Reger-Fujitsu

Joseph Reger, CTO CE & EMEIA bei Fujitsu: „Vereinfacht gesprochen, können Unternehmen mit dem Digital Annealer manche Vorteile des Quantencomputings bereits heute nutzen.“ (Bild: Fujitsu)

Auch Fujitsu bietet eigene Lösungen an carIT hat mit Joseph Reger, CTO CE & EMEIA bei Fujitsu über die Möglichkeiten des Quantencomputing gesprochen

carIT: Fujitsu geht im April mit der zweiten Generation des „Digital Annealer“ auf den Markt. Laut eigener Aussage handelt es sich um eine „von Quantencomputing inspirierte Technologie“. Was hat man sich darunter vorzustellen?

Joseph Reger: Der unschlagbare – aber derzeit für Unternehmen nicht praktisch nutzbare – Vorteil von Quantencomputern ist deren immenser Geschwindigkeitsvorteil beim Lösen von Aufgaben gewisser Problemklassen, wie zum Beispiel der kombinatorischen Optimierung. Die Digital Annealing-Technologie basiert zwar auf herkömmlichen silizium-basierten Chips, ahmt jedoch Quantencomputing-Effekte nach. Im Gegensatz zu herkömmlichen Rechnern kann sie dadurch komplexe kombinatorische Probleme deutlich schneller lösen. Es handelt sich beim Digital Annealer um eine sehr spezielle Hardware-Architektur, die mit herkömmlichen Prozessorarchitekturen nicht vergleichbar ist. Vereinfacht gesprochen, können Unternehmen mit diesem System manche Vorteile des Quantencomputings bereits heute nutzen – und zwar ohne Quantencomputer, die momentan nur unter Laborbedingungen mit beträchtlichem Aufwand und Kosten betrieben werden können.

Welche Anwendungsfälle treiben Sie derzeit in der Autobranche mit voran und welche Use Cases werden in Zukunft möglich sein?

Überall dort, wo Berechnungen mit einer Vielzahl von Variablen beziehungsweise Möglichkeiten anfallen, ist das Digital Annealing die prädestinierte Technologie. Dies gilt beispielsweise für die optimierte Steuerung von Robotern, um das Schweißen oder Versiegeln von Karosserien effizienter zu gestalten. Hier konnte in ersten Projekten jeweils eine signifikante Beschleunigung erreicht werden. Andere Einsatzszenarien in der Fertigungsindustrie sind etwa die Optimierung von Logistikprozessen oder die (Re-)Disposition von Aufträgen – und zwar quasi in Echtzeit. Denn in Vergleichstests war ein Digital Annealer-System der zweiten Generation rund 10.000 Mal schneller als ein klassischer Server. Berechnungen, die bislang Stunden dauern, sind somit in Sekundenschnelle möglich und werden damit produktionsrelevant.

Quantencomputing wird häufig als Gefahr für kryptographische Verfahren betrachtet. Welche Lösungen sind im Security-Kontext nötig, wenn sich Quantencomputing in der Breite durchsetzen sollte?

In der Tat werden viele herkömmliche Verschlüsselungsverfahren – insbesondere die asymmetrischen Verfahren, wie etwa das weit verbreitete RSA – durch funktionierende und skalierbare Quantenrechner schnell zu knacken sein. Denn der dafür notwendige Algorithmus ist bereits bekannt. Lediglich das Fehlen praktikabel nutzbarer Quantenrechner schützt derzeit noch die mit solchen Verfahren verschlüsselten Daten. Bei der Entwicklung von Gegenmaßnahmen dominieren zwei Ansätze: Die Post-Quantum-Kryptographie, die auf neuen beziehungsweise erweiterten kryptographischen Algorithmen auf herkömmlichen Rechnern basiert, sowie der Entwicklung gänzlich neuer Verschlüsselungsverfahren mittels Quantencomputer. An beiden Ansätzen wird seit geraumer Zeit intensiv geforscht. Die erste Variante kann in vielen Fällen bereits heute in Betrieb genommen werden. Wir empfehlen, dass die Migration zu den neuen Verfahren möglichst bald geplant und begonnen wird.

Joseph Reger ist einer der Top-Speaker des automotiveIT Kongress 2019 am 21. März in Berlin. Informationen zur Veranstaltung und die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie unter diesem Link.

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