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Die deutschen Hersteller setzen zunehmend auf den gewaltigen Markt in China.

Das Geschäft mit dem Bau von Fabriken für Elektroautos läuft in China derzeit gut. Tesla startete im Januar in Schanghai den Bau einer Fabrik für die bislang nach China importierten Fahrzeuge. Ebenfalls in der Hafenstadt entsteht seit Oktober ein Werk von SAIC Volkswagen für 300 000 Elektroautos. Im Norden des Landes haben Daimler und BMW Kapazitäten für die lokale Produktion aufgebaut. Zudem bereiten mehrere Elektrostartups ihre neuen Fabriken auf die Serienproduktion vor. Die Gründe für diese immense Aktivitätendichte liegen auf der Hand: China verspricht als weltgrößter Elektroabsatzmarkt aus Sicht der Autobauer Milliardenumsätze. Noch nicht allzu lange ist es allerdings her, da zögerten ausländische Hersteller noch, in großem Stil in das Segment einzusteigen. Bisher sind die meisten E-Autos auf Chinas Straßen kompakte Modelle lokaler Marken – etwa von Branchenprimus BYD oder Beijing Automotive (BAIC). Doch seit klar ist, dass Peking ernst macht mit der Elektrifizierung des Autoverkehrs, hat ein Umdenken eingesetzt.

Dank der Förderpolitik Pekings boomen Elektroautos und Plug-in-Hybride ungebremst. Die Verkäufe der Stromer stiegen 2018 um 62 Prozent auf 1,26 Millionen Einheiten (Gesamtjahr 2017: 777 000). Der staatsnahe Verband der Autobauer CAAM rechnet für 2019 mit Absätzen um 1,6 Millionen Stück, 2020 mit zwei Millionen. „Der Anteil der Elektroautos wird weiter steigen – beschleunigt mithilfe von Mobilitätsdienstleistern, Zulassungsbeschränkungen für Autos mit Verbrennungsmotor und das neue Elektroquotensystem“, kommentiert Bill Russo, Gründer der Beratungsfirma Automobility in Schanghai, die aktuelle Entwicklung. Dass die Regierungspolitik Grund für die großen Ambitionen der Autobauer auf diesem Markt ist, sagt niemand laut. Aber ohne die konsequenten Maßnahmen Pekings würde das Segment wohl kaum so rasant wachsen. Das Ziel der Regierung: 2025 sollen fünf Millionen Stromer auf der Straße rollen, jedes fünfte verkaufte Auto soll ein Elektroauto sein. Für die Zukunft deutete China gar ein Verbot von Verbrennungsmotoren an. Hintergrund: Elektroautos helfen gegen den Smog in Chinas Metropolen und sollen das Land unabhängiger von Ölimporten machen. Außerdem strebt Peking eine globale technologische Führungsrolle chinesischer Firmen an.

BMW China eMobilität

BMW setzt in China voll auf die Elektromobilität. Vor allem der kompakte i3 kommt bei den chinesischen Kunden an.

Geld wird nach Ansicht von Beobachtern künftig vorwiegend in den Aufbau der Infrastruktur fließen – etwa ein landesweites Netz von Ladestationen. Die aktuelle Kaufsteuerbefreiung und Subventionen für Elektroautos für Stromer laufen 2020 aus. Stattdessen macht Peking Druck auf die Hersteller, etwa durch die neue Elektroquote. Nach einem komplizierten Schlüssel müssen alle Firmen dieses Jahr zehn Prozent ihres Absatzes mit E-Autos realisieren – irgendwie. „Letztlich werden aber nur etwa zwei bis drei Prozent des Produktionsvolumens Elektroautos sein müssen“, sagt Yale Zhang, Direktor von Automotive Foresight in Schanghai. Das sei machbar. Ab 2020 steigt die Quote auf dann zwölf Prozent. Sie ist verzahnt mit bestehenden Flottenverbrauchsgrenzen, die bis 2020 schrittweise auf einen Schnitt von fünf Litern pro Hersteller sinken. Dieses Ziel ist schwieriger zu erreichen als die Quote, sagen Automanager: ohne Stromer keine Chance. Es wurde also Zeit für die Ausländer einzusteigen. BMW hat nach eigenen Angaben die breiteste E-Modellpalette: Mehr als 23 000 Stromer verkauften die Münchner nach einem Bericht der „China Daily“ letztes Jahr. Neben dem batteriebetriebenen i3 waren dies laut BMW sechs verschiedene Plug-in-Hybride, von denen die PHEV-Versionen des X1 und der BMW 5er in China vom Band laufen. Für diese Modelle fertigt BMW am Standort seines Joint Ventures mit Brilliance in Shenyang seit 2017 eigene Hochvoltspeicher. Ab 2020 will BMW auch den iX3 als Plug-in-Hybrid dort produzieren und weltweit exportieren. Als einziger Premiumhersteller habe man ein eigenes Händlernetz für die Stromer aufgebaut, teilte das Unternehmen mit. Dazu gehörten Ende 2018 330 Dealer in 130 chinesischen Städten.

