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STX3 – eine moderne Open-Source-XML-Lösung – trifft auf eine Branche mit einem bunten Sammelsurium an Insellösungen: Zulieferer, Hersteller, Händler, Dienstleister, Banken, Versicherer. Ihre Datenschnittstellen verstehen sich oft nur dort, wo sich ein Produkt innerhalb von Markengrenzen bewegt. Abseits dieser Wege wird es undurchsichtig. Ob es das sture Konkurrenzdenken der Hersteller und Händler ist oder das insgeheime Interesse kleiner IT-Dienstleister am Geschäft mit teuren Einzellösungen und Flickwerk – Thomas Filsinger, Vorsitzender des STX3 e.V. sieht, unabhängig von den Ursachen für das Datengewirr, die Zeit reif für eine professionelle Standardschnittstelle im Automobilhandel. Ein Beispiel aus der Praxis: Wenn alles glatt läuft in einem Autoleben, sagen wir eines BMW, dann wird das Fahrzeug neu beim BMW-Händler gekauft, vier bis fünf Jahre gewartet und repariert – und schließlich als Gebrauchter beim gleichen Händler gegen einen neuen BMW eingetauscht. Im Hintergrund protokolliert die EDV eifrig jedes Ereignis mit: Inspektion, Unfallreparatur, Laufleistung, Systemdiagnosen, Halter. Das gläserne Auto in einer digitalen Welt. Ein Traum für Vermarkter!

. Jeder Handels-Profi weiß, wie höchst unwahrscheinlich dieses Szenario ist. So ein Kunde gerät ja gerne mal auf Abwege. Er wechselt den Händler. Noch schlimmer: Er verkauft seinen BMW beispielsweise an einen VW-Händler. Von dort nimmt er einen gebrauchten Mercedes mit nach Hause. Das Unheil nimmt seinen Lauf. Weder BMW noch Mercedes haben nach Stand der heutigen EDV-Technik bei diesem VW-Händler etwas verloren. Schon bei der Hereinnahmebewertung gibt es größte Probleme: An die digitalen Fahrzeugakten der beiden Fremdfabrikate kommt der VW-Händler nicht heran. Also muss er umständlich ermitteln, welche Sonderausstattungen in den Wagen verbaut sind, ob es Vorschäden gab, ob er scheckheftgepflegt ist und vieles mehr. Seine, sagen wir, Mutmaßungen tippt er zunächst einmal händisch (anhand HSN, TSN) bei Schwacke oder DAT ein, um einen Ankaufspreis zu ermitteln. War das von Erfolg gekrönt und kommt der Kauf zustande, erfasst der Verkäufer die gleichen Informationen ein zweites Mal per Hand, jetzt in sein DMS. Denn der Transfer von den Bewerterportalen zum DMS des Händlers funktioniere erfahrungsgemäß nur selten reibungslos, oft überhaupt nicht, so Filsinger.

Schritt drei: Angekommen im DMS müssen die Objekte einer fremden Markengalaxie schnellstmöglich auf mehreren Gebrauchtwagenbörsen platziert werden. Das DMS des Händlers generiert dazu eine Datentabelle und verschickt sie an die Online-Börsen. Das Datenformat: eine gute alte CSV-Datei. Ganz pragmatisch hält man sich hier an das CSV-Format des Marktführers Mobile. Man könnte glatt von einem Standard sprechen, gäbe es nicht, so Filsinger, etwa 300 Varianten davon. Da manche Händler die Tabelle in Excel ganz einfach selbst erstellen, gibt es versehentlich hin und wieder auch noch ein paar mehr. „Das Mobile-CSV-Format wird von niemandem überwacht“, erklärt Filsinger. Die ohnehin schon fragwürdige Datenqualität erlebt so nicht selten ihren zweiten Tiefschlag: Einzelne Daten oder ganze Fahrzeuge gehen beim Export verloren, weil unter anderem vom Börsen-Betreiber abgefragte Informationen fehlen. Abweichende Schreibweisen bei der Bezeichnung können Fahrzeuge darüber hinaus in Online-Börsen „unfindbar“ machen. Zudem, so Filsinger, sei CSV unter allen Gesichtspunkten ein inzwischen nicht mehr zeitgemäßer Standard, weder hinsichtlich seiner Funktionalität noch unter Sicherheitsaspekten.

Grund genug zu handeln. Der STX3-Verein verzeichnet heute nach seiner Gründung Ende 2007 bereits eine Reihe von Mitgliedern, darunter mehrere Automobilbörsen wie Gebrauchtwagen.de, Carzilla oder den IT-Dienstleister Werbas. Neuerdings wird auch der Beitritt eines großen Börsenanbieters erwartet, für diese Nachricht gab es zum Redaktionsschluss allerdings noch keine offizielle Bestätigung. Marktführer Mobile hält sich dagegen bedeckt. Malte Krüger, Leiter des Deutschlandgeschäfts von Mobile erklärte automotiveIT gegenüber: Ein Standardformat wie STX3 funktioniere, anders als in anderen Branchen, nur bedingt, „da Online-Börsen, Automobilhersteller und DMS-Anbieter unterschiedliche Schwerpunkte und damit einhergehende Datenmodelle haben, die beispielsweise im Gegensatz zu einer Finanztransaktion nicht einheitlich sind“. Zudem versucht Mobile ganz offensichtlich auch weiterhin, den Standard selbst zu setzen. Krüger: „Wir haben mit MESA (Mobile-External-Search-API) vor cirka zwei Jahren ein Format definiert, mit dessen Hilfe der Austausch zu anderen Systemen gewährleistet ist, das künftig einheitlich bei allen schreibenden und lesenden Zugriffen Verwendung findet und welches wir auch ständig weiterentwickeln.“

Filsinger nimmt es gelassen: Er hält es nicht für ausgeschlossen, dass Mobile abwartet, wie sich STX3 entwickelt, um dann später doch noch einzusteigen. Denn eines müsse man schließlich bedenken: Ein unabhängiges Format, das von den Mitgliedern eines Vereins gesteuert und weiterentwickelt werde, sei der Abhängigkeit von der Lösung eines Einzelunternehmens vorzuziehen.

Autor: Georg Winter


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