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Im Projekt „DriveMark“ nutzen Forscher des DLR feststehende Straßenmöbel als Fixpunkte zur Orientierung. (Bild: DLR)

Big Data ist gut, Right Data besser – dieser Kernsatz fällt andauernd, wenn Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) über ihr Projekt „DriveMark“ sprechen. „Erfassen beispielsweise autonome Autos von Google mit ihrem Lidar eine Million Bildpunkte pro Sekunde, ist das beeindruckend. Nur müssen aus dieser Punktwolke blitzschnell die richtigen Schlüsse gezogen werden“, sagt Robert Klarner, der beim DLR für das Technologiemarketing zuständig und Product Owner von DriveMark ist. Denn ungeachtet der famosen Vorarbeit der Sensoren fehlt den von ihnen erkannten Punkten die exakte Position im Raum – eine Unschärfe, die man beim hochautomatisierten oder auch autonomen Fahren nicht brauchen kann. Es mangelt an extrem exakten Bezugspunkten, durch die Sensordaten und 3D-Stadtkarten erst wirklich präzise und damit verlässlich werden. Genau die liefert DriveMark. „Damit erschließt sich eine neue Welt der HD-Karten“, sagt Projektleiter Hartmut Runge und spricht von einer Revolution für digitale Straßenkarten. Ganz nah ran an das Straßengeflecht auf der Erde kommen die DLR-Forscher durch Fernerkundung mit Radarsatelliten. „Letztlich ist das Prinzip, auf das wir zurückgreifen, alt“, erklärt Runge. „Früher nutzte man markante Punkte wie Bergspitzen oder Kirchtürme, um sich zu orientieren. Wir nutzen per Satellit Landmarken wie Verkehrszeichen, Ampel- und Lichtmasten sowie Leitplanken und Schilderbrücken, deren Positionen automatisiert hochpräzise erfasst werden.“ Diese unverrückbare Straßenmöblierung nennen Runge und sein Team nicht mehr Landmarken, sondern passenderweise „drive­marks“, womit auch der Projektname erklärt ist. Das Radar der Satelliten kann diese Fixpunkte aus Metall durch ein spezielles Rückstrahlverhalten bestens erkennen, ein Netz von Passpunkten (Ground Control Points) spinnen und diese wiederum mit optischen Daten verschneiden, woraus ein Gesamtbild der Straßen entsteht. Es endet nicht, wie üblich, ein paar Meter abseits der Straße, sondern erfasst die ganze Bebauung entlang der Verkehrswege – was für die Interpretation im Fahrbetrieb mehr als hilfreich ist.

Bislang existiert kein weiterer Ansatz, der auf Radargeodäsie, also der Vermessung mittels Radardaten, basiert. Runge verweist darauf, dass damit autonome Autos in Straßenschluchten und anderen Situationen, wenn die Satellitennavigation per GPS aussetzt, nicht erblinden, sondern weiter präzise unterwegs sein können. „Wenn die Kameras des Autos Landmarken anvisieren, können sie unabhängig von Satelliten die eigene Position bestimmen. Das erhöht die Sicherheit, weil man zwei Navigationssysteme hat“, unterstreicht Projektleiter Runge. Die Daten liefern die beiden Satelliten TerraSar-X und TanDem-X, die aus 500 Kilometern Höhe inzwischen mehrmals komplette digitale Geländemodelle der gesamten Erde erstellt haben und jederzeit zügig das Material für die Vermessung von Verkehrswegen liefern können. Binnen weniger Sekunden nehmen sie Bilder von einer 30 mal 70 Kilometern großen Fläche auf. Den DLR-Forschern ist es gelungen, dass ihr Verfahren automatisiert eine Präzision liefert, das Autohersteller erfreuen dürfte: „Wir können einzelne Landmarks mit einer absoluten Genauigkeit von bis zu zwei Zentimetern verorten“, berichtet Hartmut Runge. Die Anforderungen der OEMs liegen für das autonome Fahren bei rund zehn Zentimetern. Abgesehen davon liefere DriveMark in der Draufsicht von oben absolut konsistente und vergleichbare Daten, die unabdingbar für die Fusion zu stimmigem Kartenmaterial sind. Und das weltweit. „Gerade Autohersteller, die auf den Premiumleitmärkten in Asien, am Golf oder in Nordamerika unterwegs sind, kommen HD-Maps aus diesen Regionen sehr entgegen“, betont Robert Klarner. Denn Mobile Mapper, also Autos zur Erfassung, mal schnell durch den letzten Winkel Chinas zu schicken, ist mehr als aufwendig. „Was OEMs benötigen, sind geprüfte, valide Daten. Reine Routingdaten, die heute für die Streckennavigation genutzt werden, taugen nicht, um Fahrzeuge autonom zu steuern“, stellt der DLR-Experte klar.

Künftig werden Karten immer seltener für Menschen lesbar sein müssen, weil Autos ihnen schlicht die Fahraufgabe abnehmen werden. Maschinelle Lesbarkeit wird das große Thema sein und eine nie dagewesene Auflösung, so dass Karten als eine Art erweiterter Sensor dienen können. Daher spricht Klarner bei DriveMark gern von „Next Generation Maps“, die nun entstehen, und autonomen Fahrten auf den Stufen drei bis fünf einen entscheidenden Push geben dürften. Umso mehr, da es nun möglich wird, sogar Straßenmarkierungen und andere Details zu erfassen. So kann die Spur noch sicherer gehalten werden und das autonome Auto weiß beispielsweise, wo der durchgezogene Mittelstrich einer Straße endet, und kann sich auf einen Überholvorgang vorbereiten. „Die Verschmelzung von georeferenzierten Straßenkarten mit den Umgebungsdaten, die die Fahrzeugsensoren liefern, sorgt für neue Möglichkeiten, um Veränderungen entlang der Straße sofort zu erkennen, etwa Baustellen oder Hindernisse“, betont Robert Klarner. Werden autonome Autos per Crowdsourcing sämtliche Veränderungen entlang ihrer Route an einen Backendserver tickern, lassen sich äußerst dynamische Umgebungsinfos gewinnen und die Basiskarte hochaktuell anpassen.

Als das Forschungsvorhaben noch in den Kinderschuhen steckte, wurde Hartmut Runge bereits im Jahr 2013 mit dem BMW ConnectedDrive Challenge Award des europäischen Copernicus-Masters-Wettbewerbs ausgezeichnet. Jetzt ist Drive­Mark reif für die Straße. Gespräche mit Kartenherstellern, OEMs und Zulieferern über Lizenzierungen laufen. Von Here & Co. ist freilich nichts zu hören. Denn der DLR-Ansatz könnte auf Dauer ihr Geschäftsmodell, das auf müßigem irdischen Vermessen von Verkehrswegen fußt, torpedieren. Klarner gibt sich bescheidener und spricht von einer „Anreicherung“ für bestehende Methoden, die helfen könne, „die räumliche Genauigkeit auf den Punkt zu bringen“.

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