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Hermann Bohrer: „Lean Smart Factory sollte grundsätzlich zur Unterstützung der Mitarbeiter eingesetzt werden.“ (Bild: BMW Werk Mexiko in San Luis Potosí)

automotiveIT hat sich mit Bohrer über den Wandel der Produktion im digitalen Zeitalter unterhalten

Das BMW-Werk in Mexico gilt konzernweit als das modernste. Welches sind die dort eingesetzten technologischen Highlights?

Eine Vielzahl von Technologien aus dem Bereich Industrie 4.0 wird beispielsweise in der Montage verwendet. Bildschirme ersetzen im Montageprozess weitestgehend das Papier und ermöglichen, direkt Feedback geben zu können. Mit der Einführung des Fertigungsprozesses ohne Papier wurde ein Ortungssystem mit hoher Genauigkeit in der kompletten Montage installiert. Basis ist unser Internationales Produktions-Steuerungssystem zur Generierung von Positionsdaten. Dieses System generiert täglich Millionen von Positionsdaten und gibt uns damit die Möglichkeit, noch viele weitere Innovationen – ohne großen Aufwand für die Entwicklung – zu integrieren. Darunter fällt zum Beispiel unsere automatische Fahrzeugsteuerung auf unseren Testlinien.

Einige smarte Technologien unterstützen schon jetzt die Produktion. Welche haben sich bewährt?

Vor allen Dingen im Bereich der Motorvormontage arbeiten Roboter und Mitarbeiter in einer Kollaboration zusammen. Auch in Prozessen mit hoher Wiederholgenauigkeit werden solche Mensch-Roboter-Kooperationen eingesetzt. Beim Auftrag der Kleberaupe für die Scheiben kann der Roboter auf engstem Raum mit dem Mitarbeiter zusammenarbeiten. Der Mensch in der Produktion ist in Zukunft noch viel mehr als heute Gestalter und Befähiger von Prozessen. Die Technik unterstützt den Menschen, sie wird ihn nicht verdrängen: der Mensch bleibt auf dem Fahrersitz. Unser Anspruch ist es, dass die Systeme für die Produktionsexperten, wie etwa Qualitätsspezialisten, bedienbar sein müssen – und zwar unabhängig von den konkreten Algorithmen, die in einem Rechensystem laufen. Daher konzentrieren wir uns auf robuste Lösungen mit hoher Vorhersagegenauigkeit und einem belastbaren, stabilen Betriebskonzept. Wir nutzen gern auch Impulse von der Basis: Analytics-Lösungen werden durch Software-Bausteine als Self Services konzipiert, sodass Produktionsmitarbeiter selbst neue Lösungen in ihrem Bereich umsetzen können. Wir setzen Mensch und Technik stärkenbasiert ein. Sensitivität und Flexibilität sind einzigartige Stärken des Menschen. Wiederholgenauigkeit, Ermüdungsfreiheit die von Robotern. Bei Data & Anlalytics ermöglichen erst Algorithmen, große Mengen von Daten zu analysieren. Die richtigen Schlüsse aus den Analysen zieht der Mensch.

Welche weiteren disruptiven Produkte werden die Produktionseffizienz signifikant steigern?

Der Einsatz von RFID Tags in Bauteilen und Werkzeugen ist im industriellen Umfang zwar schon für Einzelfälle erprobt, die Technologie hat allerdings Potenzial in einer großen Ausrollung für eine Vielzahl von Themen eingesetzt zu werden. Wir arbeiten gerade daran, diese Technologie effizient und prozesssicher umzusetzen. Der Erfolg würde die Effizienz im gesamten Produktionsprozess erhöhen. Weiterhin arbeiten wir an unserem Sensor Netzwerk, welches Daten wie Temperatur oder Staubgehalt in der Luft drahtlos an unsere Produktionssysteme sendet.

Wohin entwickelt sich die Fahrzeugproduktion bis 2030?

Lean Smart Factory sollte grundsätzlich zur Unterstützung der Mitarbeiter eingesetzt werden. Mit dem Ziel, Komplexität zu bewältigen, Qualität zu sichern und Effizienz zu steigern. Die aktuell interessantesten Themen sind sicherlich die künstliche Intelligenz und 5G-Netze. Bereits heute zeichnet sich ein klarer Trend für den Einsatz künstlicher Intelligenz in den Werken der BMW Group ab. Durch die zunehmende Verschmelzung von Smart Data Analytics, modernster Messtechnik und KI ergeben sich neue Möglichkeiten für die Produktionssteuerung. Beispiel Karosseriebau: Live-Bilder in der Endkontrolle können belegen, wenn an einer Schweißstelle bei mehreren Karosserien Schweißgut herausgespritzt war. Nun besteht die Chance, mittels KI den Regelkreis zu schließen und die Anlagensteuerung oder Wartungszyklen noch schneller und effizienter zu justieren. In den Lackierereien bieten KI- und Analytics-Anwendungen das Potential, Fehlerquellen so frühzeitig zu erkennen, dass Fehler kaum mehr auftreten können.

Das Gespräch führte Andrea Hoffmann-Topp

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