BMW Kraftwerk Dingolfing KWK, aufgenommen am 27.11.2017

Die Zentrale der Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage des BMW Group Werk Dingolfing unterstützt den Ausgleich von Schwankungen im Stromnetz. (Bild: BMW)

Um Energiebedarfe punktgenau abzustimmen sei eine branchenübergreifende Kommunikation im Energiesystem der Zukunft erforderlich, heißt es bei Audi. Der OEM arbeitet neben weiteren gut 70 Unternehmen in der so genannten „EEBUS-Initiative“ an einer „intelligenten Heimintegration von E-Autos“. EEBUS ist ein offener Standard für eine gemeinsame Sprache für das Energiemanagement im Internet der Dinge. Im Audi-Werk in Brüssel testeten Ende Januar Mitglieder dieses Standards ihre Entwicklungen. Dort, wo seit Kurzem der neue e-tron entsteht, prüften die Entwickler und Ingenieure in Modellversuchen, ob Photovoltaikanlage, Ladeinfrastruktur, Elektroauto sowie Heizung störungsfrei miteinander sprechen. Die Vernetzung der Geräte findet dabei über ein so genanntes Heimenergie-Managementsystem, kurz HEMS, statt. In dieser Leitzentrale laufen sämtliche Informationen zusammen, sodass sich alle energie-relevanten Geräte über ihren Strombedarf austauschen können.

Über den offenen Standard EEBUS macht Audi den e-tron zu einem Teil des Energiemanagements im Smart Home. Bild: Audi

Stromnetz stabilisieren

Höchste Ausbaustufe für das komplett elektrische Audi-Modell e-tron ist das optionale Ladesystem „connect“ mit einer Ladeleistung von bis zu 22 kW. Im Zusammenspiel mit einem entsprechend ausgestatteten HEMS könne der e-tron auch variable Stromtarife nutzen, hört man von Audi. Für den Ingolstädter Autobauer ist es denkbar, dass EEBUS-Geräte noch stärker mit dem Energienetz interagieren. Eine mögliche Anwendung sieht man in einer Schnittstelle über das HEMS zum Netzbetreiber. Damit könnten E-Autos ihre Ladeplanung noch besser an Netzengpässe anpassen und die Stabilität des Stromnetzes gewährleisten – etwa dann, wenn mehrere Elektroautos in einem Straßenzug gleichzeitig laden. Die Spezifikationen des Kommunikationsstandards werden seit Februar 2019 ausgerollt. Damit, hört man von Audi, sei die EEBUS-Initiative auf dem Weg, einen europaweiten Standard einzuführen, der sämtliche elektrischen Großverbraucher im Heimbereich herstellerunabhängig vernetze.

Was aber geschieht mit gebrauchten Batterien aus E-Fahrzeugen? Bei BMW sieht man im Einsatz gebrauchter Akkus als stationäre Stromspeicher einen konsequenten Schritt zu ganzheitlicher Nachhaltigkeit. „Im Kontext der Energiewende wird der Einsatz stationärer Stromspeicher enorm an Bedeutung gewinnen“, sagt Stefan Juraschek, Leiter Entwicklung Electric-Powertrain bei BMW. Gemeint ist damit die Funktion eines Stationärspeichers in Zeiten eines Überangebots an Strom aus erneuerbaren Energien. In Zeiten eines zu geringen Stromangebots könne der Speicher wiederum Strom beisteuern, heißt es. „Eine solche Netzstabilisierung durch den Einsatz gebrauchter Batterien aus BMW i3- und Mini E-Prototypen haben wir bereits erfolgreich in Entwicklungskooperationen zum Beispiel mit Vattenfall und Bosch oder NextTera umgesetzt“, sagt der BMW-Experte. So mache es etwa die Speicherfarm im BMW Group Werk Leipzig möglich, 700 BMW i3-Batterien nach dem Einsatz im Fahrzeug in einem zweiten Lebenszyklus profitabel zu nutzen.

