Verkehrsplattform_Uber

Zusammenschlüsse für Innovationsthemen unter den OEMs gibt es beispielsweise beim Carsharing, bei Echtzeitkarten, Blockchain oder dem Ausbau der Elektrotankstellen. Auffällig ist, dass es meist nur zwei, manchmal drei Player sind, die sich zusammentun. Das gilt auch für Moovel mit Reach Now als Kooperation von Daimler und BMW: Das gemeinsame Ökosystem soll Carsharing, Ridehailing, Parking, Charging und Multimodalität vereinen. „In der Automobilindustrie wächst der Kostendruck. Abgesehen von der Elektromobilität werden viele Themen nur mit angezogener Handbremse angegangen und unter dem Gesichtspunkt der Einsparung zurückgestellt“, stellt Wolfgang Bernhart fest, Partner bei Roland Berger. Es sei ein umfassenderer Zusammenschluss sinnvoll, bei dem Themen auf einer gemeinsamen Plattform angegangen werden und eine Differenzierung der einzelnen Player erst im nächsten Schritt stattfindet. „Neue Technologien können schneller und in einem relevanten Umfang in den Markt gebracht werden, wenn sich Unternehmen komplementär ergänzen und übergreifende Angebote platzieren“, sagt Bernhart.

Bedeutung des Autos nimmt ab

„Wir brauchen mehr integrierte Angebote und Coopetition statt Konkurrenzdenken. Dazu gehören Partnerschaften für Seamless Mobility und eine verkehrsmittelübergreifende Mobilität bis in die letzte Meile“, meint Christian Rauch, Trendforscher an dem von Matthias Horx gegründeten Zukunftsinstitut. „Viele OEMs reden seit Jahren darüber, dass sie zum Mobilitätsdienstleister werden wollen. Das passt nicht zum ungebrochen starken Markenfokus“, so Rauch. Der Zukunftsforscher ist überzeugt: Das Auto, wie wir es kennen, werde es so in zehn, zwanzig Jahren kaum noch geben. Es müsse sich künftig reibungslos in den Mobilitätsmix einfügen. Auch wenn das Fahrzeug für individuelle Mobilität vor allem im ländlichen Raum weiter eine wichtige Rolle spiele, werde es weniger Autos geben, die jedoch mehr unterwegs sind. Aus Sicht von Rauch werden auch Zusammenschlüsse der Autohersteller nicht ausreichen, um den großen Tech-Companys Paroli zu bieten. Es sei jedoch wichtig, sich für kooperative, netzwerkartige Geschäftsmodelle zu öffnen. „Da wird die Wertschöpfung immer enger und weniger profitabel sein, weil neben OEMs und Zulieferern auch andere Player mitverdienen wollen“, so der Zukunftsforscher.

Wenn OEMs wirklich zum Mobilitätsanbieter werden wollen, wie vor einigen Jahren vollmundig von CEOs wie Dieter Zetsche versprochen, könnte das also wohl nur in gemeinsamer Anstrengung etwas werden. Vor allem das Thema Ladeinfrastruktur liege im Eigeninteresse der Hersteller, meint Bernhart: „Mit einer kundenfreundlichen Ladeinfrastruktur werden die Kunden mehr Elektroautos kaufen, was dann auch den OEMs bei der Einhaltung der Grenzwerte entgegenkommt.“ Aber auch hier zeigt sich die Zerfaserung der Branche. 2017 starteten zwar BMW, Daimler, Volkswagen zusammen mit Ford das gemeinsame Projekt Ionity, um 400 Ladesäulen in Europa in einem Zeitraum von drei Jahren zu bauen. In Deutschland ist man jedoch weit entfernt von einer ausreichenden Ladestellenversorgung. Hier prescht derzeit die RWE-Tochter Innogy als Ladesäulen-Dienstleister vor. Volkswagen geht derweil eigene Wege und hat im Rahmen seiner Elektroauto-Offensive die Tochter Elli gegründet. Sie soll Ladestationen für die eigene Garage und Ladesäulen einschließlich Ökostrom anbieten.

Vernetzte Mobilität steck noch in den Kinderschuhen

Auch auf der Softwareseite ist es bisher noch ruhig. Wann eine intermodale „Killer-App“ der durchgängigen Wege kommt, ist vermutlich nur eine Frage der Zeit – und von wem. „Einzelne Anbieter wie die Deutsche Bahn sind da schon weiter. Dort wurde vernetzte Mobilität mit Fahrrad, Ridesharing, Bus und Bahn ins Angebot integriert“, stellt Rauch fest. Am Ende ist es eine Fleißaufgabe, die Daten von lokalen Verkehrsverbünden, der Bahn, Airlines, Carsharing und alternativen Mobilitätsanbietern zu bündeln – und die Infos in einer App intelligent zugänglich zu machen. Die Technologien dafür sind bereits vorhanden und ausreichend ausgereift. Machine Learning und KI liefern eine realistische technologische Grundlage für selbstlernende, adaptive Anwendungen. Auch Rauch sieht als Vision ein fluides System, das die Gewohnheiten der User antizipiert und aus jeder Veränderung automatisiert neue Vorschläge ableitet.

Eine multimodale Plattform müsse andere Systeme wie den Kalender eines Users mit nutzen, meint Wolfgang Bernhart: Beispielsweise könnte die App den User benachrichtigen, dass er wegen eines Staus eher losfahren muss, um seinen Flug am Abend zu erwischen, oder Alternativen aufzeigen. „Für die Hersteller stellt sich die Frage, ob und wie viele Kunden für solche Services extra zahlen würden“, meint der Berater. Der Experte ist skeptisch, ob diese neuen Mobilitätsangebote profitabel sein können. Immerhin sind weltweit immer mehr Menschen (76 Prozent) bereit, ihre Ortsdaten mit Navigations- und Mobilitätsanbietern zu teilen, wenn der Nutzen klar ist. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von Here Technologies unter 10.000 Verbrauchern in zehn Märkten. Besonders Fahrdienste erlebten mit zehn Prozent den größten Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr. Dennoch haben drei Viertel nach wie vor Vorbehalte, persönliche Informationen auf digitalem Wege weiterzugeben.

Auch beim Car- und Ridesharing zeigt die bisherige Erfahrung, dass nur solche Angebote eine echte Chance haben, die die breite Masse erreichen. Kein Mobilitätsanbieter beherrscht derzeit den Markt, stellt der vierte „Automotive Disruptive Radar“ von Roland Berger fest. Weltweit kannten 46 Prozent der Studienteilnehmer Uber, 20 Prozent BlaBlaCar, Angebote der Autohersteller sind praktisch bedeutungslos. Wer das Coca Cola der Mobilitätsservices wird – also eine Marke, die jeder kennt –, ist demnach noch nicht entschieden. „Wenn es das Ziel ist, im Carsharing-Markt dominant zu werden, dann müssten Anbieter aggressiver vorgehen“, meint Bernhart.

Das Gleiche gilt bei der Frage, wer Marktführer für das Thema Parken wird. „Diese Themen bieten kaum Spielraum für eine Differenzierung“, glaubt der Berater. Speziell im Carsharing komme es darauf an, dass ein Fahrzeug in der Nähe, schnell beim Kunden und sauber sei – weniger auf das Modell. Das eigene Ökosystem eines Herstellers rund um Services im Auto spiele dabei eine untergeordnete Rolle. Carsharing sei also ein Geschäft, das vor allem unter dem Aspekt der Diversifikation läuft.

Bilder: Uber

Sie möchten gerne weiterlesen?