Vernetztes Auto, E-Mobility und Carsharing sind drei Begriffe für den beginnenden Paradigmenwechsel in der Automobilindustrie. Schon weiter fortgeschritten ist eine andere Transformation, die massive Verlagerung der Produktion in  frühere ,,Schwellenländer“.

Aufgaben und Chancen der IT in dieser neuen Autowelt untersucht das Branchendossier ,,IT-Dienstleistungen für eine veränderte Automobilindustrie“ der Kaufbeurener Marktberatung Lünendonk in Kooperation mit automotiveIT und fachlich unterstützt durch die IT-Dienstleister BearingPoint, Cirquent und Tata Consultancy Services.

,,Die Informationstechnologie spielt für die Bewältigung der Herausforderungen in der Automobilindustrie eine zentrale Rolle“, sagt Mario Zillmann, Senior Consultant bei Lünendonk. Das gelte gerade auch für die Megatrends, Demografie, Mobilität, Mega Cities und Nachhaltigkeit. Zillmann: ,,Die Chancen für Beratungs- und IT-Dienstleister, ihren Anteil an der Wertschöpfung am Endprodukt „Automobil“ zu erhöhen, sind derzeit so groß wie nie zuvor.“

Die Automotive-Branche steht also vor einem grundlegenden Wandel – aber sie wird weiter wachsen. Das gilt weniger für die ,,reifen Märkte“ in Europa, Nordamerika und Japan als für boomende Volkswirtschaften wie Brasilien, Russland, Indien und China. Dort sind zwar prestigeträchtige Premium-Fahrzeuge sehr gefragt, doch mengenmäßig werden Low Cost Vehicles dominieren. Längerfristig kommt die Zeit des Elektromotors mit einer ganz anderen Infrastruktur und Energieversorgung. ,,Ohne großflächige IT-Lösungen wird das nicht funktionieren“, heißt es in dem Dossier.

Viele Milliarden müssen für neue Technologien durch Autohersteller, Zulieferer und neue ,,Mitspieler“ wie Energieversorger oder Chemieunternehmen (Batterien) investieren. Das dürfte höhere Ausgaben für Automotive IT insgesamt und für IT-Dienstleistungen erfordern – bisher sind es im Sektor Automotive durchschnittlich 1 900 Euro je Mitarbeiter und Jahr.

Vor allem mit Collaboration Tools und Application Software unterstützt die IT die zunehmende internationale Kooperation in der Branche ebenso wie die weiter wachsende Auslagerung der Wertschöpfung. Auch im Auto steigt der Elektronik- und Softwareanteil von derzeit rund einem Drittel auf mehr als 50 Prozent. Die Lünendonk-Experten erwarten eine Verdoppelung des Software-Anteils im Auto alle zwei bis drei Jahre. Für bis zu 80 Prozent aller automobilen Innovationen dürfte künftig ,,embedded“ Software die Basis sein.

Sicherheitssysteme, Fahrerassistenzsysteme, Navigation, Entertainment, Verkehrssteuerung, Telematik, RFID in der Logistik oder Infrastruktur für Elektroautos und neue Mobilitätslösungen aus einer Kombination von eigenen, fremden und öffentlichen Verkehrsmitteln: Alles fußt auf der Informationstechnologie. Die IT entwickelt sich von Technologie-Anbieter und -Bereitsteller immer mehr zum Rückgrat des Automotive-,,Eco-Systems“.

Etwa 13 Prozent ihres Umsatzes erzielen führende IT-Beratungs-, IT-Service- und Software-Unternehmen nach einer Lünendonk-Umfrage im Bereich Automotive. Dabei sind sie eng in die Wertschöpfungskette eingebunden. Daimler etwa erbringt ein Drittel der IT-Leistungen selbst, zwei Drittel werden eingekauft – von ingesamt etwa 400 Firmen.

Künftig werden die Prozessketten innerhalb der OEM und in den Netzwerken mit den Zulieferern noch dichter. Die IT-Abteilungen der Automotive-Unternehmer wandeln sich von internen Dienstleistern zu Kompetenzzentren für Beratung. Projektmanagement, IT-Architektur und IT-Governance werden laut Lünendonk überwiegend in den Unternehmen selbst geleistet. Betrieb und Entwicklung der IT-Infrastruktur, Technologie- und Prozessberatung sowie Managed Services hingegen sind Domänen externer Anbieter.

Manche Anbieter arbeiten als ,,Flexibilitäts-Dienstleister“ fast ausschließlich mit Dienstverträgen und Arbeitnehmer-Überlassung. Andere Anbieter engagieren sich im Rahmen der Produktentwicklung ihrer Kunden und scheuen dafür das unternehmerische Risiko nicht – sie investieren beispielsweise in Simulationsanlagen oder Rechenzentrums-Kapazität.

Langfristig schaffen Elektrifizierung sowie neue Mobilitäts- und Telematikkonzepte ein vollständig neues Eco-System für die Automobilwirtschaft. ,,Automotive IT wird das Rückgrat des neuen Eco-Systems sein“, lautet eine Prognose des Branchendossiers. Ein mögliches Szenario: Konzerne wie Apple und Google bieten nicht nur Handys, sondern Autos an, indem sie Zulieferer kombinieren: Design aus Italien, Entwicklung in Deutschland, Produktion in China. Doch Volkswagen, Toyota, GM, Ford, BMW, Daimler & Co. werden sich alle Mühe geben, das zu verhindern.

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