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Mit dem Phaeton wollte VW vor zehn Jahren nicht nur sein etwas dröges Image aufpolieren, sondern auch endlich eine Oberklasse für Gutsituierte bereithalten, die einen VW bisher nur aus dem Mitarbeiter-Fuhrpark kannten. Der Plan ging nur zum Teil auf, denn der Phaeton konnte zumindest in Deutschland bislang nur wenig Autofahrer überzeugen – in diesem Jahr griffen bis Oktober laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) nur 1.577 Kunden zum massiven Phaeton-Schlüssel. Eine Mercedes S-Klasse verkaufte sich im gleichen Zeitraum 2.870 Mal und für den BMW Siebener begeisterten sich im gleichen Zeitraum 3.546 Kunden. Doch der Phaeton hat seinen Mitbewerbern etwas voraus, das manche lieben werden. Und genau deshalb zu ihm greifen.

Der seit 2002 gebaut klassisch konservativ gestalteter Viertürer erinnert an einen zu groß geratenen Passat und geht genau deshalb in der Masse unter. Die 5,15 Meter lange Karosse fällt im Straßenverkehr kaum auf, nur mit langem Radstand (dann 5,23 Meter) überragt das schlichte Heck jede Parklücke. Mehr Understatement im noblen Ambiente geht nicht. Auf Vorstandsparkplätzen und den Regierungssitzen dieser Welt ist das eher nebensächlich. Für VW-Patriarch Ferdinand Piëch war die Premiere damals die Krönung seiner Schaffenszeit – der sündhaft teure Bugatti Veyron kam erst drei Jahre später. Bis heute entsteht der Phaeton auch nicht in einer Fabrik, sondern in der sogenannten Gläsernen Manufaktur in Dresden.

Wer mindestens 69.150 Euro übrig hat, freut sich über eine feine Verarbeitung, Luftfederung, Abstandsregeltempomat bis Tempo 200 und ein selbstleuchtendes Nummernschild. Der Innenraum ist klassisch mit viel Leder und Holz eingerichtet und von unerschütterlicher Qualität. Besonderen Wert legte man anscheinend auf die Entwicklung der zugfreien Klimaanlage, die Passagiere auf allen Plätzen genießen können – hier zieht nichts. Bei Bedarf verschließen sanft gleitende Blenden die Lüftungsgitter und das Armaturenbrett sieht aus wie aus einem Guss. Im Fond thront allerdings eine monströse Bedieneinheit die mehr nach Video-Bildschirm aussieht als nach einem Teil der Klimaanlage. Vor allem Fahrzeuge mit langem Radstand (ab 77.250 Euro) und nur zwei Fondsitzplätzen (ab 86.050 Euro) wird der Phaeton zum idealen Chauffeurs-Fahrzeug. Dann gibt keinen besseren Platz als hinten rechts. Dank der elektrisch verstellbaren Sitze lässt sich auch eine sehr lange Fahrt genießen.

Passend zur Optik präsentiert sich der vor allem in Deutschland beliebte 3,0-V6-Diesel mit 176 kW/240 PS: Ein zurückhaltender Selbstzünder, der nur bemerkbar wird, wenn die dicken Seitenscheiben runtergefahren sind. Alternativ werden ein V6- und V8-Benziner mit 206 kW/280 PS beziehungsweise 246 kW/335 PS angeboten. Der 2003 vorgestellt mächtige V10-TDI mit 5,0 Litern Hubraum und 230 kW/313 PS stemmte 750 Newtonmeter auf die Kurbelwelle, konnte aber trotz Allradantrieb vor Kraft kaum laufen und war vor allem nicht sauber genug. 2007 schaffte er die gültigen Abgasgrenzen nicht mehr und wurde ausrangiert.

Trotz seines Leergewichts von 2,4 Tonnen hat aber auch der kleine Diesel keine Mühe mit der Limousine, die Sechsgang-Automatik schaltet im Normal-Modus sanft durch die Gassen, so dass Tempo 100 nach 8,6 Sekunden erreicht sind. Bei freier Bahn ist die Oberklasse-Limousine immerhin noch für 237 km/h gut – während der Chef hinten rechts arbeitet. Bei zurückhaltender Fahrt sind 8,6 Liter drin, kein Vorzeigewert, aber durchaus akzeptabel. Im Stadtverkehr pendelt sich der Verbrauch aber schnell oberhalb der Zehn-Liter-Grenze ein, was nach heutigem Standard deutlich zu viel ist.

Aber man darf nicht vergessen, dass der Phaeton aus Sicht der technischen Entwicklung ein zehn Jahre altes Auto ist, auch wenn es bisher dreimal überarbeitet wurde. Während die ersten beiden Maßnahmen als normales Facelift durchgingen, präsentierte VW die Limousine vor zwei Jahren als neues Modell. Ein Blick auf die Karosserie zeigt aber: Der Neue ist der Alte, nur besser geschminkt und aktualisiert, vor allem, was die Assistenzsysteme angeht. Das fällt weniger beim Komfort, dafür vor allem beim Navigationssystem und der Multimedia-Einheit auf. Die wirkt im Vergleich zu den Mitbewerbern altbacken.

Das scheint nicht alle zu stören. In die USA wurde der Export zwar schon 2006 eingestellt, aber in China ist der Chef aus Wolfsburg beliebt – trotz, oder wegen seiner optischen Zurückhaltung.sp-x/fh

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