Regelenergie vermarkten

Ein wichtiges Stichwort ist Regelenergie. Mit ihr ist die flexibel einsetzbare Energiereserve zum Ausgleich von Schwankungen im Stromnetz gemeint, die nötig ist, weil die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien von Sonnenschein und Windaufkommen abhängt und sich daher nur bedingt steuern lässt. Die BMW Group vermarktet diese Regelenergie. Anlagen des OEM in Dingolfing und Landshut sind Teil eines von der BMW Group aufgebauten Netzwerks unterschiedlichster Energie-Anlagen an verschiedenen Standorten. Durch intelligente Steuerung können diese Anlagen Energie flexibel aufnehmen oder an das Netz abgeben, hört man vom Automobilhersteller. „Sie können sich das wie ein virtuelles Konzern-Kraftwerk vorstellen, das Flexibilität bereitstellt. Wir nennen das auch den BMW Power Pool“, sagt Dr. Joachim Kolling, Leiter BMW Energy Services. Neben flexiblen Erzeugern, wie der Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage (KWK) in Dingolfing, können auch Energie-Verbraucher in den Power Pool integriert werden. Künftig sollen elektrifizierte Fahrzeuge Strom nicht nur laden, sondern bei Bedarf auch wieder an das Stromnetz abgeben können. BMW-Experte Kolling: „Sie können sich unsere elektrifizierten Fahrzeuge als mobile Stromspeicher vorstellen. So werden in naher Zukunft nicht nur die stationären Anlagen in unseren Werken, sondern auch unsere Fahrzeuge vernetzt sein und so das Stromnetz stabil halten. Immer vorausgesetzt natürlich, dass unsere Kunden uns dafür ihr Einverständnis geben.“

Der Nissan Leaf kann bei Bedarf Energie ins Stromnetz zurückspeisen. Bild: Nissan

Das Elektroauto Leaf von Nissan mit integrierter, bidirektionaler Ladetechnologie via CHAdeMO-Ladeanschluss, liefert ein gutes Beispiel für den Einsatz im Stromnetz, VehicletoGrid (V2G). Wie der japanische OEM bereits im vergangenen Oktober meldete, ist es ihm gemeinsam mit dem Technologieunternehmen The Mobility House, dem Energieversorger Enervie sowie dem Übertragungsnetzbetreiber Amprion gelungen, das E-Auto gemäß allen regulatorischen Anforderungen eines Übertragungsnetzbetreibers (ÜNB) für die Primärregelleistung zu qualifizieren. Damit wird der Stromer als Regelkraftwerk in das deutsche Stromnetz integriert. Diese bidirektionale Ladefähigkeit des Nissan E-Autos ist Voraussetzung zur Integration in das Projekt auf dem Firmengelände von Enervie in Hagen. In Kombination mit der intelligenten Lade- und Energiemanagement-Technologie von The Mobility House steuere und kontrolliere man die Lade- und Entladevorgänge, hört man von Nissan.

Magische 50 Hertz

Von Fortschritten in Sachen Stromnetz, konkret bei der Stabilisierung desselben, hört man auch aus Stuttgart. Die Daimler AG mit ihrer hundertprozentigen Tochter Mercedes-Benz Energy GmbH und der Übertragungsnetzbetreiber TenneT haben in einer gemeinsamen Entwicklungspartnerschaft die Machbarkeit „innovativer Systemdienstleistungen am Übertragungsnetz“ erforscht und erprobt. Dabei ist man zum Ergebnis gelangt, dass automobile Batteriespeichersysteme Aufgaben von Großkraftwerken übernehmen können und wesentlich zur Netzstabilisierung und zum Systemwiederaufbau beitragen. Im Rahmen des Projekts Enera als Teil des Förderprogramms „Schaufenster intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende“ (SINTEG) des Bundeswirtschaftsministeriums wurde die Nutzbarkeit von Batteriespeichersystemen auf Lithium-Ionen-Basis für eine hochdynamische Systemstützung wie auch für einen Systemwiederaufbau nachgewiesen. Konkret geht es dabei um den Schwarzstart von Kraftwerken und die Unterstützung von Massenträgheit.

Im Stromnetz müssen Erzeugung und Verbrauch im Gleichgewicht sein, um die Frequenz von 50 Hertz zu halten. Ist dies nicht der Fall, kommt es zu Frequenzabweichungen. Die Massen von Großkraftwerken, die synchron mit der Netzfrequenz von 50 Hertz rotieren, sorgen dafür, dass solche Schwankungen gedämpft werden und somit der Systemträger auf solche Abweichungen reagiert. Im Test Lab Mercedes-Benz Energy in Kamenz konnten die Projektpartner nun nachweisen, dass automobile Batteriespeicher in weniger als 100 Millisekunden auf eine sich ändernde Frequenz reagieren. Damit, hört man von Daimler, können sie die trägen Massen von Großkraftwerken mit ersetzen. Überdies habe man den Nachweis erbracht, dass Batteriespeichersysteme in der Lage sind, Betriebsmittel der Energieversorgung und sogar ganze Kraftwerke nach beispielsweise einem großflächigen Netzausfall anzufahren. Anstelle von Dieselaggregaten könne dies auch durch Batteriespeicher als einer Art Starterbatterie erfolgen. Die benötigte Energie, etwa zwei bis vier Prozent der Nennleistung eines Kraftwerks, werde im Bedarfsfall aus dem Energiespeicher abgerufen. Als nächsten Schritt wollen die Projektpartner nun die Anforderungen definieren, die eine Ausschreibung der zukünftigen Systemdienstleistung durch TenneT ermögliche.

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