
(Bild: Continental)
Jede dritte Straße weltweit wird im Moment noch mit Lichtanlagen beleuchtet, die aus den 1960er Jahren stammen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung im Auftrag der Techfirma Cisco und des Lichtkonzerns Philips. Entsprechend groß ist das Geschäftspotenzial, das beide Unternehmen in einer Modernisierung der Infrastruktur sehen. Zumal der Bereich Beleuchtung für rund ein Fünftel des globalen Energie- verbrauchs steht. Durch Modernisierungen sind Einsparungen von rund zehn Milliarden Euro pro Jahr möglich, die Nutzung von LED-Leuchten und einer smarten Steuerung verspricht Energieeinsparungen von rund 80 Prozent. Doch nicht nur die Technologie rund um das Leuchtmittel der klassischen Straßenlaterne hat sich in den vergangenen Jahren weiterentwickelt. Zunehmend schreiben Städte und Unternehmen der guten alten Straßenlaterne eine neue Rolle im Zeitalter der intelligenten und vernetzten Mobilität zu.
im vergangenen Jahr in Berlin-Friedenau. Im Forschungsprojekt „City2.e 2.0“ vernetzte der Technologiekonzern Straßenlaternen auf einem rund 250 Meter langen Abschnitt. Die verwendeten Radarsensoren können in einem Radius von jeweils rund 30 Metern den Status von etwa fünf bis sechs Parkplätzen überwachen und an die Verkehrsinformationszentrale der Stadt übermitteln. „Der Asphalt reflektiert permanent Mikrowellen an den Sensor. Sobald sich ein Auto auf die Fläche bewegt, erhält der Sensor die Strahlen anders rückgeworfen“, erklärt Florian Poprawa, Leiter der Hardwareentwicklung im Forschungsprojekt Advanced Parking Management. „Zwar haben Radarsensoren eine geringere Auflösung als gewöhnliche Überwachungskameras, aber sie bieten andere Vorteile“, ergänzt Marcus Zwick, Projektleiter bei der Siemens-Geschäftseinheit Mobility.
So ließen etwa die schematischen Aufnahmen des Systems keine Rückschlüsse auf Personen zu. „Die Persönlichkeitsrechte der einzelnen Verkehrsteilnehmer bleiben gewahrt“, so Zwick. Darüber hinaus seien die Systeme sowohl günstiger als Bodensensoren und weniger anfällig für unvorteilhafte Wetter- oder Lichtverhältnisse. Autofahrern, so die Grundidee des Projektes, könne es über Schnittstellen zum Datenpool – etwa per Smartphone-App oder Einbindung in Navigationssysteme – ermöglicht werden, schneller und komfortabler zu freien Stellplätzen zu gelangen. Durch die Kopplung mit intermodalen Routenplansystemen ließe sich zudem eine optimale Route durch städtische Gebiete realisieren.
Auch Continental präsentierte beim letztjährigen ITS World Congress in Australien eine Vision der intelligenten Laterne. Neben der Parkplatzerkennung bietet der Prototyp des Zulieferers eine Möglichkeit, Bewegungen zu detektieren. Das System ist in der Lage, Fußgänger, Radfahrer und Autos differenziert zu erkennen und die Beleuchtung entsprechend anzupassen. Sobald im Einzugsbereich einer Laterne keine Bewegung zu messen ist, kann die Beleuchtung deaktiviert werden. „Wir könnten auch Unfälle erkennen und nicht nur für schnelle Hilfe sorgen, sondern auch nachfolgende Fahrzeuge warnen“, spinnt Projektkoordinator Alfred Waldhaeusl den Faden weiter. „Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt.“
Continental rechnet mit einer Vielzahl von Ausstattungsvarianten: Die Basis bildet der Einsatz von LED-Leuchtelementen, um Energie zu sparen. Auch die Erfassung von Umweltparametern und die Umfunktionierung von Laternenmasten zu Ladesäulen für Elektroautos sind denkbar. Funktionalitäten, die das EnBW- Spin-off „Sm!ght“ bereits anbietet: Mit Hilfe der modularen Lösung, deren Name für Smart City Light steht, lassen sich Straßenlaternen zu WLAN-Sendern und Ladesäulen für Elektroautos aufrüsten. Darüber hinaus bietet das Unternehmen die Möglichkeit, Notrufknöpfe in Laternen zu integrieren und per Sensoren Umweltdaten zu erfassen. Über die zentrale Online-Plattform „Sm!ght IQ“ lassen sich die gesammelten Daten analysieren und visualisieren. All diese Beispiele machen deutlich, dass neben der Vernetzung des Fahrzeugs auch die Vernetzung der Infrastruktur eine wichtige Säule künftiger Mobilität darstellt. Im Falle der intelligenten Straßenbeleuchtung winken neben ökologischen Vorteilen erhebliche ökonomische Potenziale. Angesichts latent knapper Kassen täten Politik und Wirtschaft gut daran, möglichst schnell weitere Initiativen auf den Weg zu bringen, um das Ökosystem der Mobilität an allen Ecken und Enden zu optimieren.
Dieser Artikel erschien erstmals in der carIT 04/2016
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