Carsharing

Hätten Airbnb oder Uber das Licht der Geschäftswelt in Deutschland erblickt, wäre aus den Plattformen vermutlich nichts geworden. Der Gründer des Startups Wunder, früher Wundercar, musste seine Software erst einmal in Asien etablieren, weil die Hamburger Behörden sein Ridepooling- Konzept 2014 verboten hatten. Nach einer satten Finanzspritze im Jahr 2017 mit einer achtstelligen Summe, die von den Altinvestoren Blumberg, Cherry, Sixt sowie einem neuen Londoner Investor kam, und ersten Erfolgen in Osteuropa, Indien und den Philippinen will Unternehmensgründer Gunnar Froh jetzt offenbar einen neuen Anlauf in seinem Heimatland wagen: mit einer in Hamburg entwickelten und in den Schwellenländern getesteten Software für Shuttle-Services, bei denen sich mehrere Menschen ein Fahrzeug teilen. „Eine recht neue Entwicklung auf dem Mobilitätsmarkt sind sogenannte On-Demand-Ridepooling-Konzepte. Sie stellen derzeit noch eine Ausnahme dar, es haben aber bereits neue Mobilitätsdienstleister für 2018 angekündigt, entsprechende Konzepte testen zu wollen“, berichtet ein ADAC-Sprecher. Nutzer, die in die gleiche Richtung wollen, werden von einem Shuttle-Fahrzeug eingesammelt, Fahrtroute und Lage der virtuellen Haltestellen werden von einem Algorithmus optimiert. In diesen Markt steigt jetzt zum Beispiel Volkswagen mit seinem Angebot Moia ein.

Auch bei den mobilen Carsharing-Anbietern (Free Floating) tut sich einiges. Ob sich ihr Geschäft eines Tages überhaupt profitabel gestalten lässt, ist aber noch immer unklar. Der ADAC jedenfalls hält die derzeitigen Preise für hoch – die Angebote würden deshalb nur für kurze Strecken genutzt. An der Tarifschraube dürfte nicht gedreht werden, um schwarze Zahlen zu erreichen. „Alle bisherigen Anbieter kratzen noch an der Oberfläche. Warum also treffen sie nicht den Nerv?“, fragte sich Edgar Scholler, Gründer des Berliner Startups Getaway. Mit einem vergleichsweise radikalen Konzept will der Jungunternehmer das Blatt wenden. Jeder soll sein Auto über seine Plattform vermieten können und damit Geld verdienen, jeder Teilnehmer überall spontan ein Auto vorfinden. Die Anschaffung und das Managen einer Flotte sind nicht mehr nötig. In rund einer Stunde können die Autos der Teilnehmer laut Getaway mit der nötigen Elektronik für Türcode, Tracking und Tankkarte ausgestattet werden. Wer sein Auto nicht braucht, gibt es frei für den Pool der verifizierten User, mindestens für eine Stunde oder viel länger, für eine Nacht oder das ganze Wochenende. Besonderen Charme entwickelt das Konzept vor allem in ländlichen Regionen, in denen die großen Player mit ihren Flotten kein Potenzial sehen.

Anders als die professionelle Konkurrenz der Autohersteller will Getaway ein kilometerbasiertes Pay per Use anbieten: Für jeden zurückgelegten Kilometer gibt es zusätzlich großzügige zehn freie Parkminuten. Den Autobesitzern verspricht man, dass ihr Fahrzeug während einer aktiven Vermietung jederzeit über eine GPS-Ortung auffindbar ist. Bei Diebstahlverdacht wird das Auto lokalisiert und lahmgelegt. „Bei One-Way-Anbietern läuft im Kopf die Uhr mit. Wir wollten das anders machen. Kein Stau soll zur Kostenfalle werden und Rasen bringt keinen Kostenvorteil. Das ist besonders für die Autobesitzer beruhigend“, so Scholler. Das Tankproblem wird über eine Tankkarte gelöst, mit der kilometer- und usergenau bargeldlos abgerechnet wird. Weil es sich bei der Benutzung immer um „Round Trips“ handelt, kommt das Auto stets wieder zum Besitzer zurück. Bei Verspätungen werden sowohl der Nutzer als auch der Besitzer per E-Mail informiert, zudem gibt es einen strengen Strafenkatalog, wodurch Verspätungen verhindert werden sollen. Durch die eingeplante Pufferzeit gebe es aber kaum Probleme, berichtet Scholler.

Intelligente Algorithmen spielen bei Getaway eine wesentliche Rolle. „Mit unserer Lösung haben wir nicht nur einen komplett automatisierten Vermietungsvorgang, sondern auch ein individuelles Pricing, das sich je nach Auto, Nutzer und gefahrenen Kilometern unterscheidet“, erläutert der Gründer. Brandneues Auto mit 200 PS, Fahrer mit Erfahrung und tadelloser Miethistorie – all das fließt in die Preisgestaltung ein. Mehr als 10 000 registrierte App-Nutzer gibt es bereits, über 60 Prozent davon sind Autobesitzer und wollen ihr Auto anbieten. Die Registrierung ist in wenigen Minuten möglich. Dazu benötigt man nur ein Foto des Kfz-Scheins und des Autos sowie einige Angaben zum Fahrzeug. Aktuell sind Getaway-Autos in Berlin, Magdeburg und Hamburg auf den Straßen. Der Fokus im nächsten Schritt liegt auf dem Ausbau der Flotte mit dem Ziel, den größten spontan verfügbaren Fuhrpark von Autofahrern für Autofahrer aufzubauen – in ganz Deutschland. Für den seltenen Fall eines Schadens oder Unfalls sind die Autos während des Mietvorgangs über die Gothaer Versicherung versichert. Die Getaway-Versicherung ersetzt für den Zeitraum der Vermietung die eigene Versicherung des Autobesitzers. Das Startup will mit seiner Plattform zudem anderen Playern die Möglichkeit geben, Mobilitätsdienstleistungen anzubieten. Dazu könnten zum Beispiel Unternehmensfuhrparks zählen, die nachts nicht gebraucht werden. Auch OEMs stehen anscheinend im Kontakt mit dem Newcomer.

Autorin: Daniela Hoffmann

Bilder: Car2go, Moia, DriveNow

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