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Neue Mobilitätsdienste und Connectivity-Angebote stellen neue Anforderungen an die Markenpflege der Autobauer. (Bild: Shutterstock/Anton Khrupin, Flaticon)

Von einem Tabakunternehmen zu lernen, ist immer etwas ambivalent. Camel – das war mal eine angesagte Zigarettenmarke, damals in den Siebzigern. Wenn der Camel-Mann sich seine Zigarette in der Wildnis anzündete, dann war das ein Synonym für Abenteuer und Freiheit – und der Markenkern. Slogan: „Ich geh meilenweit für eine Camel Filter.“ Später folgten fatale Entscheidungen in der Markenführung. Durch die Cartoon-Figur Joe Camel geriet das Unternehmen in den Achtzigern massiv in die Kritik, es versuche bereits Kinder fürs Rauchen zu begeistern – ein Vorwurf, der sich auch mit Zahlen belegen ließ. Zwar widersprach das Unternehmen, änderte aber aufgrund des massiven Drucks seine Werbung grundlegend und entfernte sich dadurch immer weiter von seinem Markenkern. Mancher mag sich noch an die Werbespots im Kino mit Plüschkamelen in den Neunzigern erinnern. Das Publikum fand sie amüsant, Camel-Zigaretten wurden trotzdem immer weniger gekauft. Beim Versuch, für die Marke neue Zielgruppen zu erschließen, blieb letztlich der Markenkern auf der Strecke. Inzwischen ist Camel irgendeine Zigarettenmarke unter vielen. Nur noch Schuhe und Kleidung mit demselben Markennamen spielen eine Rolle. Die Satelliten überlebten, die Kernmarke nicht – ein Desaster für das Unternehmen, auch in finanzieller Hinsicht.

Die Situation vor dem Niedergang der Marke Camel ist nicht direkt mit der heutigen Situation der Automobilindus­trie zu vergleichen. Aber zumindest gibt es auch dort Entwicklungen, die die Hersteller vor neue Herausforderungen bei der Markenführung stellen. Mancher Käufer sucht sein Auto nach der Integrierbarkeit des Smartphones aus. Viele OEMs versuchen für ihre neuen Mobilitätsangebote eigenständige Marken aufzubauen – DriveNow, Car2go, Moovel und Moia sind Beispiele dafür und eher locker an die Kernmarken gekoppelt. Viele Automodelle werden in der Werbung nicht mehr über ihre Fahreigenschaften angepriesen, sondern über ihre Connectivity. Angeblich ist die junge Generation weniger am Besitz eines Fahrzeugs interessiert, mehr an einer vorübergehenden Nutzung über möglichst bequeme Dienste. All diese Entwicklungen muss man in Werner Hagstotz’ Augen richtig einordnen: „Nur wenige Käufer wählen ihr Auto anhand der Smartphone-Integrierbarkeit aus und Fahrzeugwerbung mit Connectivity nervt Ältere. Der private Besitz eines Fahrzeugs hat sich auch nicht überlebt, spätestens wenn die jungen Leute eine Familie gründen und an den Stadtrand ziehen oder eh auf dem Land mit dürftigem Nahverkehr wohnen, kaufen sie ein Auto“, sagt der Marktforscher mit eigenem Beratungsunternehmen in der Nähe von Pforzheim. „Natürlich müssen die Automobilhersteller ihre Marke an die neuen Trends anpassen“, aber an einer Grundregel der Markenführung ändere sich dadurch nichts: „Die Marke ist ein ruhender Pol, muss Vertrauen ausstrahlen, Halt bieten.“

An der EBS Business School in Wiesbaden sieht man das ähnlich: „Kunden kaufen keine Fahrzeuge, sie kaufen Marken. Insofern wird sich die Markenorientierung alleine dadurch, dass Themen wie Vernetzung und flexible Nutzung an Bedeutung zunehmen, nicht ändern“, bestätigt Franz-Rudolf Esch, Direktor des Instituts für Marken- und Kommunikationsforschung (IMK). Autobauer könnten durch die Digitalisierung ihr Angebotsspektrum erweitern und hätten somit auch die Möglichkeit, durch technische Innovationen und Finessen die junge Generation zu erobern. „Aber es wäre fahrlässig, dabei das ursprüngliche Kerngeschäft und die Markenwerte außer Acht zu lassen.“ Letztlich gehe es beim Auto immer um das Fahrerlebnis. „Das muss sich markentypisch anfühlen“, so Esch. „Und das gilt nicht nur für den Kern des Produkts, sondern auch für die Peripherie.“ Der Experte ist überzeugt: Die Automobilhersteller können die Digitalunternehmen nicht auf deren eigenem Feld schlagen, sondern nur dort, wo sie selbst stark sind: „Sie müssen sich die Fähigkeiten der Digitalunternehmen aneignen und markenspezifisch interpretieren.“ Es kommt also auf die Umsetzung der eigenen Digitalangebote an, sowohl beim Look-and-feel als auch bei den angebundenen Dienstleistungen. Plakativ formuliert: eher Sicherheitsservices und Prestige-Events bei Mercedes, eher Sportservices und Spaßevents bei BMW. Mercedes Me, Audi Connect und BMW ConnectedDrive hält Franz-Rudolf Esch für gute Ansätze für Vernetzungslösungen, bei denen die Hersteller versuchen, ein Ökosystem um das Auto passend zur Marke aufzubauen.

Während dabei die Namen der Kernmarken explizit auftauchen, ist das bei den Namen der konzerneigenen Mobilitätsdienstleister nicht der Fall. „Grundsätzlich gilt, dass eine Marke dann durch Zusatzangebote gestärkt wird, wenn diese zur Marke passen und auch entsprechend markiert sind – sonst nicht“, betont Franz-Rudolf Esch. „Insofern zeigen die neuen Marken für die Mobilitätsangebote deutlich, dass diese bewusst vom Hersteller und dessen Marke differenziert werden, um einerseits auch andere Angebote integrieren zu können und andererseits der Marke bei mangelndem Erfolg keinen Schaden zuzufügen.“ Marktforscher Hagstotz hat in mehr als 30 Praxisjahren genügend Fälle erlebt, in denen insbesondere abrupte Wechsel in der Markenführung zum Absturz im Markenansehen und bei Umsätzen geführt haben. Deshalb bezeichnet er sich selbst gerne als Anhänger einer konservativen Markenführung und würde neue Marken – wenn möglich – mit dem Markenkern verbinden. Den Namen Moia der Volkswagen-Mobilitätstochter hält er aus diesen Gründen für keine gute Strategie. „Das ist zwar kein prinzipielles Problem, aber in der jetzigen Situation, in der Wettbewerber bereits hunderte Millionen Euro in neue Mobilitätsmarken investiert haben, muss das relativ junge Unternehmen Moia diesen Vorsprung beim Markenimage zunächst mit viel Geld aufholen.“

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