5G

(Bild: Telekom)

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hierzulande hat sich in Südkorea etwas abgespielt, was als großer Schritt in Richtung vollständig vernetztes Fahrzeug bezeichnet werden kann: Auf der Insel Yeongjongdo im Gelben Meer erreichte ein vernetzter BMW bei Tests der 5G-Technologie eine Datenübertragungsgeschwindigkeit von 3,6 Gigabit pro Sekunde – und das bei Tempo 170. Laut den beteiligten Unternehmen BMW Südkorea, Ericsson und SK Telecom war das ein Weltrekord in Sachen stabiler Internetverbindung bei hohen Geschwindigkeiten. Möglich machte es das Beamforming und das Beamtracking – Verfahren, die es einer Basisstation erlauben, Signale zu übertragen, die ein sich schnell bewegendes 5G-Device verfolgen.

Die Tests in Südkorea sollten zeigen, dass die neueste Mobilfunkstandard-Generation die Vision von Car- to-X und autonomem Fahren endlich Realität werden lassen kann. Denn der Nachfolger von 4G und LTE-Advanced vermag das Versprechen niedriger Latenzzeiten bei gleichzeitig höheren Datenraten einzulösen. Mit 5G könnte nicht nur der Verkehr umfassend vernetzt werden, auch das Internet der Dinge und damit Industrie 4.0 würden massiv profitieren. Mobilfunkbetreiber und Netzwerkausrüster arbeiten bereits seit Jahren fieberhaft daran, die Technologie aus ihrer embryonalen Phase herauszuholen. Experten gehen davon aus, dass 5G spätestens zu Beginn des nächsten Jahrzehnts zum Industriestandard wird und Übertragungsraten von bis zu 20 GBit/s ermöglicht.

Eine Entwicklung, die angesichts der Steigerung des weltweiten mobilen Datenverkehrs dringend notwendig erscheint: Während in diesem Jahr laut Prognose von Cisco weltweit noch gut elf Exabyte Daten pro Monat auf mobilen Endgeräten ausgetauscht werden, wird dieser Wert im Jahr 2021 bei 49 Exabyte liegen. Der globale Internetverkehr wird zu Beginn der 2020er Jahre 92-mal größer sein als noch im Jahr 2005. Dafür braucht es ohne Zweifel eine belastbare Infrastruktur. „Die momentan in der Entwicklung befindliche integrierte Mobilfunk- und Netztechnologie 5G hat den Anspruch, die künftigen Anforderungen für die Kommunikation in dieser vollständig vernetzten Informationsgesellschaft sehr viel umfassender als bisher zu erfüllen“, meint Nick Kriegeskotte, Bereichsleiter Telekommunikationspolitik beim Digitalverband Bitkom. „Die Vernetzung von Märkten, Branchen, Industrien und der Gesellschaft wird sich in den kommenden Jahren radikal verändern.“

mit am stärksten von stabilen 5G-Netzen profitieren. Die Fahrzeuge der Zukunft und in Teilen auch der Gegenwart sollen mit ihrer Umwelt und mit anderen Autos kommunizieren können. Für den vollvernetzten Straßenverkehr ist 5G der Mindeststandard. Auf dem Digitalen Testfeld Autobahn, einem Teilstück der A9 in Bayern, wird diese Technologie für die Car-2-X-Kommunikation bereits erprobt. Bosch, Vodafone und Huawei haben bei Allershausen erste 5G- Testmodule installiert, um den weitgehend verzögerungsfreien Informationsaustausch zwischen Fahrzeugen untereinander zu testen. Vernetzte Fahrzeuge senden Informationen zur Geschwindigkeit, zur Position und zum Spurwechsel direkt an alle Fahrzeuge im Umkreis von 320 Metern, die so automatisch ihre Fahrweise anpassen können.

Der Testbetrieb der Mobilfunktechnologie soll zeigen, dass die Direktkommunikation zwischen Autos per Mobilfunk mit sehr geringer Latenz funktioniert und so WLAN-basierten Alternativen voraus ist, sagen die Partnerunternehmen. Die Latenzzeit, also die Zeitspanne zwi- schen einem Signal und der Reaktion darauf, liegt bei 5G im Bereich einer Millisekunde und übertrifft damit die Latenz von 4G um ein Hundertfaches. „Wir gehen davon aus, dass 5G im kommenden Jahrzehnt der weltweit dominierende Standard für Mobilfunktechnologie wird“, sagt Christoph Grote, Bereichsleiter Elektronik der BMW Group. „In der Automobilindustrie ist 5G von besonderer Bedeutung für die Digitalisierung und auf dem Weg hin zum autonomen Fahren.“

Ein derart erfolgs- und sicherheitskritisches Thema wollen die OEMs freilich nicht den Mobilfunkbetreibern oder der Politik allein überlassen. Daimler, BMW und Audi haben sich zu diesem Zweck mit Telekommunikationsunternehmen wie Ericsson, Nokia und Qualcomm zusammengetan und die 5G Automotive Association (5GAA) aus der Taufe gehoben. Gemeinsam wollen die Partner Standardisierungs- und Zertifizierungsprozesse entwickeln und sich technischen V2X-Anforderungen wie drahtloser Konnektivität, Sicherheit, Datenschutz, Authentifizierung sowie einer Cloud-Architektur widmen. „Zum ersten Mal sind wir als Autohersteller gefragt, Mobilfunkstandards mit zu definieren und sie nicht einfach nur zu verwenden“, erklärt Christoph Voigt, Leiter Entwicklung Connectivity, mobile Kommunikation und Car-to-Car-Technologien bei Audi.

