Brennstoffzelle.carIT

Entsprechend intensiv forschen die Automobilhersteller seit Jahrzehnten an dem Prinzip und haben es nach einigen Anläufen und teilweise zu früh angekündigten Startterminen mittlerweile zur Serienreife gebracht. Elektrisch fahren auf Langstrecken wäre somit keine Utopie mehr. Doch die Technologie hat auch einen Haken: „Brennstoffzellenfahrzeuge haben per se eine höhere Reichweite, aber auch einen geringeren Wirkungsgrad als Elektrofahrzeuge. Bei einem Brennstoffzellenauto kommt ein Viertel des Stroms als Energie am Rad an, bei einem Elektroauto drei Viertel“, so Lambrecht. Und das ist nicht das einzige Manko. Längst sind nicht alle Herausforderungen gelöst. Auch die Speicherung von Wasserstoff – das Element neigt dazu, sich schnell zu verflüchtigen – und der Transport des Energieträgers werfen immer noch Fragen auf. Aus diesem Grund haben die folgenden sechs Industrieunternehmen jüngst die H2-Mobility-Initiative gegründet: Air Liquide, Daimler, Linde, OMV, Shell und Total. Die Partner wollen den Aufbau eines landesweiten Wasserstoff-Tankstellennetzes für Brennstoffzellenfahrzeuge vorantreiben. Bis zum Jahr 2023 sollen hierzulande rund 400 H2-Stationen errichtet werden. Bereits innerhalb der kommenden vier Jahre könnten nach Vorstellung der Verantwortlichen 100 Wasserstofftankstellen in Betrieb gehen. Rund 350 Millionen Euro will das Konsortium investieren. Damit verbunden ist auch ein „Unterstützungsappell“ an die Bundesregierung. „Die fortlaufende öffentliche Unterstützung der Bundesregierung ist für den Erfolg des Aktionsplans genauso essenziell wie das große Engagement der Industrie“, so ein Manager von Daimler abwägend. Das politische Berlin, das im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) bereits agiert, ist gefordert, sich zu bewegen, um das Henne-Ei-Problem zusammen mit der Industrie zu beseitigen: ohne Tankstellen keine Autos, ohne Autos keine Tankstellen. Umweltexperte Lambrecht sieht das nicht anders. „Man muss bei Infrastruktur in Vorleistung gehen, sonst kauft keiner ein Fahrzeug.“ Und Kunden braucht die Industrie, um eine Marktdurchdringung zu erreichen und die Brennstoffzelle als Geschäftsmodell zu etablieren. Davon ist man Stand heute mangels Serienfahrzeugen noch weit entfernt. Und: Wenn es sie gäbe, wären sie zu teuer. Mehrere tausend Euro würde ein solches Fahrzeug mehr kosten als das konventionell angetriebene Pendant. Das Brennstoffzellenfahrzeug (BZ) leidet somit an ähnlichen Anlaufschwierigkeiten wie das Elektroauto. „Wir erleben heute noch, wie alle anderen Automobilhersteller auch, eine relativ angespannte Situation bezüglich der eingesetzten Mittel“, gibt man bei Daimler zu. Mit anderen Worten: Die hohen Investitionskosten drücken. Nur hohe Stückzahlen können das Dilemma beseitigen. Nicht zuletzt deshalb ist der Konzern eine Kooperation mit Ford und Nissan eingegangen, BMW wiederum mit Toyota. „Jetzt bündeln wir unsere Kompetenzen, um Zukunftstechnologien schneller und günstiger zur Serienreife zu bringen“, so BMW-Chef Norbert Reithofer, der damit ausspricht, was alle Hersteller, die das Thema auf der Agenda haben, umtreibt.

Alleingänge sind jedenfalls kaum mehr möglich. Das US-Beratungsunternehmen Lux Research bezweifelt gar, das selbst hohe Produktionszahlen die Kosten mittelfristig wieder einspielen. „Die Wasserstoffversorgungskette ist nicht der eigentliche Engpass“, urteilt Analyst Brian Warshay, Autor der Studie „The Great Compression: the Future of the Hydrogen Economy“, und schmettert damit Argumente ab, der Energieträger sei das Problem. „Die Investitionskosten in die Brennstoffzelle bilden die hohe Barriere.“ Dennoch müssen die Verantwortlichen das Problem in den Griff bekommen, sonst bleibt die Brennstoffzelle im Auto ein ewiger Traum. Synergiepotenziale in der technischen Weiterentwicklung von Elektro- und BZ-Fahrzeugen könnten die Konkurrenzsituation zwischen den Antriebstechnologien mildern – und Kosten senken. Daimler fordert zudem weitere Maßnahmen: „Im jetzigen Stadium der Brennstoffzellenentwicklung wäre zudem die Unterstützung der kleinen und mittleren Unternehmen sehr wichtig. Denn ein großer Beitrag zur Kostenreduktion des Brennstoffzellensystems muss von den Komponentenherstellern kommen“, so Pressesprecherin Madeleine Herdlitschka. Gemeint sind Förderprojekte. Und damit ist man beim nächsten Problem: Es gilt, Zulieferer, die häufig aus ganz anderen Branchen kommen, an die spezifischen Anforderungen der Automobiltechnik heranzuführen. Auch das ist nicht ohne Reibungsverluste möglich. Auch die Zusammenarbeit auf anderer Ebene dürfte noch für Spannung sorgen. „Jetzt gilt es, den Verkehrssektor mit dem Energiesektor intelligent zu verknüpfen“, betont Udo Lambrecht. Dann könnte das BZ zu einem Mosaikstein der fluktuierenden Stromerzeugung der Zukunft werden – das Fahrzeug als rollender, intelligenter Ener­giespeicher. Vermutlich ein langer Marsch. Derzeit versucht die Automobilindustrie erst einmal, Serienfahrzeuge auf den Markt zu bringen. Einer der Ersten wird wohl – wie bei der Hybridtechnologie – Toyota sein. 2015 rollt der FCV (Seite 42) zu den Händlern. Zeitgleich folgt Hyundai mit dem ix35 FuelCell. Daimler und seine Kooperationspartner folgen 2017.

Fest steht: Der Weg zum Brennstoffzellenauto ist mit Hürden gepflastert. Neben der mangelnden Infrastruktur krankt die Technologie noch an den hohen Kosten. Kann sie sich durchsetzen? Vielleicht bedarf es eines Tipping Points, der den Anschub auslöst. Schafft es die Industrie nicht, die Batterien von Elektroautos in puncto Reichweite und Kosten nachhaltig zu verbessern, könnte die Stunde des BZ schlagen.

Autor: Peter Rademacher
Fotos: Toyota/Daimler

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