Eine Frau läuft mit einem Rollkoffer am Bahnsteig neben einem Zug der Deutschen Bahn.

Hat der Dienstwagen ausgedient? Erste Unternehmen und Institutionen setzen auf Mobilitätsbudgets als Alternative. (Bild: AdobeStock / engel.ac)

Ob Carsharing, Ridehailing oder Ridepooling: Die Mobilitätswelt steht zunehmend im Zeichen geteilter Verkehrsträger. Bisher standen vor allem Privatpersonen im Fokus der Angebote. Dies soll sich nun ändern: Auch der Dienstwagen könnte sich bald als Auslaufmodell erweisen – dank neuer Services und Projekte, die Alternativen in der beruflichen Mobilität aufzeigen. automotiveIT stellt die zentralen Projekte von Herstellern und neuen Mobilitäts-Playern vor.

Mobinck möchte Mobilität weiterdenken

Unternehmen sind zunehmend angehalten, in nahezu allen Bereichen nachhaltig zu wirtschaften, auch die eigene Fahrzeugflotte bildet hierbei keine Ausnahme. Doch: Eine komplette Flotte wirtschaftlich auf E-Autos umzustellen, bleibt eine schwierige Aufgabe. „Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, dass wir uns auch nach Alternativen umsehen – und nicht nur vom Verbrenner bis zum E-Auto denken“, erklärt Michael Poglitsch, Managing Director beim familiengeführten Mobility-Unternehmen Mobinck aus den Niederlanden, das seit Ende 2021 auch in Deutschland tätig ist. „Wir müssen auch alternative Mobilitätsformen wie Fahrrad, Shared Mobility und ÖPNV einbeziehen.“

Dafür brauche es in den Unternehmen jedoch einen deutlich holistischeren Ansatz als bisher: Häufig gebe es in vielen Firmen getrennte Posten für das Fuhrpark- und Travelmanagement sowie die Abrechnung von Fahrrädern oder ÖPNV-Tickets, erklärt Poglitsch. „Wenn diese Personen nicht im Austausch stehen, geht viel Potenzial zur Optimierung verloren.“ Unternehmen bräuchten eindeutig dezidierte Mobilitätsmanager, die entsprechende Programme sinnvoll bündeln. Um diese Aufgabe zu vereinfachen, bietet Mobinck für Unternehmen und ihre Angestellten über den Geschäftsbereich XXImo eine physische oder digitale Mobility Card an, mit der Mitarbeiter verschiedene Mobilitätsdienste nutzen und abrechnen können. Die Funktionsweise ist hierbei ähnlich einer konventionellen Kreditkarte, die Kontrolle der Ausgaben sowie die Höhe des verfügbaren Finanzrahmens obliegt dem jeweiligen Arbeitgeber. Über die App Milo können Mitarbeiter zudem die bestmöglichen Verbindungen finden und buchen.

Audi schickt Mobiko ins Feld

Ein weiteres Jungunternehmen, das im Bereich der Mobilitätsbudgets tätig ist, ist der von der Audi Business Innovation und Mantro ins Leben gerufene Anbieter Mobiko. Mit Hilfe einer eigenen App möchte das Unternehmen, dessen Name eine Kurzform des Begriffs Mobilitätskontingent darstellt, die Beförderung von Mitarbeitern multimodaler und nachhaltiger gestalten. Statt eigener Dienstwagen oder einem Jobticket können Unternehmen ihrer Belegschaft mit Hilfe des Tools ein klar definiertes Mobilitätsbudget zur Verfügung stellen, das diese eigenständig einsetzen können. Durchgeführte Fahrten und Zahlungen werden mit Hilfe der App abgelegt und vom freigegebenen Budget abgerechnet. Mit dem jeweils nächsten Gehalt folgt für den Arbeitnehmer eine Rückerstattung der ausgegebenen Gelder bis zur Obergrenze des Budgets.

Für den Arbeitgeber bietet das Tool unter anderem die Möglichkeit, Abläufe zu automatisieren und eingereichte Belege automatisch der bestmöglichen Besteuerung zuzuführen, so das Versprechen des Unternehmens. Das Mobilitätsbudget könnte nicht nur als Alternative zum Dienstwagen angeboten werden, sondern auch als zusätzlicher Anreiz, wenn etwa ein kleineres Fahrzeug gewählt wird. Außerdem soll das System attraktive Zusatzleistungen für potenzielle und bestehende Mitarbeiter eröffnen. Durch die Funktionsweise der Plattform sind zudem keine expliziten Partnerschaften mit angeschlossenen Mobilitätsdienstleistern nötig. Nutzer können daher theoretisch ihre Belege für die Nutzung aller Verkehrsträger vom Privatfahrzeug bis hin zum Bikesharing sowie für Kauf oder Reparatur des eigenen Fahrrads einreichen.

