Eine synthetische Kraftstoffeanlage des Automobilherstellers Audi.

Ist der Sonderweg von Audi bald zu Ende? Volkswagen scheint kein Interessean alternativen Kraftstoffen zu haben. (Bild: Audi)

Alternative Kraftstoffe sind fast so alt wie das Auto selbst. Schon vor gut hundert Jahren entwickelte die I.G. Farben das sogenannte Leuna-Benzin, einen Kraftstoff, der in Hydrierwerken aus Kohle hergestellt wurde.

Das Ziel war damals dem heutigen nicht unähnlich: Autarkie vom Erdöl. Die Idee entwickelte sich zum Dauerbrenner. Trotz des hohen energetischen Aufwands ist die Kohleverflüssigung nach dem Prinzip der Fischer-Tropsch-Synthese auch heute noch in den USA und China gebräuchlich. Nur: Aktuell rückt die E-Mobilität immer stärker in den Fokus.

Audi geht einen Sonderweg

Fast könnte man meinen, synthetische Kraftstoffe seien obsolet. Dabei ist das Gegenteil der Fall: „Aktuelle Studien belegen, dass neben einer forcierten Elektrifizierung große Mengen an Wasserstoff und synthetischen Kohlenwasserstoffen notwendig sind, um aus dem fossilen Zeitalter auszusteigen und die Klimaziele zu erreichen“, erklärt Reiner Mangold, Leiter Nachhaltige Produktentwicklung bei Audi.

Der Ingolstädter Autobauer verfolgt weiterhin die Entwicklung von E-Kraftstoffen und E-Gas, Letzteres obwohl VW den erdgasbetriebenen Fahrzeugen Adieu gesagt hat. Dem Vernehmen nach wartet Audi mit der Entscheidung, bis der neue Vorstandschef Markus Duesmann sich freigeschwommen hat und sein Verdikt abgibt.

Der neue starke Mann wird vermutlich bei der Ingolstädter Tochter den Daumen senken. Zu stark ist der Druck aus Wolfsburg, wo man auf die batteriebetriebene Elektromobilität setzt. Zudem sind der energetische Aufwand, um synthetische Kraftstoffe herzustellen, und damit die Kosten nach wie vor vergleichsweise hoch.

Alternative Kraftstoffe sind umstritten

In die gleiche Kerbe schlägt auch die Initiative Agora Verkehrswende, die deutlich macht, dass Wasserstoff und E-Fuels keine ökologisch sinnvollen Alternativen sind, wenn bei ihrer Herstellung nicht zu hundert Prozent regenerative Energien verwendet werden.

Die Verfechter der alternativen Kraftstoffe halten dagegen, dass der Strom aus erneuerbaren Quellen gewonnen wird und die ambitionierten CO2-Reduktionsziele nur mit einem Erdöl-Substitut zu erreichen sind. Da Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren noch einige Jahre das Rückgrat der Mobilität bilden werden, sind alternative Kraftstoffe vonnöten.

Industrielle Herstellung

Geforscht wird auf allen Kontinenten. Die kanadische Firma Carbon Engineering stellt bereits synthetischen Kraftstoff her, indem sie Kohlendioxid mit Wasserstoff verbindet. David Keith, Harvard-Professor und Mitbegründer des Startups, rechnet vor, dass bei einer industriellen Herstellung des Kraftstoffes etwa eine Million Tonnen CO2 mithilfe einer mechanischen Vorrichtung aus der Luft gezogen werden.

Das entspricht etwa dem Ausstoß von rund 250.000 Autos oder der Fotosynthese-Leistung von etwa 40 Millionen Bäumen. Die Versuchsanlage in Squamish (British Columbia) produziert bereits den ökologischen Kraftstoff.

Dort wird das Kohlendioxid einer Reihe von chemischen Prozessen unterzogen, um seine Konzentration zu erhöhen, es zu reinigen und zu komprimieren, damit es in Gasform zur Verwendung oder Lagerung geliefert werden kann.

Dabei wird das Salz aus der Lösung in einer Art Reaktor in kleine Pellets getrennt, die dann in einem Kalzinator erhitzt werden, um das CO2 in reiner Gasform freizusetzen, damit es mit Wasserstoff reagieren kann.

Sauberer Diesel als Kraftstoffalternative

Auch in Deutschland tüftelt man unermüdlich an synthetischen Kraftstoffen. Heion hat einen umweltschonenden Dieseltreibstoff entwickelt, in dem die Molekularstruktur verändert wird. Das Geheimnis ist der Reaktor, in dem das Wasser sowie der Diesel zusammengeführt werden, damit unter einem genau definierten Druck und zu einem speziellen Zeitpunkt eine Synthese der beiden Stoffe erfolgt.

Das Resultat ist ein sauberer Diesel. „Wir radikalisieren zuerst die chemische Struktur des Diesels mit anschließender Stabilisierung durch Veresterung oder Verätherung“, erklärt Andreas Heine, Heion-Gründer und CEO.

