Ein Auto in der Produktion von BMW gemischt mit Illustrationen zum Cloud Computing.

Durch eine Multi-Cloud-Strategie will BMW einen sogenannten Vendor Lock-in vermeiden. (Bild: BMW, Illustrationen: Andreas Croonenbroeck)

Bereits seit einigen Jahren konzentriert man sich bei BMW konsequent auf den DevOps-Ansatz, bei dem die Entwicklung und der Betrieb von Software zusammengebracht und optimiert werden. Auch die Nutzung von Cloud-native-Technologien steht im Vordergrund. „Wir modernisieren die Systemlandschaft kontinuierlich, darauf liegt ein starker Fokus unserer Cloudstrategie. Dabei geht es um das Enabling von inhouse entwickelter Software und die Integration in bestehende Ökosysteme“, sagt Marco Görgmaier, verantwortlich für die DevOps Platform Cloud Technology Domain bei BMW. Sein Team aus 80 Experten weltweit stellt die Software und Tools bereit, mit der Development-Teams Software entwickeln und betreiben. Görgmaiers Team stellt mit einer Plattform den Unterbau für sämtliche Applikationen bereit – über verschiedene Cloudanbieter und die Private Cloud im eigenen Rechenzentrum hinweg.

Die Entwickler können sich so voll auf die eigentliche Anwendung konzentrieren, die Entwicklungszeiten gerade für neue Themen im Bereich künstliche Intelligenz oder Connected Car werden deutlich kürzer. Jährlich will die IT zudem etwa zehn Prozent der vorhandenen Workloads in die Cloud migrieren. Nach dem Start Anfang 2019 liegt man jetzt bei 15 Prozent. Konkret sind das derzeit 4.500 Cloudlösungen an 54 Locations weltweit. In diesem Tempo wird der Umbau noch neun Jahre dauern: Dass man eine radikalere Herangehensweise wählen könnte, schließt der Experte jedoch nicht aus. Durch die Cloudstrategie wird man Legacy-Systeme, die von vielen Unternehmen heute noch mit hohem Aufwand „mitgeschleppt“ werden, perspektivisch los, glaubt Görgmaier. Zum Wandel trägt vor allem die Schwierigkeit bei, mit den Altsystemen noch Security- und Compliance-Anforderungen erfüllen zu können.

Replatforming bleibt die Ausnahme

In der Vergangenheit mussten viele Unternehmen feststellen, dass sich die erhofften Preisvorteile in der Cloud häufig nicht erreichen lassen, oft wird es sogar teurer. Wie günstig sich eine Anwendung betreiben lässt, hängt von der Migrationsstrategie ab. Die einfachste und zugleich teuerste Version ist das Lift and Shift oder Rehosting – dabei wird der Workload einfach nur vom eigenen Server in die Cloud verschoben. Da ist es nicht verwunderlich, dass das Rehosting für BMW kein präferiertes Szenario ist und nur im Ausnahmefall zum Tragen kommt. Zum Beispiel wenn sämtliche Applikationen aus einer Domäne bereits migriert sind und nur ein, zwei Anwendungen nicht umgebaut werden sollen. Damit wirklich Cloudvorteile ausgeschöpft werden können, müssen Anwendungen umgebaut oder angepasst werden, das ist teuer und kostet Zeit.

Wie genau der Weg in die Cloud aussieht, sei abhängig von den einzelnen Applikationen, die auf Basis des 6R-Modells (Rehosting, Replatforming, Repurchasing, Re-architecting, Retire, Retain) bewertet werden, berichtet Görgmaier. Dafür suche man die enge Abstimmung mit den Fachpartnern, denn die Migration werde klar vom Business getrieben. Auch das Replatforming, bei dem Anwendungen nur in Teilen für die Cloud angepasst werden, bleibt die Ausnahme. Angestrebt wird hingegen vor allem die Strategie des Re-architecting: Applikationen werden dafür cloud-native neu gebaut. Auch Repurchasing spielt eine Rolle: Hierbei wird bewertet, ob sich gekaufte On-Premise-Softwarelösungen heute auch aus der Cloud beziehen lassen.

Einheitliche Dev-Ops-Toolchain

Für die Automatisierung der IT sind die Containerisierung und Kubernetes als Container-Managementsystem ebenso wichtig wie der DevOps-Ansatz mit durchgängigen Werkzeugen in einer über alle Bereiche einheitlichen Dev­Ops-Toolchain. Dabei setzt der Autohersteller on-premises in der private Cloud auf OpenShift als Kubernetes Lösung und für das Management hybrider Landschaften, sowie auf OpenStack für Cloud Operating. In der Public Cloud kommt Azure Kubernetes Service und AWS EKS (Elastic Kubernetes Service) zum Einsatz. Zudem wird mit GitHub für das Versionsmanagement gearbeitet, im Bereich „Plan“ kommen vor allem Confluence und Bitbucket, in der „Build“-Phase Jenkins zum Einsatz.