Free Now setzt alles auf eine Karte

Im Rahmen des Produktes Employee Benefits bietet auch der Mobilitätsanbieter Free Now ein eigenes Angebot. Bei der Mobilitätsbenefits-Karte handelt es sich um eine virtuelle Prepaid-Karte, mit der Nutzer ein vorab bestimmtes Guthaben für die private und berufliche Mobilität nutzen können – auch wenn diese nicht im Angebot von Free Now enthalten sind. Genutzt werden können mit dem Anfang 2023 eingeführten Service etwa der ÖPNV, Fahrrad-Leasing, Fähren oder Autovermietungen. Auf Wunsch der User habe man auch die Funktion eingeführt, das Guthaben im Ausland zu nutzen.

„Mit der komfortablen Bezahlung per Mobilitätsbenefits-Karte können private und geschäftliche Reisen ganz einfach beglichen werden. Dies ist auch ein entscheidender Vorteil, wenn es darum geht, Talente über zusätzliche Leistungen langfristig ans Unternehmen zu binden”, sagt Fabio Griemens, Commercial Director bei Free Now for Business. "Wir gehen davon aus, dass der Markt sehr gut auf dieses Produkt reagieren wird, da es vor dem Hintergrund von New Work und Home Office eine deutlich flexiblere Sichtweise auf das Thema Mobilität ermöglicht.“

Griemens zeigt sich überzeugt, dass das Modell des Mobilitätsbudgets künftig Schule machen wird: Eine eigene Umfrage unter 162 Mitgliedern der Smart Mobility Community von Fleet Europe habe ergeben, dass in den nächsten drei Jahren die Nutzung von Dienstwagen deutlich zurückgehen werde. Gleichzeitig plane die Hälfte der Befragten, ihren Mitarbeitern künftig ein Mobilitätsbudget anzubieten.

Bonvoyo bereitet den Rollout vor

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch das von der Deutschen Bahn ausgegründete Spin-off Bonvoyo: Auch hier kann der Arbeitgeber individuelle Budgets für die Nutzung von Fahrrad, ÖPNV, Auto, Sharingfahrzeug, Taxi und Co. festlegen. Dabei sollen die Planung, Buchung und Verwaltung aller Fahrten über eine einzige App erfolgen. Für die eigenen Dienste Call a Bike, Flinkster, sowie den öffentlichen Regional- und Fernverkehr können die Kosten direkt über den Arbeitgeber abgerechnet werden. Für weitere Dienste sieht auch Bonvoyo die Einreichung von Belegen durch den Mitarbeiter vor. Aktiv ist das Unternehmen unter anderem schon in Hamburg: Gemeinsam mit den Verkehrsbetrieben steht hier das Angebot HVV-M bereit, das aus einem Förderprojekt des BMVI hervorgegangen ist.

Mit der entsprechenden App zum Mobilitätsbudget, die man auch als Whitelabel-Lösung anbiete, gehe man jetzt in die breitere Vermarktung, erklärt Jürgen Gudd, Vorsitzender der Geschäftsführung bei DB Connect, im Rahmen des Mobility Circle 2021. Mit dem Rollout zielt das Unternehmen auf Firmen, die ihren Mitarbeitern ein differenziertes Mobilitätsangebot unterbreiten wollen. Gudd zufolge sei die Besonderheit von Bonvoyo, dass man nicht aus der Sicht eines Carsharing-Anbieters, sondern aus der des ÖPNV denke und dies als eigene Philosophie und USP begreife.

