Das vernetzte Auto

Während in der Vergangenheit die Vernetzung im Fahrzeug selbst im Vordergrund der Entwicklung stand, treiben die Autohersteller nun die Anbindung an die Umwelt voran. Die großen Hersteller haben zwar die Zahl der fahrzeugtechnischen Innovationen, wie die Studie „iCar – Die junge Generation und das vernetzte Auto“ der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach belegt, in den Bereichen Telematik, Unterhaltung sowie Fahrerassistenzsysteme bereits zwischen 2005 und 2009 deutlich erhöht, doch jetzt starten die Unternehmen richtig durch. Vor allem die Anbindung an das Internet steht ganz oben auf der Agenda der Entwickler.

Im neuen A6, dem A8 und dem A7 gibt es bereits einen integrierten WLAN-Hotspot, ein UMTS-Modul stellt die Verbindung ins Internet her. Die Passagiere können auf diese Weise mit bis zu acht mobilen Endgeräten surfen und mailen, von Smartphones bis zu Tablets. Die Online-Dienste, bei denen Audi mit Google kooperiert, verbinden die große Limousine wiederum über das Bluetooth-Autotelefon online mit dem Internet. Ein UMTS-Modul holt Bilder und Informationen von Google Earth auf den Monitor und spielt sie mit der Navigationsroute zusammen. Konkurrent Daimler bietet ebenfalls einen InCar-Hotspot. Die Datensignale werden über die Außenantenne empfangen. Ein spezieller WLAN-Router und eine datenfähige SIM-Karte verarbeiten die Signale und stellen innerhalb des Fahrzeugs den kabellosen Zugang auch während der Fahrt zum Internet her. Dadurch können bis zu drei WLAN-fähige Endgeräte gleichzeitig eingesetzt werden. Neu im Programm der Stuttgarter: Das Multimedia-System „Comand Online“ bietet erstmals einen Internetzugang in der C-Klasse. Kunden können im Stand browsen oder zu einem Mercedes-Benz-Online-Portal surfen. Zu den Diens-ten zählen Wetter und Sonderzielsuche über Google sowie die Möglichkeit, eine zuvor am PC per Google Maps konfigurierte und zum Auto gesendete Route herunterzuladen.

Bei BMW dreht sich das Internet um den Begriff ConnectedDrive. Die Münchner treiben das Thema World Wide Web bereits seit Jahren voran – nutzen aber im Vergleich zu den Konkurrenten anstatt UMTS den EDGE-Standard. Mit der integrierten Mail-Funktionalität erhalten BMW-Fahrer sogar einen komfortablen Zugang zu ihren Mail-Exchange-Servern – und zwar direkt vom Fahrzeug aus. So haben sie während der Fahrt Zugriff auf die Inbox (Posteingang), die Kontakte und den Kalender ihres E-Mail-Accounts. Der Autobauer bietet damit vor allem für Großkunden, Kunden mit Fahrzeugflotten oder Außendienstmitarbeitern eine Lösung, bei der man nicht auf ein mobiles Endgerät angewiesen ist. Aufwändige Konfigurationen von E-Mail-Konten auf dem Consumer-Electronics-Gerät entfallen und auch Akkulaufzeiten spielen bei der integrierten Lösung keine Rolle mehr. Das Fahrzeug greift direkt auf den Mail-Exchange-Server zu, von dem auch der Arbeitsrechner die Mails laden würde. Zukünftig ist außerdem denkbar, die Mail-Funktionalität an andere Funktionen des Infotainment-Systems anzubinden, beispielsweise an das Navigationssystem. Eine Übernahme von Adressen aus dem Adressbuch ins Navigationssystem und die Routenplanung entlang der anstehenden Termine sind nur zwei der Möglichkeiten, die sich dadurch eröffnen.