Skizze

Ein Paradigmenwechsel, der nicht zuletzt auf das autonome Fahren zurückzuführen ist – ein Thema, bei dem praktisch jeder Hersteller nach der Technologieführerschaft strebt. Bis dato konzentrierte man sich in den Entwicklungszentren auf den Aufbau eines weitestgehend autarken Systems, das im Wesentlichen mit Hilfe der bordeigenen Sensorik ohne Rechnerunterstützung aus der Cloud funktionieren soll. Das könnte sich nun schnell ändern. „Wenn mit dem schnellen und zuverlässigen 5G-Mobilfunkstandard in Zukunft auch verkehrssicherheitsrelevante Daten von Auto zu Auto und von Autos zur Verkehrsinfrastruktur übertragen werden, wenn Millionen von Verkehrsteilnehmern mit ihren Sensoren ein Abbild der Umwelt in Echtzeit erzeugen und dies verzögerungsfrei allen vernetzten Fahrzeugen zur Verfügung gestellt wird, dann erfährt der Straßenverkehr eine grundlegende Veränderung hin zu mehr Sicherheit, mehr Effizienz und mehr Komfort“, prophezeit Voigt.

Geringere Relevanz misst dagegen Daimler der 5G-Technologie für das autonome Fahren bei. Wie es aus Stuttgart heißt, sei für die Fahraufgaben beim automatisierten Fahren keine Verbindung zur Außenwelt nötig. Schließlich müssen Umfelderkennung, Situationsanalyse und die daraus abgeleiteten Fahrmanöver auch dann funktionieren, wenn keine Netzverbindung verfügbar ist, so Daimler. Informationen von außen wie Verkehrsinformationen in Echtzeit oder Kartenupdates erweitern jedoch die Datengrundlage und präzisierten die Umfelderkennung. Entscheidend für die Schwaben wie auch für Audi und BMW ist eine stabile Verbindung zum Mobilfunknetz zunächst für zahlreiche onlinebasierte Dienste, die Kunden über das Infotainment Mehrwert bieten. Dazu gehören Entertainmentfunktionen wie beispielsweise IP- Radio, Verkehrsinformationen oder Remote-Online-Dienste wie das Öffnen oder Schließen der Fahrzeugtür.

All diese Dienste und Funktionen beanspruchen das Mobilfunknetz stark und brauchen eine leistungsstarke Infrastruktur. Davon sind die Netze in Deutschland aber noch weit entfernt. 5G nutzt zum Großteil höhere Frequenzen als LTE, die Reichweite der Sendestationen verringert sich dadurch auf ein Drittel oder weniger. Die Managementberatung Oliver Wyman geht davon aus, dass in Europa 200 000 zusätzliche Sendestationen benötigt werden. Kostenpunkt: gut 15 Milliarden Euro. Eine Investition in dieser Größenordnung allein von den Mobilfunkbetreibern zu erwarten, sei angesichts anhaltender Sparprogramme und Investitionskürzungen in der Branche der falsche Ansatz, so die Experten.

„Viele Betreiber werden die Investitionen in den Aufbau von 5G im Rahmen ihrer bestehenden Geschäftslogiken nur schwierig bewältigen können“, sagt Oliver-Wyman-Analyst Martin Reitenspieß. Das Beratungshaus fordert daher von den Betreibern, sich zu Infrastrukturallianzen zusammenzuschließen, die es erlauben, die Investitionslast zu teilen und den Aufbau einer flächendeckenden Versorgung zu beschleunigen. Das sieht auch Bitkom-Experte Nick Kriegeskotte so: Um 5G ab 2020 erfolgreich in Deutschland zu implementieren, sei es erforderlich, dass Unternehmen, Wissenschaft, Verwaltung und Politik gemeinsam daran arbeiten, die notwendigen Weichenstellungen zeitnah herbeizuführen. „Durch ein abgestimmtes Handeln wird es gelingen, Deutschland zu einem Leitmarkt für die 5G-Nutzung zu machen“, glaubt er.

Die Autohersteller erhoffen sich vor allem von der Politik, dass sie für klare Vorgaben im Hinblick auf entsprechende Mobilfunkstandards sorgt und ausreichend Frequenzen insbesondere in Sub-6-GHz-Bändern für die Car-to-X-Kommunikation zur Verfügung stellt. Die aktuelle Bundesregierung scheint diese Wünsche ernst zu nehmen: Im März kündigte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt an, dass bereits im nächsten Jahr mit der Vergabe der Frequenzen für 5G in Deutschland begonnen werden soll. Zudem investiert der Bund rund 100 Milliarden Euro, um im Jahr 2025 ein hoch- leistungsfähiges Breitbandnetz zu errichten. Immerhin: Die Weichen in Richtung vernetzte Gesellschaft und Connected Mobility sind damit gestellt. Jetzt wären kurze Latenzzeiten bei der Implementierung schön.

Dieser Artikel erschien erstmals in carIT 03/2017

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