
BMW und Daimler haben ihre Carsharing-Dienste DriveNow und Car2go zusammengelegt. So möchten die beiden deutschen Autobauer den Mobility-Playern aus den USA und China die Stirn bieten. (Bild: Share Now)
Zur Realität des Jahres 2019 gehört aber auch: „Ridehailing-Anbieter machen in Summe kaum Geld“, weiß Jan-Philipp Hasenberg, Partner im Automotive Competence Center bei Roland Berger, zu berichten. „Und auch das Carsharing ist nicht wirklich überall profitabel und das Wachstum gezügelt“, betont der Roland.Berger-Berater. Dass BMW und Daimler ihre Dienste DriveNow und Car2go fusioniert haben, ist eben – obwohl die beiden Unternehmen vieles richtig machten – definitiv keine Folge ihres riesigen Markterfolgs. Mit Mobilitätsangeboten Gewinne zu machen, sei schon immer schwierig gewesen, gibt Hasenberg zu bedenken: „Der ÖPNV ist unprofitabel und auch Fluggesellschaften haben oft keine hohen Margen.“ Es ist eben keineswegs ausgemachte Sache, dass neue Mobilitätsservices sich als sprudelnde Geldquelle erweisen werden.
„Vermutlich lassen sie sich wirtschaftlich betreiben, aber wie hoch die Marge ausfällt, ist offen“, sagt Hasenberg. „Eine Rechnung der Art ‚Taxikosten minus Fahrerkosten gleich Marge‘ wird aber auch nicht mit Robotaxis aufgehen.“ Zudem stelle sich dann noch die Frage, wo diese Marge hängen bleibe: „Wir schätzen, dass Waymo bei der Technologie fürs autonome Fahren drei Jahre Vorsprung gegenüber dem Wettbewerb hat. Wenn sich das so bestätigt, dann wird Waymo das Geschäft mit der Technologie für autonome Mobilitätsservices auch so betreiben, dass ein Großteil der Marge im eigenen Haus bleibt.“
Die Wissenschaftler Ashley Nunes und Kristen Hernandez, damals am Massachusetts Institute of Technology, haben untersucht, wie sich die Kosten für ein Ridehailing-Robotaxi für den Nutzer im Vergleich zum Besitz eines älteren Fahrzeugs in San Francisco verhalten. Sie haben dazu die Gewinnerwartungen der Mobilitätsservices-Investoren sowie öffentlich zugängliche Zahlen der Taxibranche für eine Vollkostenrechnung genutzt. Ergebnis: Selbst dann ist der Besitz des älteren Fahrzeugs günstiger als die Nutzung des Ridehailings. Das Problem, so die Forscher, sei die Auslastung der Robotaxis, die sie – wie derzeit bei den Taxis in San Francisco – mit 50 Prozent veranschlagt hatten. Diese Auslastung sei einfach nicht hoch genug.
McKinsey hat ebenfalls Modelle für städtische Mobilitätsservices durchgerechnet, mit einer Auslastungsquote von knapp 40 Prozent. Ausgangspunkt war dabei die Frage, ob ein Vollkostenkilometerpreis von 50 bis 60 Cent, wie er für Autobesitzer heute typisch ist, machbar wäre. „Unser Ergebnis lautete, dass so ein Preis mit Robotaxis erreichbar ist“, sagt Kersten Heineke, Partner bei McKinsey und Leiter des europäischen Future-Mobility-Centers der Managementberatung. „Allerdings erst nach 2027, wenn die Kosten für die Hardware weit genug gesunken sind.“
Was es für die Anbieter zudem nicht leichter macht, ein funktionierendes, womöglich gar internationales Geschäft aufzubauen, ist der Umstand, dass es starke regionale Unterschiede in der Entwicklung der Märkte gibt. Das lässt sich sehr gut am Ridehailing illustrieren. Weltweit gab es im vergangenen Jahr rund 24 Milliarden Fahrten, schätzt das US-Marktforschungsunternehmen ABI. Mehr als 70 Prozent dieser Fahrten fanden in Asien statt, gefolgt von – etwa gleichauf – Nord- und Lateinamerika. Westeuropa dagegen hatte nur einen Anteil von fünf Prozent. Zustande kommt diese ungleiche Verteilung natürlich maßgeblich durch die relativ geringe Zahl der Fahrzeugbesitzer in Asien – im Gegensatz zu Nordamerika oder Europa – und die dortige teils starke Reglementierung des Fahrzeugbesitzes. China, Indien, USA und Indonesien laute derzeit die Rangfolge der vier größten Ridehailing-Märkte der Welt, so ABI.
