Jahrelang kochten die Autohersteller bei den Infotainment-Systemen ihrer Fahrzeuge jeweils ihr eigenes Süppchen. Mit dem Ergebnis, dass Navis, Musikanlagen und Online-Dienste hoffnungslos der technischen Entwicklung hinterherhinkten. Das soll künftig besser werden: Denn immer mehr Hersteller setzen bei der IT-Elektronik auf Kooperationen mit Spezialisten von Apple, Google und Co.
So haben Mercedes, Volvo und Ferrari zum Start der Frühjahrsmesse bekannt gegeben, Apples neuen Dienst Carplay in ihre Fahrzeuge integrieren zu wollen. Die Infotainment-Anlagen der Autos werden so zur Verlängerung des Smartphones. Künftig übernimmt das Handy-Betriebssystem die Kontrolle über den mittlerweile auch in vielen Kleinwagen serienmäßigen zentralen Bildschirm. Der Fahrer sieht dort dann das von seinem Mobiltelefon gewohnte Bild, kann seine Apps nutzen, seine Musiksammlung ansteuern oder das Kartenmaterial von Apple zur Navigation nutzen. Teure Eigenentwicklungen können so vermieden, die schnelleren Entwicklungszyklen der Elektronikkonzerne genutzt werden. Dass etwa ein teures Navigationssystem schon wenige Monate nach dem Kauf eines Neuwagens bereits veraltet ist, soll dann der Vergangenheit angehören.
Auch Apple-Wettbewerber Android macht sich auf den Weg ins Auto. Das unter der Führung von Google entwickelte Betriebssystem soll künftig in Fahrzeugen aus dem General-Motors-Konzern, bei Honda und Hyundai genutzt werden können.
Neben der verbesserten Einbindung des Handys in die Bordelektronik ist in Genf noch ein zweiter Megatrend zu beobachten: die Kommunikation des Autos mit seiner Umwelt. „Die Vernetzung des Automobils leitet eine neue Ära ein – bisher war das Auto isoliert von der Umgebung, in Zukunft wird es mit ihr interagieren“, glaubt etwa Wolf-Henning Schneider, Chef der Kraftfahrzeugtechnik beim Automobilzulieferer Bosch. Im Zentrum steht dabei die sogenannte Car-2-X-Technologie, die die Vernetzung von Fahrzeugen untereinander sowie mit Straßen, Ampeln und anderen Infrastruktur-Einheiten ermöglicht. Das Auto soll seinen Fahrer so künftig etwa vor Glatteis, Staus und anderen Gefahren warnen können. Bosch beruft sich dabei auf Studien, die davon ausgehen, dass eine derartige Technik die Verkehrstotenzahlen um bis zu 90 Prozent senken könnten. Und auch der Verkehrsfluss soll sich um rund 80 Prozent verbessern, wenn etwa das Auto schon lange vor der Ampel weiß, mit welcher Geschwindigkeit es sich nähern muss, um die Grünphase zu erwischen.
Der komplett vernetzte Straßenverkehr dürfte zwar genau wie das selbstfahrende Auto noch Zukunftsmusik sein, doch schon in den kommenden Monaten wird sich der Pkw in die große Datenwolke einklinken müssen. Denn ab 2015 sollen nach dem Willen der EU alle Neuwagen mit dem automatisierten Notrufsystem e-Call ausgerüstet sein. Die Technik setzt bei einem Unfall automatisch einen Notruf ab und sendet gleich auch seinen Standort an die Rettungsdienste.
Weil die Technik sowieso den Einbau eines ständig aktiven Mobilfunkmoduls in jedem Fahrzeug nötig macht, wollen die Autohersteller die Online-Verbindung gleich auch weiter nutzen. Dritter großer Trend sind daher Vernetzungs-Dienste, die die Autofahrer noch stärker an ihren Hersteller binden sollen. Mercedes etwa hat eigens die neue Marke „Mercedes Me“ ins Leben gerufen, um seine Online-Dienstleistungen zu bündeln. Einer der Kernbausteine ist ein Kommunikationsmodul, das dem Autofahrer die Fernabfrage von Fahrzeugdaten ermöglicht. So lassen sich dann etwa der aktuelle Tankfüllstand, der Standort oder der Reifendruck per Handy vom Frühstückstisch aus abfragen. Ähnliches bietet künftig auch Opel mit dem Dienst Onstar an.
Datenschützer sehen derartige Technik aber kritisch. Denn theoretisch kann das Mobilfunkmodul unbegrenzt Daten sammeln und versenden. So lassen sich etwa Bewegungsprofile erstellen, Informationen über den Fahrstil sammeln oder – zumindest prinzipiell – Gespräche im Innenraum mithören. Die Hersteller versichern allerdings, vorsichtig mit den Daten umgehen zu wollen und sie nur auf Wunsch auszuwerten. So dürfte es künftig günstigere Versicherungsprämien für Kunden geben, die die Vernetzungstechnik im Sinne eines Unfalldatenspeichers nutzen.
Wie genau die Geschäftsmodelle hinter den Online-Diensten aussehen, ist bislang aber noch nicht klar. Zumindest teilweise dürfte die Nutzung kostenpflichtig sein, wenn sie über die simple Notruffunktion hinausgeht. Denn um Daten zu nutzen, müssen sie per Mobilfunk gesendet werden. Und das ist in der Regel nicht umsonst.sp-x/hh
Bild: Bosch