Volkswagen will in China bis 2020 rund 400 000 Elektroautos und Plug-in-Hybride verkaufen, bis 2025 sogar 1,5 Millionen. In die E-Autofabrik in Schanghai investierte das Joint Venture 2,5 Milliarden US-Dollar. Auch Akkus sollen dort produziert werden. Insgesamt will VW bis 2020 mit den Partnern 15 verschiedene Elektromodelle lokal in China fertigen. Neben den Konzernmarken VW, Audi und Škoda gehört dazu auch der E-Kompakt-Geländewagen Sol, den die Wolfsburger gemeinsam mit dem lokalen Hersteller JAC fertigen. JAC produziert parallel in Lizenz die Elektro-Sportgeländewagen des Startups Nio.

Daimler und Partner BAIC wollen in diesem Jahr die lokale Produktion von Stromern der Marke EQ starten, für die sie gemeinsam fünf Milliarden Yuan (rund 646 Millionen Euro) investieren. Als erstes Modell soll in einem neuen Werk am Standort Peking ein Elektro-SUV namens EQC vom Band rollen. 2018 stieg Daimler mit knapp vier Prozent bei der Elektro-Tochter von BAIC mit Namen BJEV ein, um die Zusammenarbeit in dem Bereich noch enger zu verzahnen. Daimler produziert zudem in Shenzhen gemeinsam mit BYD Elektroautos der Marke Denza. Das Joint Venture fristete lange ein Schattendasein, brachte aber im März 2018 ein neues Modell mit 500 Kilometern Reichweite auf den Markt. Daimler bezeichnete Denza als „wichtigen Pfeiler der Elektrostrategie für China“. Ebenfalls aktiv sind japanische und amerikanische Autobauer: Hybrid-Pionier Toyota, der sich erst spät für reine Batteriefahrzeuge engagiert, wird sein erstes Auto dieser Art ab 2020 für China bauen – eine E-Version des kleinen Crossover C-HR. Tesla startete im Januar in Schanghai offiziell den Bau seiner Gigafactory 3. Schon Ende des Jahres soll das Model 3 des amerikanischen E-Autopioniers vom Band laufen – laut Tesla zunächst 3000 Autos pro Woche, später bis zu 500 000 im Jahr. Die eigene Fabrik in Schanghai wurde möglich, weil China für Elektroautobauer 2018 die Vorschrift aufhob, dafür Joint Ventures gründen zu müssen.

Konkurrenz für Ausländer sind lokale E-Startups, die zumeist in die mittleren und oberen Segmente streben: Nio, WM Motor, Byton oder Xpeng. Nio lieferte als Erster der Gruppe mehr als 10 000 Autos aus. Auch WM Motor hat bereits Autos auf der Straße, Xpeng präsentierte im Dezember das erste Serienmodell. Das Umfeld ist gut. 65 Prozent der Chinesen können sich laut einer Studie von Roland Berger vorstellen, ein Elektroauto zu kaufen. Zudem puscht die Regierung den Verkauf der Stromer – etwa durch Druck auf Flottenbetreiber wie Behörden, Taxifirmen und andere Mobilitätsdienstleister. „Wir streben eine reine Elektroflotte an“, sagte kürzlich Ben Wang, Vizepräsident für internationale Geschäfte bei Chinas größtem Ridehailing-Dienst Didi Chuxing. 400 000 Elektroautos hat das Unternehmen bereits in Dienst gestellt, darunter Modelle von Partnern wie BYD oder – neuerdings – BAIC. Für Didis Premiumdienste kommen auch gehobene ausländische Stromer infrage.

Tatsächlich ist China Leitmarkt für die globale Elektrifizierung geworden. „China ist für Teslas Mission, weltweit den Umstieg auf nachhaltige Energien zu beschleunigen, von entscheidender Bedeutung“, sagte etwa Tesla-Chef Elon Musk beim Spatenstich für die Fabrik in Schanghai. VW-Vorstandschef Herbert Diess geht sogar noch weiter: „Die Zukunft von Volkswagen wird sich auf dem chinesischen Markt entscheiden“, sagte er kürzlich in Peking mit Blick auf neue Antriebe und selbstfahrende Autos. Dass für den Elektroboom die Ladeinfrastruktur fehlen könnte, gibt den Autobauern keinen Anlass zur Sorge. China baut die Anzahl der Ladestationen massiv aus. Parallel arbeiten einige Hersteller an eigener Ladeinfrastruktur. BMW etwa hat nach eigenen Angaben landesweit 80 000 seiner ChargeNow-Ladesäulen aufgebaut und unterstützt Elektrokunden beim Anschluss von Ladestationen zuhause. Viele Städter leben in großen Wohnanlagen mit Hochhäusern und Tiefgaragen – auch dort entstehen Ladestationen. Bis 2020 will China 4,8 Millionen Ladesäulen installiert haben, davon 500 000 im öffentlichen Raum. Das Elektrozeitalter kann anrollen.

Fotos: Daimler, BMW, Flaticon

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