Doch bei der Frage nach dem Markterfolg macht es wenig Sinn, allein in der Kategorie von Wirtschaftsräumen oder einzelnen Staaten zu denken. „Für die nationale Präsenz spielen sicherlich die Markenbekanntheit eines Anbieters, Skaleneffekte, die er realisieren kann, sowie regulatorische Bestimmungen eine Rolle“, so Roland-Berger-Berater Hasenberg. „Letztlich müssen die Anbieter der neuen Mobilitätsservices aber Stadt für Stadt erobern.“ Zu unterschiedlich sind die lokalen Rahmenbedingungen, aber womöglich auch die örtlichen Auflagen, die letztlich auf der Ebene der Städte oder Metropolregionen gelten. „Vor ein paar Jahren dachte man noch, dass es bei Mobilitätsservices globale Monopolisten geben könnte, aber das war ein Irrtum“, sagt Hasenberg. „Es werden eher regionale Champions sein.“ Ubers Börsenprospekt stützt diese Thesen: Das Unternehmen hängt maßgeblich von nur fünf Städten ab, die für fast ein Viertel der Buchungen stehen. Es sind Los Angeles, New York, San Francisco, London und São Paulo. Trotzdem bleibt Reichweite bei der Plattform natürlich ein kaum zu überschätzender Vorteil – schließlich werden die Kunden kaum 20 verschiedene Mobilitäts-Apps nutzen wollen.
In Deutschland sieht McKinsey-Experte Heineke nicht nur bei den fünf, sechs größten Städten ein Potenzial für Mobilitätsökosysteme, sondern „auch bei Städten oder Regionen bis herunter zu ungefähr 150 000 Einwohnern“. So das Ergebnis eigener Szenarioanalysen. „Allerdings erst in zehn Jahren, wenn sich funktionierende Geschäftsmodelle herauskristallisiert haben“, meint Heineke. Die Städte könnten dabei nicht nur die Rolle des Regulierers übernehmen, sondern womöglich auch spezifische Aufgaben innerhalb des Ökosystems, etwa den Betrieb und die Reinigung der Fahrzeuge. „Auf jeden Fall werden bei den kleineren und mittelgroßen Städten auch kleinere Mobilitätsanbieter eine Chance haben, profitabel zu agieren.“
Regulatorisch sind die Städte dabei auch gefordert, um eine Konkurrenz zwischen Mobilitäts-Startups und dem ÖPNV zu vermeiden. „Sonst“, warnt Roland-Berger-Experte Hasenberg, „kommt es zum Kampf um einzelne margenträchtige innerörtliche Verbindungen, bei dem die Stadt beziehungsweise Region letztlich nur verlieren kann.“ McKinsey-Experte Heineke erwartet, dass der Anbieter einer Mobilitätsplattform jeweils stadtspezifisch Partnerschaften mit vielleicht einer Handvoll Playern eingehen wird, das kann durchaus auch der ÖPNV sein. „In Europa und den USA wird sich das ähnlich entwickeln“, sagt Heineke, „in China könnten es sehr verzweigte Ökosysteme werden.“
Den ersten Teil des Spezials finden Sie hier.
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