Hinter dem Begriff „DeltaGen Real Drive“ verbirgt sich die 3D-Simulation eines Fahrzeugmodells, das sich von einem realen Fahrer durch eine immersive 360°-Umgebung steuern lässt. Der Tester nimmt hierbei Platz in der sogenannten „Sitzkiste“, einem mit Pedalen und einem Lenkrad, das haptisches Feedback bereitstellt, ausgerüsteten Fahrzeugsitz. Auf einem durch Großflächenprojektoren erzeugten Bild kann der Fahrer nun das Modell eines Fahrzeugs über eine virtuelle Teststrecke lenken. Im Falle des bei BMW integrierten Systems findet die optische Ausgabe ebenso wie bei einer für den Konkurrenten Volvo realisierten Lösung auf einem Würfel aus Bildschirmen statt, die den Fahrersitz komplett umschließen. Durch eine Schnittstelle zur IPG-Software „Carmaker“ simuliert das System nun das Zusammenspiel physikalischer Eigenschaften des Testfahrzeugs im Zusammenspiel mit der befahrenen Strecke und schlägt somit eine Brücke zwischen der Virtualisierung eines Fahrzeugmodells und der Simulation der jeweiligen Fahrdynamik. Der virtuelle Bolide legt also nahezu exakt diejenigen Fahreigenschaften an den Tag, die ein entsprechender Prototyp auf der jeweiligen Strecke auch ausweisen würde.
Bei der Entwicklung und Nutzung von „DeltaGen Real Drive“ steht allerdings mehr als nur der virtuelle Fahrspaß im Vordergrund. Vor allem in der Entwicklung neuer Modelle soll die Technologie zum Einsatz kommen um visuelle und funktionale Analysen im frühen Stadium der Modellgestaltung zu ermöglichen. Primärer Fokus liegt hierbei auf der Sichtanalyse des Fahrers. Dieser trägt in der „Sitzkiste“ eine 3D-Brille mit Trackingfunktion, über die Daten zur Blickrichtung des Fahrzeuglenkers und dessen Sichtfeld erhoben werden. Je nachdem, in welche Richtung die Blicke des Piloten nun wandern, passt sich auch das auf die Leinwand projizierte Bild an. Durch die Nutzung einer derartigen Technologie lässt sich für Fahrzeugentwickler etwa frühzeitig erkennen, inwieweit Teile der Karosserie (etwa B- und C-Säulen) den Blick des Fahrers einschränken. Prototypisch kann hierzu ein Wendemanöver oder Einparkvorgang simuliert werden, in dessen Verlauf erkannt werden kann, wie groß der blinde Winkel des Fahrers ausfällt. Ebenfalls lässt sich im Falle des „DeltaGen Real Drive“ die Wirkungsweise von Fahrerassistenzsystemen simulieren, die über zusätzliche Hardwarekomponenten in das System integriert werden können. So lässt sich in der virtuellen Welt überprüfen, inwieweit Abstandstempomaten oder Spurwechselassistenten ihren Dienst in der Realität zuverlässig verrichten würden.
„Zur visuellen Darstellung werden CAD-Daten aus dem Produktentwicklungsprozess genutzt und in der Software RTT DeltaGen visualisiert. Die Bewegung der Fahrzeuge wird zur Laufzeit von IPG CarMaker simuliert. Zusätzlich ist auch eine offline-Nutzung der Simulationsergebnisdaten in DeltaGen Real Drive möglich. Dabei läuft zuerst die Simulation in CarMaker. Anschließend können die Ergebnisdaten zur Wiedergabe in DeltaGen Real Drive importiert werden.“ erklärt Jan Bodenstein, Teamleiter visuelle Simulation, Design & Engineering Solutions bei RTT, die Funktionsweise des Systems, das durch eine Echtzeit-Mehrkörpersimulation das Zusammenspiel zahlreicher Fahrzeugelemente abbilden kann.
Der Einsatz „DeltaGen Real Drive“-Technologie könnte derweil auch in anderen Bereichen Einsatz finden: „Ein Feld das Ausbaupotential birgt für die realistische Darstellung von Simulationsergebnissen durch 3D-Visualisierung sind Testfahrten um zum Beispiel ein Fahrzeug im Grenzbereich zu bewegen, was derzeit eingeschränkt möglich ist. Weitere Anwendungsmöglichkeiten birgt der Bereich Content-Produktion, etwa für Filme zur Produktvorstellung oder im Bereich der funktionalen Präsentation. Darüber hinaus sind bei unseren Kunden weitere potentielle Anwendungsfälle in Evaluierung.“ erklärt Bodenstein. Auch die Möglichkeit, den jeweiligen Fahrstil in Form eines haptischen Feedbacks im Sitz am eigenen Leib zu erfahren, ist bei RTT derzeit in Entwicklung. Für Gaming-Begeisterte hat Jan Bodenstein allerdings schlechte Nachrichten – eine Vermarktung des „DeltaGen Real Drive“-Systems an Endkunden ist nicht vorgesehen.
Autor: Werner Beutnagel