Doch nicht nur die Autobauer wollen das mobile Internet. Auch die Softwareunternehmen und IT-Dienstleister denken intensiv darüber nach. QNX Software Systems, ein kanadischer Spezialist für Infotainment-Plattformen, hat ein Konzeptfahrzeug auf die Räder gestellt, das vollständig mit dem Internet vernetzt ist. Zu den Funktionsumfängen zählen auch Verkehrsleit- und Telematiksysteme sowie eine Anbindung an eine Cloud – die Voraussetzung für eine dezentrale Datensicherung, wie sie von Audi-Chef Stadler favorisiert wird. Ein flexibel konfigurierbares Kombiinstrument bildet die Schnittstelle im Auto. Einen anderen Weg geht Lesswire. Das Sys-temhaus für drahtlose Lösungen bedient nicht nur die Erstausrüs-ter, sondern auch den wohl zukünftig parallel anlaufenden Nachrüstmarkt. Ein spezieller WLAN-Router für das Auto wandelt die eingehenden UMTS-Daten in WLAN-Signale um. Der Transfer erfolgt über eine spezielle Antenne, die optimalen Empfang gewährleisten soll. Und die Vernetzung bietet noch mehr: Sie ermöglicht auch den direkten Zugriff auf eine Vielzahl von Miniprogrammen (APPs) im Netz, die wichtige Informationen liefern oder das Arbeiten an Bord ermöglichen. Die Deutsche Telekom sieht gerade auf diesem Gebiet einen Milliardenmarkt entstehen und will ihren Kunden die passenden Grundlagen für ein vernetztes Leben und Arbeiten an Bord in naher Zukunft bereitstellen.

Klar ist schon jetzt: Wer den Internet-Trend im Auto verpasst, wird Probleme bei den Kunden von morgen bekommen. „Hersteller, die die unterschiedlichen Auswirkungen des Internets auf ihre Fahrzeuge nicht beachten, die den Aspekten der Vernetzung und der Integration externer Endgeräte heute nicht Beachtung schenken, laufen Gefahr, im wahrsten Sinne des Wortes den Anschluss zu verpassen“, urteilt Automobilexperte Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach gegenüber der Schwesterzeitschrift carIT.  Nach Auffassung des Fachmanns wird die Vernetzung des Automobils nicht nur das Produkt revolutionieren, sondern auch die Industrie nachhaltig verändern. Entziehen kann sich keiner mehr der Dynamik. Wer das Knowhow nicht hat, kauft es ein oder kooperiert – Hauptsache, man ist dabei. Das gilt selbst für einen Zuliefergiganten wie Bosch. Der Stuttgarter Konzern arbeitet künftig mit dem amerikanischen Dienstleister Airbiquity zusammen, um seinen Kunden eine sinnvolle Vernetzung zu ermöglichen. Konkret sollen Endgeräte mit der Headunit gekoppelt werden.

Ein Resultat der neuen Vernetzung kann selbst das autonome Fahren sein, urteilt Audi-Chef Stadler während der Elektronikmesse. Mit Hilfe neuer Kameras und der Car-to-X-Kommunikation könnte sich ein Audi der Zukunft selbsttätig bewegen, wenn es der Fahrer wünscht, etwa im Stop-and-go-Verkehr. Besonders interessant werden die neuen Lösungen im Zusammenspiel mit einer weiteren Zukunftstechnologie, den elektrifizierten Antrieben. Die Elektromobilität führt zwei Branchen zusammen, die bisher kaum miteinander verknüpft waren: die Fahrzeug- und die Energieversorgungswirtschaft. An der Schnittstelle zwischen Elektrofahrzeug und Stromnetz kann gerade die IT wichtige Beiträge leisten. Sie ermöglicht die optimierte Steuerung von Betriebs-, Abrechnungs- sowie Controllingprozessen und sorgt für den Austausch der notwendigen Informationen zwischen Verkehrsnetz, Ener-gieversorgung und Elektrofahrzeugen, beispielsweise für die Routen- und Ladeplanung, die Überwachung des Batterie- und Ladezustands – unter anderem mit Hilfe des Internets. Fazit: Das Auto der Zukunft definiert sich auch über das World Wide Web.

Autor: Peter Rademacher

Foto: Daimler

Sie möchten gerne weiterlesen?