Bremen unterbreitet Führungskräften ein Mobilitätsbudget

Auch in einer anderen Hansestadt macht das System Mobilitätsbudget Schule: Die Stadt Bremen hat bereits Anfang des Jahres 2020 beschlossen, Dienstwagen durch entsprechende Lösungen zu ersetzen. Erhalten hier Führungskräfte in Unternehmen, die mehrheitlich der Stadt oder dem Land Bremen gehören, einen neuen Vertrag, wird ihnen statt eines beruflichen Autos ein Mobilitätsbudget angeboten, das für Fahrten mit dem ÖPNV oder Sharing-Fahrzeugen genutzt werden kann. Bei laufenden Verträgen wird seitens der jeweiligen Beteiligungsverwaltung ein Angebot an die Geschäftsführungen und Vorstände ausgesprochen, die Neuregelung für die Restlaufzeit des bestehenden Vertrags zu vereinbaren. Statt eines Dienstwagens, für den bisher ein Limit beim Bruttolistenpreis von 46.500 Euro galt, stehen dem jeweiligen Mitarbeiter rund 4.800 Euro pro Jahr für alternative Mobilitätsdienste bereit. Nimmt eine Führungskraft das Budget nicht oder nicht komplett in Anspruch, wird der Restbetrag als Bruttobetrag auf das Gehalt aufgeschlagen.

Das Angebot stößt auf große Gegenliebe: Inzwischen haben sich über 30 Geschäftsführungen für die Nutzung des Mobilitätsbudgets entschieden. Gesellschaften, in denen außerhalb der Geschäftsführung Dienstwagenregelungen bestehen, sind seitens der Stadt Bremen aufgerufen, ebenfalls Neuregelungen durchzuführen, die im Laufe des Jahres 2023 vollständig umgesetzt werden sollen. Das vollständige Ende des Dienstwagens bedeutet die Neuregelung in der Hansestadt jedoch nicht: Bei Vorlage von triftigen Gründen, etwa wenn dauerhaft Dienstgepäck transportiert werden muss, eine schwere Behinderung vorliegt oder die dienstlichen Aufgaben anderweitig nicht zu erfüllen sind, stellt die Stadt bestimmten Mitarbeitern weiterhin ein Fahrzeug zur Verfügung.

SAP rechnet Mobilitätsbudget über Concur ab

Als einer der ersten deutschen Konzerne experimentiert derweil SAP mit dem Konzept des Mobilitätsbudgets. Zwischen April 2021 bis 2023 läuft hier die bundesweit ausgerollte zweite Phase eines entsprechenden Projektes, nachdem der Walldorfer Softwareriese bereits im Jahr 2020 einen Piloten in Potsdam und Berlin gestartet hatte. Von den insgesamt 17.000 Mitarbeitern mit eigenem Dienstwagen können im Rahmen des Projektes nun etwa 600 Angestellte stattdessen auf ein virtuelles Mobilitätsbudget zurückgreifen. Arbeitnehmer können dabei nahezu alle Verkehrsträger für die private Mobilität nutzen und bekommen die entstandenen Kosten vom Konzern zurückerstattet. Die Abrechnung erfolgt wie auch bei Dienstreisen über das unternehmenseigene Tool Concur.

Einen zentralen Fokus lege man auf den Nachhaltigkeitsgedanken, erklärt SAP-Flottenchef Steffen Krautwasser. Daher seien unter anderem Flugreisen oder Kreuzfahrtschiffe von dem Budget ausgenommen. Aus einer ähnlichen Grundidee heraus deckt das Budget außerdem lediglich die Nutzung von Diensten, nicht aber Neuanschaffungen durch Mitarbeiter – etwa eines eigenen Fahrrads oder von Benzin – ab. Überschüssige Mittel des Budgets möchte SAP zudem in von der Belegschaft ausgesuchte Nachhaltigkeitsprojekte investieren.

Neben dem Klimaschutz adressiere man mit dem Modell auch die veränderten Mobilitätswünsche der eigenen Belegschaft. „Wir haben immer mehr Mitarbeitende, vor allem aus jungen Personengruppen, die entweder überhaupt keinen Führerschein mehr haben oder für die ein Dienstwagen nicht attraktiv ist, was wir vor allem in Großstädten ohne Parkplätze und mit hohem Verkehrsaufkommen häufiger beobachten“, erläutert Steffen Krautwasser. Das Feedback, das er und sein Team von den Teilnehmenden des Pilotprojekts bisher erhalten haben, sei sehr positiv. „Viele schätzen die Flexibilität und den Anreiz, sich Gedanken über das eigene Handeln bezüglich nachhaltiger Mobilität zu machen. Die Weiterempfehlungsrate lag zuletzt bei 9,3.“

