Die Kommunikation zwischen Fahrer und Fahrzeug bündeln klassische HMI-Konzepte, also die Mensch-Maschine-Schnittstelle (HMI = human-machine interface), meist in zwei tradierten Informationsebenen: in der Armaturentafel und der Mittelkonsole. Hinzu kommen Schalthebel, Lenkrad und Pedale als Befehlsgeber. Doch die wachsende Zahl und Art der Informationen erfordert vom Fahrer inzwischen ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Reaktionsschnelligkeit. Daran ändern auch die seit Anfang des Jahrtausends eingeführten Dreh-/Drücksteller nichts. Im Gegenteil: Einige Systeme lenken sogar vom Geschehen auf der Straße zu sehr ab, wie ein Test des Auto Club Europa jüngst ergab. Künftig kommen beispielsweise noch Apps hinzu, die erkannt und bedient werden wollen. Die Autoindustrie ist nun gefordert, diese neuen Funktionen intelligent zu integrieren – die einfache Übernahme reicht nicht aus. Diese Features müssen an den Kontext Fahrzeug angepasst und somit in logische, intuitiv umzusetzende Bedienschritte gefasst werden. Das fängt bei der visuellen Wahrnehmung an und reicht bis zur akustischen sowie haptischen Rückmeldung. „Es gibt ständig neue Dienste und die Funktionen müssen wir bezahlbar und bedienbar gestalten“, berichtet Michael Bolle, Bereichsvorstand Entwicklung bei Bosch Car Multimedia. Infotainment und Fahrerassistenz werden, darin sind sich Experten einig, die Bedienkonzepte künftiger Fahrzeuggenerationen grundlegend verändern, neue Anzeige- und Bedienelemente sind die Folge. Und noch etwas kommt hinzu: Elektroautos haben ein anderes Package als konventionelle Fahrzeuge. Das wirkt sich vermutlich auch auf die Gestaltung der Instrumententräger aus.

Bei Bosch Car Multimedia reagierte man auf diese Trends und Anforderungen recht früh mit einem mehrteiligen Konzept. Wichtigstes Element: das Zentraldisplay. Es bleibt, aber es verändert sich. Ein Beispiel ist das Dual-View-Display – der geteilte Bildschirm, in dem der Fahrer eine Fahrerassistenzfunktion überwachen und der Beifahrer sich bei einer Infotainmentanwendung entspannen kann. Das trifft offenbar die Wünsche der Autokäufer: „Das Dual View wurde vom Markt hervorragend angenommen“, freut sich Michael Bolle. Automobilhersteller wie Daimler nutzen diese Technologie seit 2009 in der Serie. Ein weiteres Element sind voll programmierbare Kombiinstrumente, die klassische mechanische Anzeigen durch Grafiken ersetzen oder Bilder einer Videokamera zeigen. Einen Ausblick auf eine derartige Technologie gewährte Audi auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas im Januar 2011. In den Audi-Modellen der Zukunft wird das Display im Kombiinstrument immer wichtiger werden, weil der Fahrer es schneller und komfortabler ablesen kann als einen zentral angeordneten Monitor, so die Auffassung der Entwickler. Das Ziel ist das frei programmierbare Kombiinstrument, es wird den Raum des heutigen analogen Instruments einnehmen. Es ist als TFT-Modul ausgeführt, hochauflösend und vollfarbig. Dank seiner aufwendigen Grafik kann es die Analoginstrumente, wenn das gewünscht wird, perfekt abbilden – in einem dreidimensionalen Look. Diese so genannten 3D-HMI-Lösungen werden gerade von Bosch vorangetrieben. Der Grund: Die räumlichen Effekte erlauben es zum Beispiel, dass ein wichtiges Abbiegeschild 50 Meter vor dem Fahrer auf die Fahrbahn projiziert wird, oder ein virtuelles Stoppschild auf dem Heck des vorausfahrenden Pkw, dem man schon gefährlich nahe gekommen ist, aufleuchtet. Dazu werden Head-up-Displays mit der so genannten Augmented-Reality-Technologie kombiniert. Diese Technik kennen Fußballfans aus dem Fernsehen – wenn etwa beim Freistoß die Entfernung bis zum Tor angegeben wird, das real sichtbare Bild also um eine Information erweitert wird, die der Zuschauer in der Realität nicht hat. Auf der Straße sind das für den Fahrer zum Beispiel Abstandsinformationen oder zusätzliche Fahrhinweise. Ein Auto der Kompaktklasse mit Augmented Reality von Bosch will ein deutscher Autobauer 2014 anbieten. Der größte Automobilzulieferer der Welt kennt die Herausforderung, dass immer mehr Infotainment, Fahrerassistenzsysteme und weitere Funktionen den Fahrer auch verwirren können. Und das nicht nur im Sinne der Ablenkung. Manche Funktionen sind einfach zu komplex. Die Folge: Schon heute nutzen Fahrer oft nur einen Teil der Möglichkeiten, weil sie manche Funktionen entweder gar nicht kennen oder sie nicht bedienen können. „Durch frühe Nutzer-Tests prüfen wir die userzentrierte Akzeptanz“, sagt Ulrich Kersken, Chefarchitekt bei Bosch Car Multimedia. Die intuitive Bedienbarkeit von HMI-Instrumenten spielt eine entscheidende Rolle bei der Akzeptanz von zusätzlichen Fahrzeugfunktionen.

