Die Lizenzhölle

verdeutlicht aber auch, dass ein Unternehmen schon einiges an Aufwand treiben muss, um seine Lizenzkosten zu optimieren. Nun sollte man meinen, dass aufgrund der Aussicht auf Einsparungen jeder IT-Verantwortliche das Lizenzmanagement weit oben auf seine Agenda setzt, doch weit gefehlt. „Es ist das ungeliebte Kind der IT“, sagt Axel Oppermann, Senior Advisor bei der Experton Group, der sich mit dem Thema seit Jahren befasst – auch in Kundenprojekten. „Stellen Sie sich vor, ein produzierender Betrieb könnte die Anzahl der benötigten Werkstücke oder die Stückkosten einer zentralen Baugruppe nicht beziffern. Preise ließen sich dadurch nicht verlässlich kalkulieren – Aufwendungen und Bedarfe wären nicht zu erfassen.“ Was für die Produktion unvorstellbar klingt, ist bei Software leider noch viel zu oft Realität. Da kann auch IDC-Analyst Rüdiger Spies ein Lied von singen: „Ich habe schon Unternehmen beraten, in denen rechnerisch eine Anwendung auf eine Million Umsatz gekommen ist. Unabhängig von Details: Das ist viel, viel zu viel.“ Lizenzmanagement sei einfach „gegen die Natur von kreativen IT-Schaffenden, deren Augenmerk auf neuen Systemen und neuen Technologien“ liege. Betriebswirtschaftliche Aufgaben seien in der IT noch immer unbeliebt. Die Experton Group hat im Frühjahr Entscheider in Unternehmen gefragt, wie es um das Lizenzmanagement bestellt ist. Knapp 60 Prozent der Befragten in Firmen mit 500 bis 1000 Mitarbeitern gaben an, dass sie kaum oder keine Kontrolle über das Lizenzmanagement hätten. Bei Unternehmen ab 1000 Mitarbeitern war es immer noch fast ein Drittel. „Häufig gibt es für das Thema keine Kompetenzträger im Unternehmen, weder in der IT noch im Einkauf“, sagt Axel Oppermann. Neben einem fehlenden Bewusstsein auf Managementebene für die Notwendigkeit eines durchgängigen Ansatzes, sind auch zutiefst menschliche Beweggründe Schuld an der Misere: „Fürstentümer“ in der IT auf Geschäftsbereichsebene, die sich von der Corporate-IT nicht kontrollieren lassen wollen, aufgeblähte Beraterstäbe in Asset-Management-Projekten, weil jeder Manager dort „seine“ Vertrauten platziert, und nicht zuletzt die Angst der IT, dass man bei der Bestandsaufnahme Leichen im Keller findet. „Auch Pauschalverträge mit mehreren Jahren Laufzeit verleiten die Unternehmen dazu, kein Lizenzmanagement zu betreiben“, sagt Olaf Diehl, Sales Manager bei Aspera, einem Anbieter, der sich auf das Lizenzmanagement spezialisiert hat. Damit seien sie den Herstellern aber ausgeliefert: Ohne Nutzungshistorie fehle jegliche Verhandlungsbasis, wenn es um eine Vertragsverlängerung gehe.
Daneben gibt es natürlich auch technische Gründe, die sich für die Anwender negativ auf die Lizenzkosten auswirken: Metriken für Mehrkernprozessoren, Virtualisierung, Capacity-on-Demand-Funktionen oder Tools für das Provisioning sind häufig nicht lizenznehmerfreundlich angelegt. Zum Beispiel sind bei manchen Virtualisierungen nur bestimmte Arten der Partitionierung von den Anbietern vorgesehen worden, die dynamische Zuweisung von Prozessorkapazitäten kann dann schnell teuer werden. „Die Folgen von Änderungen oder neuer Lösungsansätze in der Hard- und Softwarearchitektur sollten, wie in ITIL vorgeschlagen, eben auch bei der Prüfung der Kos-ten einer Entscheidung detailliert berücksichtigt werden, statt einfach nur das technisch Beste anzustreben“, rät Diehl.

Wer sich an die Sisyphusarbeit des Lizenzmanagements herantraut, wird schnell erkennen, dass vor allem der Client einiges Einsparpotenzial besitzt. Es seien immer wieder die gleichen Anwendungen, die dort unnötig installiert würden, sagt Volker Schweier, Leiter Produktmanagement/Marketing beim Lizenzmanagementspezialisten Amando Software: „Projektmanagementsoftware, Anwendungen für die Bildverarbeitung oder zum Erstellen und Bearbeiten von Dokumenten.“ Aber auch Applikationen für numerische Simulationen gehörten dazu, da sie sich teils ohne Installationspaket auf weiteren PCs einsetzen ließen – einfach durch Kopieren des Verzeichnisses. „Die IT bemerkt das dann oft erst, wenn die Abrechnung ansteht und auch die Kopien ihren Eintrag in der zentralen Nutzerdatenbank hinterlassen haben.“ Dann können einen schon Sisyphus’sche Gedanken beschleichen.

 

Autor: Michael Vogel

Illustration: Sabina Vogel

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