Um die Struktur eines Dieselkraftstoffs zu verändern, sind normalerweise viel Energie, eine hohe Temperatur oder hoher Druck nötig. Das soll bei diesem Kraftstoff nicht der Fall sein. Die Energie für die Herstellung des neuen Diesels stammt aus der chemischen Reaktion der beiden Ausgangsstoffe.

Stromverbrauch wie ein Staubsauger

Die zentrale Idee hinter dem Verfahren, mit dem lange Kohlenwasserstoffmoleküle in kurzkettige umgewandelt werden, ist die Kavitation. Erste Versuchsläufe klingen vielversprechend: Bei Tests mit einem Mercedes 350D (Baujahr 1993, ohne Katalysator) emittierte der Motor um 75 Prozent weniger Rußpartikel und etwa 30 Prozent weniger Stickoxide.

Bleibt noch die Frage nach den Kosten. „Für den Betrieb unseres Reaktors, der 5000 Liter am Tag produziert, benötigen wir pro Stunde etwa so viel Strom wie ein Staubsauger“, verdeutlicht Andreas Heine.

Bei einer Großserienproduktion wird man vermutlich die Reaktoren in Serie schalten. Ein weiterer Vorteil der Herstellung des umweltfreundlichen Diesels ist, dass sie problemlos in bestehende Distributionsketten eingefügt werden kann.

Mangelnde Unterstützung der Politik

Der Kraftstoff hat harte Tests, bei denen Motoren durch Reduktion der Ansaugluft zum harten Klopfen gebracht wurden, bestanden. Die Experten der MiBö Prüfmotorentechnik-Teile GmbH bescheinigen dem Sprit im Vergleich zu konventionellem Diesel geringere Rußverunreinigungen.

„Wir sind technisch marktreif, kostengünstig und verhandeln bereits mit den ersten größeren Unternehmen. Wir bieten einen Quick Win, eine Zwischenlösung, bis andere Konzepte greifen“, sagt Andreas Heine, der im Sommer die erste Heion-Tankstelle in Betrieb nehmen will.

Allerdings beklagt Heine einen Mangel an Unterstützung seitens der Politik: „Wir bekommen politisch eher wenig Unterstützung, eigentlich keine. Unser Diesel scheint nicht gewollt zu sein.“ Zu sehr scheint man sich in Berlin auf die batteriebetriebene Elektromobilität zu versteifen. In dasselbe Horn stößt Sunfire, ein weiteres deutsches Unternehmen, das einen alternativen Kraftstoff auf den Markt bringen will.

„Die Bundesregierung sollte sich in der nationalen Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie II (RED II) für eine Gleichbehandlung von E-Fuels und fortschrittlichen Biokraftstoffen einsetzen“, lässt die Dresdener Firma verlauten. Das Unternehmen tüftelt schon seit einigen Jahren an synthetischen Kraftstoffen und hat das Interesse von Firmen wie dem Erdölkonzern Total geweckt.

Pilotanlagen in Norwegen

Spezialisiert hat sich Sunfire auf die Hochtemperaturelektrolyse, mit der durch Einsatz von Ökostrom, Wasser und CO2 zunächst synthetisches Gas produziert wird, das dann mit weiteren Schritten (Fischer-Tropsch-Verfahren) zu synthetischem Kraftstoff weiterverarbeitet werden kann. Die Experten haben einen Weg gefunden, um das Synthesegas in einem einzigen Schritt und mit einem hohen Wirkungsgrad von etwa 80 Prozent herzustellen.

Damit sinken die Investitions- und Betriebskosten für Power-to-X-Projekte wie synthetische Kraftstoffe deutlich. Unterm Strich ergibt sich laut dem Dresdner Unternehmen bei Well-to-Tank im industriellen Maßstab ein Wirkungsgrad von rund 60 Prozent – vom eingesetzten Strom bis zum fertigen Kraftstoff an der Tankstelle.

Bezieht man auch noch Tank-to-Wheel ein – das heißt, nach der Verbrennung des Kraftstoffs im Motor –, kommt man auf eine Gesamteffizienz von circa 21 Prozent. Ein wichtiger Stellhebel ist auch bei diesem Verfahren der Strom, der in Deutschland einfach zu teuer ist. Deswegen zieht es das Dresdener Unternehmen nach Norwegen, wo erneuerbare Energien aus Wind und Wasserkraft fast im Überfluss vorhanden sind.

In dem skandinavischen Land laufen bereits Pilotanlagen, die den Ökokraftstoff herstellen. Bei Sunfire könnte man sofort loslegen: „Die Technologie liegt reif in der Schublade, die Infra­struktur ist vorhanden, ausreichend Ökostrom ist in Norwegen vorhanden“, erklärt ein Sprecher des Dresdener Unternehmens. Allerdings hake es nach wie vor an den unzureichenden politischen Rahmenbedingungen.

Sie möchten gerne weiterlesen?