
ist Traceability in Deutschland für die Autoindustrie noch nicht, im Gegensatz etwa zum Bereich Medizin: „Wenn ein Herzschrittmacher aussetzt, dann ist das fatal“, erläutert Rudl. Aber ähnliche Sicherheitsrisiken gibt es auch beim Auto. Rudl: „Ein Riesenthema für Traceability sind Airbags und Bremsen.“ Die meisten OEMs, darunter alle deutschen Premiumhersteller, haben heute Normen für ihre Zulieferer, die eine Rückverfolgbarkeit oft verpflichtend machen. „Bei sicherheitsrelevanten Teilen wie Bremsen, Airbags oder Lenkungsbaugruppen ist Traceability ein Muss“, sagt Rainer Deisenroth von der Geschäftsleitung der MPDV Microlab. „Allerdings wird das häufig manuell mit Papier und sehr aufwendig gelöst.“ Die Durchdringung von IT-Lösungen ist noch zu gering und bietet ein großes Einsparpotenzial, hat man beim Anbieter Guardus festgestellt. Die Traceability von Produkten ist speziell in der diskreten Fertigung ein Thema, in der einzelne Stücke nachverfolgt werden können – nicht in der Prozessfertigung, wo es eher um Mengen (etwa bei Flüssigkeiten) geht. Die Produkthaftung ist da nur ein – allerdings wesentlicher – Aspekt, aber Traceability kann mehr. Die Qualitätsansprüche steigen ständig, Fehlervermeidungsstrategien sind daher oberstes Gebot und ein echtzeitfähiges System im MES (Fertigungsmanagement) mit Traceability-Funktion kann nicht nur Fehlerursachen ermitteln, sondern auch Fertigungsabläufe transparent machen. Es stellt blitzschnell fest, ob etwa das Problem ein Produkt- oder ein Prozessfehler ist. Das ist eine wichtige Grundlage, um zukünftige Fehler vermeiden zu können.
Zentrale Fragen der Traceability lauten: Mit welchem Fertigungsauftrag, wann, an welchen Maschinen, mit welchen Qualitäts- und Messdaten und unter Verwendung welcher Zuliefererchargen und Baugruppen wurde das Produkt gefertigt? Um das jederzeit und schnell feststellen zu können, erhält jeder einzelne Artikel, die Baugruppe oder die Charge eine Codenummer. Bei elektronischen Geräten für die Autoindustrie ist zum Beispiel die Identifizierung nach Chargen üblich. Das ist datenmäßig ein immenser, aber kaum vermeidbarer Aufwand. „Bei größeren Unternehmen und 600 bis 700 Arbeitsplätzen können schon ein bis zwei Gigabyte Daten täglich anfallen“, schätzt Rudl. Zudem müssen die Daten über lange Zeit verfügbar sein, idealerweise über die gesamte Lebensdauer des Produktes. Diesen Aufwand und die Kosten scheut noch mancher Zulieferer, obwohl meist schon die erste Rückrufaktion noch teurer wird. Vor allem aber sind die gewonnenen Daten auch eine hervorragende Grundlage etwa für die Qualitäts- und Produktionsverbesserung bis hin zur Einführung einer Null-Fehler-Strategie. Es gibt zwei Wege der Traceability: Rückverfolgbarkeit zum Kunden (downstream) und Rückverfolgbarkeit zum Hersteller (upstream). In manchen Fällen sind beide Wege gefordert, wie Rainer Deisenroth erklärt: „Wird ein schadhaftes Produkt beim Verbraucher entdeckt, muss upstream ermittelt werden, aus welchen Eingangschargen das Endprodukt hergestellt wurde. Danach wird downstream gesucht, ob und in welche Prozesse diese Eingangschargen eingeflossen sind. Damit kann ermittelt werden, welche weiteren Endprodukte präventativ gegebenenfalls über eine Rückrufaktion ausgetauscht oder repariert werden müssen.“
Autor: Gert Reiling
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