MHP-Mitarbeiter können Mobility Allowance nutzen

Neue Wege geht infolge der Coronakrise auch die Porsche-Tochter MHP: Durch die Entwicklung hin zum mobilen Arbeiten sei es nötig, neue Wege der Mobilität zu suchen und innovativere Wege hin zu einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit zu gehen. „Während der Pandemie wurde das Auto immer weniger ein Arbeitsmittel und hat sich vielmehr zu einem Benefit im Sinne eines Total Reward entwickelt“, sagt MHP-Partner Andreas Hirning. „Wir haben auch weiterhin eine hohe Remote-Quote. Unter unseren Mitarbeitenden entwickelte sich der Wunsch nach mehr Flexibilisierung in den MHP-Benefits und vor allem im MHP-Mobilitätsangebot.“ Ab dem 1. Juli 2023 sind daher für Mitarbeitende der Management- und IT-Beratung drei verschiedene Mobilitätsoptionen wählbar: Neben einer Bahncard 100 sowie einem Dienstwagen ist im Rahmen der Mobility Allowance auch eine monatliche Brutto-Zahlung für die Mobilitätsbelange der Employees möglich. Weitere Mobilitätsdienste für die eigene Belegschaft umfassen etwa das Jobrad oder das Volkswagen Zweitwagen-Leasing.

Diese Gründe sprechen für das Mobilitätsbudget

Auch Autoexperte Stefan Reindl ist überzeugt, dass Unternehmen und Institutionen in Zukunft stärker auf Mobilitätsbudgets für Mitarbeiter setzen werden. Hierfür gebe es eine Reihe guter Argumente: Erstens seien einzelne Wege häufig bequemer, schneller und stressfreier mit öffentlichen und alternativen Verkehrsmitteln zurückzulegen, zweitens seien Mitarbeiter oftmals nicht mehr so stark auf ein eigenes Fahrzeug festgelegt, erklärt der Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA). „Drittens bieten Mobilitätsbudgets mehr Flexibilität hinsichtlich der Ausgestaltung von Dienst- und Privatwegen – wobei ja auch die Nutzung eines Automobils im Einzelfall möglich ist oder sein sollte. Viertens verfolgen viele Unternehmen mehr und mehr Nachhaltigkeitsstrategien, die umweltseitige und gesellschaftliche Herausforderungen beinhalten.“ Gleichzeitig sei bei einzelnen Mitarbeitern nach wie vor das Statusdenken stark ausgeprägt, erklärt Reindl. „Das Fahrzeug dient dabei als Kommunikationsinstrument hinsichtlich des gesellschaftlichen und beruflichen Status.“ Aber auch jenseits derartigen Kalküls seien Mitarbeiter häufig auf Dienstwagen angewiesen. Insbesondere in ländlichen Bereichen eigne sich die aktuelle Mobilitätslandschaft nicht für entsprechende Ansätze, so der Experte.

Um Mitarbeiter zum Umstieg zu bewegen, sei es derweil nötig, eine möglichst einfache Abwicklung der Fahrten zu realisieren oder mit der Vorhaltung eines unternehmenseigenen Fahrzeugpools den Übergang zu vereinfachen. „Darüber hinaus könnten weitere Bausteine wie eine noch stärkere Flexibilisierung der Arbeitszeiten – beim Einsatz von öffentlichen Verkehrsmitteln wird man ohnehin großzügiger sein müssen – oder des Homeoffice-Anteils die Motivation erhöhen“, so Reindl. Ein weiterer, motivierender Faktor könnte unter anderem die Prämierung von gesellschaftlicher oder umweltorientierter Verantwortung über Incentives oder Wettbewerbe sein.

Dass gerade junge Mitarbeiter Mobilitätsangebote von Unternehmen als wichtigen Faktor bei der Bewertung des Arbeitgebers berücksichtigen, zeigt auch eine Studie von Alphabet Fuhrparkmanagement aus dem Frühjahr 2024: Darin geben 48 Prozent der Befragten zwischen 18 und 28 an, dass sie die Attraktivität von Unternehmen, die ihren Mitarbeitern Mobilitätsangebote unterbreiten, als grundsätzlich höher einschätzen. 92 Prozent können sich vorstellen, in Zukunft ein Fahrzeug zu nutzen oder tun dies bereits. Auch die Nutzung eines geleasten Fahrrads (60 Prozent) oder eines Elektrorollers (53 Prozent) ist für junge Menschen interessant. Einen Zuschuss für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel halten 81 Prozent für wünschenswert. Für die jungen Angestellten ist zu zwei Drittel zudem klar: Wenn schon Dienstwagen, dann ein E-Modell.

Mit Material von SP-X

 

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