management. „An der Stabilität geschäftskritischer Systeme sparen wir nicht. Bei der Weiterentwicklung legen wir den Schwerpunkt auf die Systeme, die der Optimierung unserer Vertriebsabläufe dienen“, sagt Gorriz. Bei Toyota soll die Erneuerung des Dealer-Management- Systems wie geplant in Time und Budget umgesetzt werden. „An IT-Maßnahmen in den Bereichen Verkäufer-Unterstützung und CRM sparen wir nicht, diese Bereiche werden sogar noch ausgebaut“, heißt es auch bei Renault. „Die Automobilindustrie steht unter dem Druck, trotz knapper Kassen in die Optimierung ihrer IT-Systeme zu investieren“, meint Thilo Koslowski, Vice President und Lead Automotive Analyst, der seit zwölf Jahren beim Marktforschungsinstitut Gartner für den Automobilbereich verantwortlich ist. Gerade die deutschen Autobauer hätten bisher zu wenig im Bereich Dealer-Management-Systeme getan. „DMS kosten Geld – der Benefit wird sich jedoch nicht sofort einstellen, sondern erst in einigen Jahren, wenn sich die Marktsituation bereits geändert hat“, so Koslowski. Dennoch: Leidensdruck sei eine gute Motivation, die Krise damit auch Anlass für einen eher kathartischen Aufräumprozess der IT. Für Roland Storz von Renault liegen die Trends in der Kostenreduzierung und -effizienz sowie in den Themen Standardisierung und Internationalisierung. Toyota will sich verstärkt mit der Nutzung von Open-Source-Produkten und der Einführung von Webservices auseinandersetzen. Daimler und Ford schreiben das Thema Collaboration ganz groß – zum einen für die Zusammenarbeit globaler Teams, zum anderen in Richtung Web-2.0-Anwendungen wie Social Networking. Unter dem Stichwort „Digital Worker“ und „Virtual Workspace“ soll auf diese Weise ein Wandel der Strukturen eingeleitet werden.

Gartner-Mann Koslowski sieht heute die größte Herausforderung darin, die IT-Systeme so umzustellen, dass Agilität möglich wird. Beispiel: Wenn verstärkt Kleinwagen nachgefragt werden, soll sich künftig die Produktion innerhalb kurzer Zeiträume adjustieren lassen. „Das hat bisher kein großes Unternehmen richtig hinbekommen, Anpassungen an Markttrends dauern immer noch mehrere Jahre“, meint der Gartner-Experte. Zudem sei es eine wichtige Chance, neue Absatzmärkte zu identifizieren und IT-Budgets gezielt auch für den raschen Aufbau von Infrastrukturen einzusetzen. Gerade in Deutschland sei eine Herausforderung für die großen Player, vom „Königsdenken“ gegenüber der Supply Chain zu einem partnerschaftlichen Ansatz zu finden. „Das wird in Asien bereits gelebt, in den USA etabliert sich dieses Denken gerade aufgrund der harten Folgen aus der Krise“, so Koslowski. Wenn Zulieferer wegbrächen, bliebe es trotz globalen Wettbewerbs nicht folgenlos für die OEMs. Ein Weg ist aus Sicht von Gartner das Nutzen von Cloud Computing, um sich auf Standards zu einigen, Technologie-kosten zu teilen – und vom OEM über die Zulieferer bis hin zum Händler auf die gleichen (Markt-) Daten zuzugreifen. „Wenn die aktuellen Daten aus der Händlerorganisation für alle zugänglich sind, können sich auch die Zulieferer schneller auf  Trends einstellen“, so Koslowski. Durch die Einbindung der digitalen Welt ins Fahrzeug wird sich die Supply Chain verändern: Der Umgang mit Software/Content-Lieferanten werde sich anders gestalten als mit klassischen Zulieferern.

Autorin: Daniela Hoffmann

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