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Die Startup-Gründer Tom Kirschbaum und Maxim Nohroudi denken Mobilität neu. (Bild: Door2door)

Zwei kreative Weiterdenker, eine Frage: „Wie gelingt es, dass sich die Menschen nicht mehr nach den Angeboten des Nahverkehrs richten müssen, sondern umgekehrt – der Nahverkehr richtet sich danach, wo die Menschen hinwollen?“ Maxim Nohroudi und Tom Kirschbaum grübelten und gründeten ihre Firma Door2door, als sie eine Antwort auf diese Frage fanden, die das Fundament des Unternehmens sein würde: „Wir brauchen Kooperation und Vernetzung – mit Ridesharing- und On-Demand-Angeboten, die auf Abruf bereitstehen.“ Mittel zum Zweck ist ein eigenentwickelter Softwarebaukasten, der sich je nach Region und vorhandenen Transportmöglichkeiten individuell auf die Bedürfnisse vor Ort zuschneiden und leicht integrieren lässt. Tragende Säule ist der im August 2016 gestartete Ridesharing-Dienst namens Allygator Shuttle – eine moderne Variante des Sammeltaxis. Kleinbusse befördern mehrere Fahrgäste mit ähnlichem Weg. Ein Algorithmus sorgt dafür, dass die Shuttles optimal ausgelastet sind und die Passagiere möglichst rasch ans Ziel kommen. Fixe Haltestellen oder Fahrpläne gibt es nicht, gerufen wird das Sammeltaxi per App, gefahren wird von Tür zu Tür. Die Devise des Startups: „So günstig wie der Bus – so komfortabel wie eine Limousine.“ Und nicht teurer als Öffis.

Die Vision trägt weit: Nohroudi und Kirschbaum wollen Privatwagen vollständig aus den Städten verbannen. Die Gründer berufen sich auf Studien der OECD, wonach 3000 Shuttlebusse 97 000 Autos ersetzen und – noch einen Schritt weiter – selbstfahrende Taxis 90 Prozent des Individualverkehrs in den Städten übernehmen können. Bedingung: Sie müssen in den bestehenden, öffentlichen Nahverkehr integriert sein. Genau danach strebt Door2door, weshalb das Startup mit seiner Technik Städte zum selbstverantwortlichen Enabler einer neuen Mobilität machen möchte. Das unterscheidet die Berliner von anderen Anbietern, die mit eigener Software und eigenen Fahrzeugen Geld verdienen wollen. Door2door wird lediglich an Softwarelizenzen und Beratung partizipieren. „Kommunen möchten die Hoheit über die Plattform haben und sich nicht von Dritten abhängig machen. Schon gar nicht, wenn diese auf Gewinnmaximierung aus sind“, sind die Gründer überzeugt. Verkehrsgesellschaften in den Verwaltungen wollen selber entscheiden, wie Mobilität in ihrer Stadt organisiert wird. Sie wissen am besten, wie man neue Sharingdienste mit dem ÖPNV verbinden kann.

Mit einem schlauen Sammeltaxi-Algorithmus ist es nicht getan: Deshalb hat das Startup ein Baukastensystem mit drei Softwarekomponenten entwickelt. Neben dem Sammeltaxi-Routing wird ein Tool zur Datenanalyse offeriert, mit dem sich feingranular Transportbedarfe erkennen lassen, um das urbane Mobilitätsangebot besser zu steuern. Als dritten Baustein gibt es eine Routenplaner-App, mit der Nutzer optimal multimodal unterwegs sind. Das Städtchen Freyung im Bayerischen Wald steht kurz vor dem Launch der Lösung, Berlin und Duisburg sind die ersten Anwender, die auf diese Weise ihre eigenen Mobilitätsplattformen betreiben. „In der angesetzten Testphase wollen wir und die Duisburger Verkehrsgesellschaft zeigen, dass der ÖPNV heute problemlos mit dem eigenen Pkw konkurrieren kann und ihm in puncto Komfort und Flexibilität in nichts nachsteht“, sagt Kirschbaum. Auf den Geschmack gekommen ist auch der ADAC, der Anfang des Jahres in Berlin eine Kooperation mit Door2door geschlossen hat. Der Service Allygator Shuttle mit 25 Fahrzeugen – neben Kleinbussen auch einige BMW i3 – wird weiter ausgebaut.

Jeden Freitag und Samstag zwischen 17 und ein Uhr werden Fahrgäste innerhalb des Berliner S-Bahn-Rings von Tür zu Tür kutschiert. Bislang wurden dafür schmale fünf Cent pro Kilometer erhoben, um rechtlichen Hürden aus dem Weg zu gehen. Nach dem Personenbeförderungsgesetz wären eigentlich Lizenzen und Konzessionen für den Betrieb notwendig. Auf Dauer ist diese Art des Dumpings aber keine Lösung und mobile Umsonstkultur schon gar nicht. Doch in der frühen Phase geht es jetzt erstmal dar­um, die Idee in der Praxis zu testen – wovon auch der ADAC profitieren will. „Wir möchten aus Kooperationen wie mit Door2door lernen. Uns ist es wichtig, Erfahrungen zu sammeln, wie neue Mobilitätsangebote im urbanen Umfeld funktionieren, wie sich Nutzerverhalten entwickelt und welche Ableitungen sich für die individuelle Mobilität insbesondere junger Menschen ergeben“, sagte ADAC-Geschäftsführer Alexander Möller anlässlich der vereinbarten Zusammenarbeit. „Schon heute sind wir in großen Städten immer komplexeren Mobilitätsfragen und Herausforderungen ausgesetzt, denen es intelligente Angebote entgegenzusetzen gilt. Das betrifft Emissionen ebenso wie Verkehrsaufkommen oder die Parkraumbewirtschaftung“, so Möller.

Das Tool Door2door Insights soll Informationen für ein besseres Verständnis der Leistungsfähigkeit städtischer Verkehrssysteme liefern, indem es Lücken bei Mobilitätsangeboten ausfindig macht sowie versucht, Nachfrage und Angebot in Einklang zu bringen. Um zu erkennen, wann und wo welche Wege zurückgelegt werden, wertet Door2door unter anderem Daten aus Suchanfragen aus, etwa auf Portalen von Verkehrsbetrieben, dazu GPS-Positionen von Autos und Mobilfunkdaten. Das ist die Basis, um Rideshare-Angebote zu simulieren und passgenau zu planen. Mit Door2door Connect können Nutzer per App sehen, wie sie am schnellsten in der Stadt von A nach B kommen. Nicht nur urbane Hipster fahren auf neue Mobilitätsangebote ab, sondern auch über 60-Jährige greifen gerne zur App, um ein Shuttle zu ordern. Für die Gründer ein Beleg dafür, dass das Auto als Must-have und Statussymbol zumindest in Städten langsam an Bedeutung verliert. Spätestens dann, wenn Shuttles autonom unterwegs sein werden und damit ein neues Komfortniveau erreicht wird, könnte eine neue Ära beginnen: „Wir hoffen, bald erste autonome On-Demand-Rideshare-Shuttles probeweise auf die Straße bringen zu können“, blickt Nohroudi in die Zukunft.

Autor: Chris Löwer

 

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