Eine Runde in diesem Fahrsimulator ist wie eine Offenbarung: Huch, schon wieder zu schnell, zu unvorsichtig, zu wenig weitsichtig. Kinder laufen vor dem Bus auf die Straße – im wahren Leben hätte es sie erwischt. Eine Nebelbank auf der Autobahn, trotzdem nicht vom Gas gegangen – im wahren Leben wäre man in die Unfallstelle gerauscht.
„Unsere Technologie sorgt für ein realistisches Fahrerlebnis, in das etliche Fahrsituationen, Wetterbedingungen und Ablenkungsfaktoren einfließen“, erklärt Luka Novak, verantwortlich für die Geschäftsentwicklung des slowenischen Start-ups Nervtech. Der Clou der Lösung besteht darin, dass die Probanden biometrisch und kognitiv bewertet werden. „Mit mehr als 90 Parametern beurteilen wir den Fahrer“, erklärt Novak. Dazu wird dieser vor dem 25-minütigen Test mit biometrischen Sensoren und einer Eye-Tracking-Brille ausgestattet, um Reaktionen und Verhalten zu analysieren. Erfasst werden unter anderem Daten über das Stressniveau, Konzentration, Reaktionsschnelligkeit, wie potentiell gefährliche Situationen überblickt und ob Verkehrsregeln eingehalten werden. Das Fahrzeugumfeld kann nach Belieben mit Avataren ausgestattet werden, die mitunter so irrational wie echte Menschen unterwegs sind. Etwa ein Tänzchen am Straßenrand wagen, bei dem die dusselige digitale Figur prompt ins Straucheln gerät und unter die Räder zu kommen droht.
Hinzu kommt das sogenannte „Driver Cloning.“ Dabei fließen die in vorigen Tests erhobenen Daten zum Fahrverhalten in einen Avatar ein, der damit als wirklichkeitsnaher Verkehrsteilnehmer in der Simulation mitwuselt. Dabei ist alles denkbar: vom aggressivem Raudi bis zum defensiv-rücksichtsvollen Fahrer. Die Analysesoftware ermittelt mithilfe künstlicher Intelligenz und Deep-Learning automatisiert das Fahrverhalten. Mehr noch: Je mehr Daten zum individuellen Fahrstil in unterschiedlichen Weltregionen erfasst werden, desto besser wollen die Slowenen vorhersehen können, was im jeweiligen Verkehr geschehen wird. „Unsere Hauptidee ist es, Simulationsdrehkreuze weltweit aufzubauen, um die Fahrkulturen besser zu verstehen“, erklärt Novak. Künstliche Intelligenz und Deep-Learning sollen dabei helfen, aus relativ wenig live erhobenen Daten „kulturelle Fahrspezifikationen oder sogar den realen Verkehr nachzubilden“, also vom Kleinen aufs große Ganze zu schließen.
Indem so verschiedene Fahrkulturen ergründet werden, sollen autonome Autos künftig zwischen Manhattan und Mumbai besser zurechtkommen, indem menschliches Verhalten vorhersagbarer wird, wodurch autonome Autos clever darauf reagieren könnten.