Eine Illustration eines E-Autos von Volkswagen mit einem Blitz darüber.

Die Befristung der Kaufprämie für E-Autos ist Thomas Peckruhn, ZDK-Vizepräsident, ein Dorn im Auge. (Bild: Volkswagen)

Und dann verkaufen sie sich doch noch wie geschnitten Brot. Die Rede ist von voll- und hybridelektrischen Fahrzeugen in Deutschland. Laut Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes wurden allein im August 222 Prozent mehr reine Stromer und 448 Prozent mehr Plugin-Hybride neu zugelassen als ein Jahr zuvor. Dagegen schrumpfte die Zahl der Neuzulassungen von Benzinern um 39 Prozent, die der Dieselfahrzeuge um 27 Prozent. Die Tendenz hält nun schon seit mehreren Monaten an.

Allerdings liegt das nicht unbedingt an der Verdoppelung des staatlichen Anteils am Umweltbonus im Zuge des Corona-Konjunkturpakets, die Anfang Juli in Kraft trat, wie Thomas Puls, Senior Economist für Verkehr und Infrastruktur am Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW), betont: „Was wir derzeit bei den Zulassungszahlen beobachten, ist eher der ehemaligen Prämie zuzuschreiben.“ Schließlich seien die Lieferzeiten für Elektroautos lang.

Laut dem IW Köln gibt es Indizien dafür, dass die Erhöhung der Prämie seit Juli den E-Autoverkauf nochmals deutlich ankurbelt. „Der Auftragsbestand wächst“, sagt Puls und weist sogleich auf ein Problem hin, das dadurch größer wird: „Die Produktionskapazitäten waren bereits vor der Prämienerhöhung ausgelastet.“ Lieferzeiten in der Größenordnung von einem Jahr oder gar Bestellstopps für verschiedene Stromermodelle belegen das.

Rettungspakete verstärken Boom der E-Mobilität

Nach Bekanntgabe des Konjunkturpakets im Juli befragte die Unternehmensberatung Kearney 7.300 Personen zu ihrer Absicht, ein neues Auto zu kaufen oder zu leasen. Rund sieben Prozent der Befragten, die planen, sich demnächst ein Auto anzuschaffen, wollten demnach ein Fahrzeug mit rein elektrischem Antrieb. Hinzu kamen nochmal 14 Prozent, die einen Plugin-Hybrid ins Auge fassten. Die Umfrage ergab zudem, dass sich die Kaufmotivation je nach Preisklasse deutlich unterscheidet.

Im Preisbereich bis 40.000 Euro, in dem die maximale Förderung greift, war diese mit 57 Prozent auch der mit Abstand wichtigste Kaufgrund. Im Bereich bis 65.000 Euro war das nur für ein Viertel der Befragten wichtig. Kostet das Elektroauto mehr als 65.000 Euro, nahm die Bedeutung der Kaufanreize wieder deutlich zu. „Fahrzeuge im Mittelklassesegment können kaum von der Konjunkturspritze profitieren“, stellt daher Marcus Weber fest, Experte für E-Mobilität und Partner bei Kearney. „Das ist kritisch, weil der Erfolg der deutschen Autobauer stark auch von diesem Segment abhängig ist.“

Die Unternehmensberatung McKinsey geht davon aus, dass Corona-Rettungspakete und Investitionen in die Infrastruktur den Boom der Elektromobilität – entgegen dem Gesamttrend in der Automobilbranche – weiter beschleunigen werden. Zumindest gelte das für Europa und China. In den USA dagegen rechnet McKinsey eher mit einer Stagnation bei der Elektromobilität, weil der dort viel stärker sinkende Rohölpreis bei einer Gesamtkostenrechnung die Verbrenner begünstige.

