Ein Pkw von Ford fährt mit Technik vom Mobileye autonom durch die Innenstadt von München.

Seit Sommer 2020 fährt Mobileye mit autonomen Autos durch die bayerische Landeshauptstadt München. (Bild: Intel)

Die Idee ist gut. Das, was aus ihr bisher hervorging, aber hat noch Luft nach oben. Mit einem neuen Gesetz zum autonomen Fahren will die Bundesregierung 2021 den Rechtsrahmen schaffen, damit autonome Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr unterwegs sein können – in festgelegten Betriebsbereichen und bis Autonomiestufe 5, ohne Fahrer und ohne Lenkrad. „Als erstes Land weltweit holen wir autonome Fahrzeuge aus den Forschungslaboren auf die Straße – und zwar im Regelbetrieb“, verkündete Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer im Sommer nicht ohne Stolz und schob einen frommen Wunsch hinterher: Die Automobilwirtschaft solle ihre Anstrengungen zum autonomen Fahren intensivieren und die Erprobungsmöglichkeiten am Standort Deutschland konsequent nutzen, um automatisierte und autonome Fahrzeuge „erlebbar“ zu machen.

Technologiefirmen haben die Nase vorn

Tatsächlich arbeiten die Entwicklungsingenieure in Wolfsburg, München und Stuttgart unter Hochdruck – allerdings nicht am autonomen Fahren, sondern an neuen Modellen mit Elektroantrieb und aufwendigen Batteriemanagement-Systemen. Statt der deutschen OEMs sind es Technologiefirmen wie Mobileye aus Israel, die eine vorläufige Zulassung erhalten haben, um autonome Fahrzeuge beispielsweise im Stadtverkehr von München zu testen. Nach eigenen Angaben darf die Tochterfirma des US-Chipkonzerns Intel die Erprobung hierzulande in Stadtgebieten, auf Landstraßen sowie auf Autobahnen durchführen. Die Autos dürfen dabei nicht schneller als 130 Kilometer pro Stunde fahren.

„Mich hat sehr gefreut, dass auf dem Autogipfel Anfang September das klare Bekenntnis zur Vorreiterschaft in Sachen Regeln für das vollautonome Fahren auf Level 4 und 5 formuliert wurde“, erklärt Johann Jungwirth gegenüber dieser Redaktion. Er verantwortet bei Mobileye den Bereich Mobility as a Service und war zuvor als Chief Digital Officer für Volkswagen tätig. „Wenn es Deutschland gelingt, einen entsprechenden Entwurf im kommenden Jahr zu verabschieden, wäre das aus meiner Sicht ein großer Erfolg. Dann hätten wir als Industrie ausreichend Zeit, um 2022 wie geplant selbstfahrende Fahrzeuge auf die Straßen zu bringen.“

Keine Frage: Mobileye feiert mehr als einen Prestigeerfolg, wenn im Heimspielfeld von BMW hochautomatisierte Autos der Marke Ford stundenlang unterwegs sind, ohne dass der Begleitfahrer ein einziges Mal eingreifen muss – selbst dann nicht, wenn sich an großen Kreuzungen knifflige Situationen ergeben oder die Fahrspur durch Notarztwagen und Einsatzfahrzeuge der Polizei versperrt ist.

Keine Fahrerlaubnis ohne Sicherheitstest

Der Begleitfahrer kann bei den autonomen Testfahrten von Mobileye seine Hände in den Schoß legen
Der aktuelle SDS-Technik-Stack von Mobileye, verbaut in einem Pkw von Ford. (Bild: Intel)

Mobileye setzt auf Bildverarbeitung in Echtzeit und nutzt dafür die selbstentwickelten EyeQ-Chips. Zwei unabhängige Subsysteme zur Umgebungserfassung sorgen für echte Redundanz, ein fortschrittliches Road Experience Management sowie das Sicherheitskonzept Responsibility Sensitive Safety sind ebenfalls an Bord. Um die Zulassung zu erhalten, mussten die Fahrzeuge eine Reihe von Sicherheitstests absolvieren, zudem hat Mobileye dem TÜV Süd als Gutachter umfassende technische Unterlagen zur Verfügung gestellt. Teil der Genehmigung war darüber hinaus eine ganzheitliche Sicherheitsbewertung hinsichtlich der Funktions- und Fahrzeugsicherheit einschließlich Gefahrenanalyse.

Johann Jungwirth zeigt sich überzeugt, dass der regulatorische Rahmen zügig stehen wird. „Industrienationen wie Deutschland tun gut daran, in Vorleistung zu gehen. Letztlich aber müssen EU-Gesetze nationale Regeln irgendwann ablösen.“ Bis es so weit ist, bleibt für Mobileye die Zusammenarbeit mit Städten wie München oder Jerusalem wichtig. „Viele Metropolen treiben ihre Mobilitätstransformation selbst voran, sie preschen vor, sie gestalten. Deshalb sind Kooperationen mit der öffentlichen Hand für uns essenziell.“

 

Neuigkeiten von der CES

Amnon Shashua, Chef von Mobileye, präsentierte auf der CES einen photonisch integrierten Schaltkreis
Mobileye-Chef Amnon Shashua präsentierte Anfang der Woche beim Auftakt der Digitalmesse CES einen photonisch integrierten Schaltkreis. (Bild: Intel)

Mobileye will Testfahrten künftig in weiteren Teilen Deutschlands durchführen, gibt aber keine Informationen darüber heraus, in welchen Städten die nächsten Zulassungen beantragt werden. Zu Beginn der Digitalmesse CES kündigte Mobileye-Chef Amnon Shashua aber an, in Kürze Testfahrzeuge auf die Straßen von Detroit, Tokio, Schanghai und Paris schicken zu wollen. Sobald die kommunale Genehmigung vorliegt, wird New York City folgen. „Von Anfang an zielte unser Plan darauf ab, schnell weitere Länder und Märkte zu erschließen“, sagte Shashua im Rahmen einer Videopräsentation.

Zudem arbeitet Mobileye an einer verbesserten funk- sowie lichtbasierten Erkennung und Reichweitenmessung. Die softwaregestützte Radartechnologie erfasst Bilder mit 2304 Kanälen, 100 Dezibel Dynamikumfang und 40 dBc Nebenkeulenlevel. Mit diesen Parametern erreicht die Intel-Tochter die benötigte Erkennungstiefe, die für die Zulassung autonomer Fahrzeugen notwendig ist.

So cruist Mobileye autonom durch München

Die selbstfahrenden Systeme von Mobileye haben bisher alle Konstellationen bravourös gemeistert, davon kann man sich in diesem unbearbeiteten Youtube-Video überzeugen, das vor Weihnachten bei einer Testfahrt entstand. Der Mitschnitt zeigt, wie die Technologie andere Verkehrsteilnehmer erkennt und wie die crowdbasierte Kartierungsfunktion das Auto dabei unterstützt, sich autonom und effizient durch die Straßen der bayerischen Landeshauptstadt zu bewegen.

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