Der Gesetzgeber muss dafür sorgen, dass HMI-Technologien nicht zu einer Gefahr im Straßenverkehr werden. Technisch sieht Michael Bolle da keine Probleme. Man könne zum Beispiel je nach Fahrsituation wichtigen Fahrerassistenzanzeigen den Vorrang geben, damit sie Infotainmentanwendungen „unterdrücken“ und eventuell störende Applikationen ganz aufheben – schon jetzt gibt es Anwendungen, die nur im stehenden oder langsam fahrenden Fahrzeug genutzt werden können. Die Akzeptanz kann auch durch Spracheingabe statt Tastendruck verbessert werden, wenn diese denn auf einfache Weise möglich ist. Ab 2012 will Bosch ein System auf den Markt bringen, dass die „Holprigkeiten“ bisheriger Systeme ausmerzt und ohne schwer memorierbare Dialoge auskommt. Aber auch Tas-taturen werden ständig mit dem Ziel einer höheren Bedien-freundlichkeit verbessert – die sich allerdings auch auf die Spitze treiben lässt. Wie das aussehen kann, zeigt Continental mit dem Anzeige- und Systemkonzept Simplify your Drive. Wenn der Fahrer den Modus „Komfort“, „Sport“ oder „Eco“ aktiviert, verändert das Fahrzeug entsprechend seinen Charakter. Aus einem Auto werden so drei: ein auf maximalen Komfort mit umfangreicher Fahrerunterstützung und minimaler Fahreranforderung ausgelegtes Fahrzeug, ein sportliches Auto oder ein besonders spritsparendes Modell. Der Fahrer muss die Fahrwerksabstimmung und andere Einflussgrößen nicht separat aktivieren, das geschieht sozusagen in einem Durchgang. Mittelfristig ist sogar ein individuelles Profil angedacht, das sich ein Fahrer Punkt für Punkt maßschneidern kann. Die entsprechenden Einstellungen der persönlichen Vorlieben ließen sich beispielsweise in einem Funkschlüssel speichern.

Doch das Auto als „Maßanzug“ für den jeweiligen Fahrer ist derzeit noch Zukunftsmusik. Denn auch schon das, was bisher an Infotainment und Assistenzsystemen angeboten wird, hat seinen Preis. Deshalb ist bisher vor allem das Premiumsegment die Spielwiese für neue HMI-Technologien. Nicht zuletzt die hohen Entwicklungskosten sind dafür verantwortlich, denn noch hütet jeder OEM eifersüchtig seine Projekte, gelten Fahrerassistenz und Infotainment künftig doch als wichtige Differenzierungsmerkmale, mit denen man im harten Wettbewerb prima punkten kann.

„Standardisierung ist eines der Schlüsselthemen, um die Kosten in den Griff zu bekommen“, sagt Michael Bolle. Der Entwickler ist davon überzeugt, dass sich Open-Source-Systeme langfristig als Basis durchsetzen werden. Auf diese Plattformen werden dann differenzierende Systeme und Anwendungen der OEMs aufgesetzt. Ebenso können auch neue Anwendungen und Dienste implementiert werden, denn stetig weiterentwickelte Software und Anwendungen der Autohersteller für ihre Automarken stärken neben der Renditeerwartung auch die Markenbindung. Bei den Navigationssystemen gebe es bereits einen „offenen Markt“, weiß Bolle. „Wir liefern Software für Navis anderer Hersteller und umgekehrt.“ Auch für einen Global Player wie Bosch macht es kaum Sinn, Software für Navigationsgeräte in Korea oder Japan zu entwickeln. Die Standardisierung vorantreiben könnten indes die Smartphones. Viele Autofahrer wollen sie auch in ihrem Fahrzeug nutzen. Sinnvoll geht das am besten mit einer Verbindung zum Zentraldisplay. Michael Bolle hält Smartphones für einen zunehmend wichtigeren Internet-Befähiger im Automobil. Damit wächst aber auch der Druck auf die Automobilhersteller, offene statt proprietäre Infotainment- und andere Lösungen (Navigation) zu berücksichtigen.  Einfach zu bedienen und kostengünstig wünschen sich Smartphone-Besitzer die Integration ihrer Lieblingsspielzeuge ins Auto. Und preiswert soll es darüber hinaus auch werden, wenn in der Oberklasse bewährte Assistenz- und Infotainmentelemente auf Mittelklasse- und Kompaktautos übertragen werden. Ford macht es bereits mit dem aktuellen Focus vor.

 

Autor: Gert Reiling

 

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