Kritik an Befristung der Kaufprämie

Auch die langen Lieferzeiten könnten die plötzliche Lust der Deutschen auf mehr Elektro wieder dämpfen. Thomas Peckruhn, Vizepräsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), sagt, dass der Frust darüber bei Kunden „markenübergreifend spürbar“ sei. Peckruhn ist Inhaber und Geschäftsführer der Liebe-Gruppe, eines Skoda-Händlers mit Standorten in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. „Die OEMs scheinen von der Erhöhung der Kaufprämie völlig überrascht worden zu sein“, stellt er fest. „Ich rechne daher mit keiner Normalisierung der Lieferzeiten im kommenden Jahr, sondern erst 2022.“ Zumal auch die kommenden EU-Vorgaben zur weiteren Senkung des CO2-Ausstoßes „mit Blick auf die Produktionskapazitäten schon sehr ambitioniert“ seien.

Obwohl der ZDK-Vizepräsident die Wirkung der Kaufprämie nicht bezweifelt, ist er mit mancher Regelung nicht glücklich. So ist ihm die Befristung auf den 31. Dezember 2021 ein Dorn im Auge. „Wenn man es mit der Elektromobilität ernst meint, müsste man die Befristung aufheben“, sagt Peckruhn. „Wer sich ohne Förderung zum Beispiel zwischen einem ID.3 und einem Golf entscheiden muss, wird sonst oft das billigere und reichweitenunabhängigere Angebot wählen.“ Dann könnte der E-Boom wieder abgewürgt werden. Daher plädiert Peckruhn für eine zunächst unbefristete Förderung von vollelektrischen Fahrzeugen.

Dagegen ist seine Ansicht zu Plug-in-Hybriden gerade umgekehrt: „Sie werden zu stark gefördert.“ Bekanntlich beträgt der staatliche Zuschuss bei ihnen 75 Prozent dessen, was ein reiner Stromer bekommen kann. „Inzwischen weiß man ja, dass in vielen Leasing-Rückläufern das Ladekabel noch originalverpackt ist – Das macht die Förderung fragwürdig“, sagt Peckruhn. Da Hybride schwerer sind als Verbrenner und einen Ottomotor haben, hätten bei solchen Kunden moderne Dieselfahrzeuge in der CO2-Bilanz „sicherlich gleich oder gar besser“ abgeschnitten.

Und noch etwas macht den Autohändlern bei der E-Kaufprämie Sorgen: Besitzumschreibungen älterer Elektrofahrzeuge, deren Zahl laut Peckruhn wächst. Die aktuellen Bestimmungen zur staatlichen Kaufprämie sehen nämlich nur vor, dass der Erwerb eines neuen, erstmals zugelassenen elektrisch betriebenen Fahrzeugs förderfähig ist sowie der Erwerb eines Elektrofahrzeugs bei der zweiten Zulassung im Inland. „Unter den Tisch fallen dagegen Autos, die noch mit der ganz alten Prämienregelung gefördert worden sind“, sagt Peckruhn. „Solche Fahrzeuge sind daher kaum noch verkäuflich, weil sich viele Kunden im Zweifelsfall für das förderfähige Neufahrzeug entscheiden werden.“ Nachhaltig sei das nicht, aber „bislang sind wir mit diesem Problem nicht durchgedrungen im Bundeswirtschaftsministerium“.

Gemischte Signale

Eine missverständliche Auskunft der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP im Bundestag sorgte im August für Irritationen. In ihrer Antwort hatte die Bundesregierung angegeben, dass von den knapp 235.000 bis Ende Juli gestellten Kaufprämien­anträgen 73 Prozent bewilligt wurden. Umgekehrt wäre dann ja jeder vierte Antrag abgelehnt worden. Dieser Folgerung widersprach inzwischen das für die Bearbeitung der Anträge zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle: Die Ablehnungsquote liege nur bei fünf Prozent; die eigentlich korrekten Zahlen der Bundesregierung besagten nur, wie viele Anträge noch nicht bewilligt seien – oft weil sie noch in Bearbeitung seien.

Sie möchten gerne weiterlesen?