Von dieser Toolchain und cloud-nativer Entwicklung kann zwar auch die Private Cloud profitieren. Doch die Erfolgsfaktoren der Public Cloud – Innovation und Geschwindigkeit – lassen sich aus Sicht von Marco Görgmaier nicht on-premise nachbauen. Die Private Cloud müsse schlanker und fokussierter sein, um Themen wirtschaftlich abzubilden, die Vielfalt an Managed Services fehle hier. „Auch deshalb liegt die Entwicklung langfristig in der Public Cloud“, weiß der Experte zu berichten. Ganz wichtig für den Erfolg der Public-Cloud-Strategie sind aus seiner Sicht die richtigen Skills. Bisher wurden 1.800 Softwareentwickler durch entsprechende Trainings für die Cloud befähigt, Ende des Jahres sollen es in der Group-IT des Münchener Premiumherstellers schon 3.600 sein.

Zentrale Stelle für Cloudressourcen

Die Frage nach dem Provider ist auch für BMW ein Thema. Durch eine Multi-Cloud-Strategie will man durch die Nutzung verschiedener Anbieter einen sogenannten Vendor Lock-in vermeiden. Damit liegt der OEM am Puls der Zeit, denn fast jedes dritte Unternehmen setzt laut der Managementberatung KPMG auf Multi-Cloud-Computing. Unter den Großunternehmen ab 2.000 Mitarbeitern sind es sogar schon stolze 87 Prozent. Gerade wenn es um die Automatisierung der IT-Aufgaben geht, wird es beim Wechsel zwischen Cloudanbietern potenziell schwierig, denn in die Managed Services bauen die Anbieter wettbewerbstaktisch wiederum proprietäre Ansätze ein. „Allerdings muss man die Frage stellen, was teurer ist: Die Wechselkosten oder der Versuch, völlig agnostisch zu bleiben – mit dem die Vorteile der Cloud ein Stück weit verlorengehen“, gibt Marco Görgmaier zu bedenken.

Diese Diskussion komme bei den CIOs immer wieder auf. Entscheidend sei jedoch vor allem, die kritischen Applikationen zu definieren, bei denen man unabhängig bleiben wolle. Damit die Kosten in der Cloud nicht ausufern, können Cloudressourcen bei BMW nur über eine zentrale Stelle geordert werden, die so die Gesamtübersicht behält. Der Plattformansatz hilft auch beim Sparen, weil sich Kapazitätsreservierungen, für die Anbieter bis zu 75 Prozent Rabatt gewähren, so auch domänenübergreifend realisieren lassen. Gerade die datengetriebenen Anwendungen rund um das vernetzte Fahrzeug liegen in der Public Cloud. Hier kommen deren Stellhebel besonders zum Tragen, wenn zum Beispiel außerhalb von Stoßzeiten und Berufsverkehr weniger Rechenkapazitäten für Realtime Traffic benötigt werden.

Wolkig mit Aussicht auf Kollaboration

Eine Illustration zu Cloud Computing, bei der es Zahlen aus einer Wolke regnet.

Cloud Computing ist für die meisten Unternehmen in Deutschland inzwischen zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Laut dem „Cloud-Monitor 2020“ der Managementberatung KPMG haben drei Viertel der Unternehmen ab zwanzig Mitarbeitern (76 Prozent) bereits Cloudlösungen im Einsatz. 78 Prozent bescheinigen dem Cloud Computing sogar einen großen bis eher großen Beitrag an der Digitalisierung. Wie dieser Beitrag aussieht, ist vielfältig: Am stärksten trägt das Cloud Computing zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Fachbereichen und IT-Abteilung bei, sagen 70 Prozent der Befragten, 69 Prozent sehen einen großen Anteil bei der Digitalisierung interner Prozesse. Auch im vergangenen Jahr hat die Nutzung von Private und Public Cloud wieder zugenommen, und zwar um jeweils circa drei Prozentpunkte. Die Analyse zeigt jedoch, dass sich sowohl für Cloudprovider als auch für Cloudanwender die Prioritäten zunehmend verschieben: Cloudprojekte haben immer seltener das Ziel, ein Unternehmen auf den Einstieg in die Cloud vorzubereiten, sondern sollen die Nutzung der Technologie in den Unternehmen ausbauen und optimieren. Ein Drittel der Unternehmen ab zwanzig Mitarbeitern hat bereits die nächste Entwicklungsstufe in Angriff genommen: Das Multi-Cloud-Computing ermöglicht den Einsatz mehrerer Private-Cloud- oder mehrerer Public-Cloud-Lösungen parallel oder in Kombination. Für viele Cloudnutzer besteht der nächste Entwicklungsschritt darin, ihre bestehenden IT-Lösungen im Rahmen eines Multi-Cloud-Konzepts zusammenzuführen. Der Trend zur Mehrfach-Wolke ist nicht mehr aufzuhalten: 32 Prozent der Unternehmen mit mindestens zwanzig Mitarbeitern in der Bundesrepublik setzen bereits auf Multi-Cloud-Computing.

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