KI_Pilotprojekte

Dezente Zurückhaltung ist angesagt: Knorr-Bremse etwa arbeitet am Thema künstliche Intelligenz und geht davon aus, in ein, zwei Jahren etwas dazu sagen zu können. Auch bei der Dr.-Schneider-Unternehmensgruppe steckt KI noch zu sehr in den Kinderschuhen, um darüber zu reden. Aus Sicht von Eberspächer ist es zu früh, konkrete Beispiele zeigen zu können, bei Magna gibt es erst einige wenige Use Cases, meist im Bereich (Big) Data Analytics.

Etwas konkreter sieht es bei Freudenberg aus. Gerade im Bereich der Produktion geht man Optimierungen auf Basis von Machine Learning und KI an. Zwar sind es noch Pilotprojekte, doch aus Sicht des Technologieunternehmens und Automobilzulieferers ist das nur der Anfang. Ein Beispiel ist die Relation zwischen Maschinenparametern und Produktqualität: „Die Qualität bestimmen hunderte Parameter, die sich gegenseitig beeinflussen. Für das menschliche Auge lässt sich da häufig kein Zusammenhang herstellen. Für solche Problemstellungen bieten sich selbstlernende Algorithmen an“, meint Jörg Ude, Plattformkoordinator Digitalisierung bei Freudenberg. Perspektivisch könnten Maschinen sogar lernen, sich selbst optimal einzustellen.

Deshalb hat man eine Strategie entwickelt, wie das Thema KI konkret angegangen werden soll. „Wir wollen verstehen, was diese Technologie für uns leisten kann, und wie“, stellt Sabrina Hartmann fest, Technologie-Scout Digitalisierung bei Freudenberg Technology Innovation. Dafür habe man externe Unterstützung hinzugezogen und arbeite mit dem Deutschen Forschungszentrum für künstliche Intelligenz (DFKI) zusammen. Als Auftakt gab es eine Veranstaltung, auf der Informatikprofessor und DFKI-Standortleiter Andreas Dengel aus Kaiserslautern einem breiten Publikum erklärte, was KI kann – und was nicht. In Workshops ging es dann konkret darum, welche akuten Schmerzpunkte über KI gelöst werden könnten. Zudem wurde evaluiert, welche neuen Geschäftsmodelle sich für das Unternehmen auf Basis dieser Technologie erschließen lassen.

„Dieses Event hat sehr viel Interesse in unterschiedlichen Bereichen erzeugt“, erinnert sich Ude. Mit einer Delegation sah man sich Labs und Use Cases im DFKI an und entwickelte dann eine Strategie für das weitere Vorgehen. Es folgte ein Pitch Day, für den alle im Konzern Vorschläge und Ideen einreichen und vorstellen konnten. Drei DFKI-Experten gaben direkte Rückmeldung, ob und wie aufwendig sich der Vorschlag umsetzen lässt, ob es sich dabei um ein Forschungsthema handelt oder es bereits kommerzielle Lösungen gibt. So entstand eine lange Liste mit Ideen aus allen Bereichen. „Finance macht sich beispielsweise Gedanken, wie sich Planung und Prognosen automatisieren und mit Marktentwicklungsdaten verbinden lassen“, berichtet Sabrina Hartmann.

Auch eine noch bessere, automatisierte Zuordnung von Rechnungen anhand von Bilderkennung ist im Gespräch. Im Bereich Entwicklung diskutiert man, ob KI Unterstützung bei den vielfältigen Aufgaben bieten kann. Um das Freudenberg-interne Data-Science-Netzwerk zu stärken, steht aktuell eine vertiefende praktische Schulung zum Thema Machine Learning/Deep Learning an. „Das Thema KI wird in Zukunft hohe Relevanz haben. Für uns ist es wichtig, Anwendungsfälle zu finden, die uns einen Mehrwert liefern, in der Verbesserung unserer internen Prozesse oder in der Etablierung neuer Geschäftsmodelle“, meint Jörg Ude.

Auf der Schwelle zur Praxis

KI befindet sich gerade auf der Schwelle zwischen Probierstadium und tatsächlicher breiter Anwendung, die voraussichtlich in ein bis drei Jahren erreicht sein wird, glaubt man beim Automobilzulieferer Brose. KI-Systeme werden derzeit gleich in mehreren Gebieten erprobt. Zum Beispiel nutzt die Produktion maschinelles Lernen für Robotersteuerung oder Qualitätssicherung – Letzteres etwa bei der Schweißnahtanalyse oder der Akustikprüfung, berichtet Unternehmenssprecher Christian Hößbacher. Im Logistikbereich überprüfen optische Systeme die Sauberkeit von Kleinladungsträgern, der Einkauf greift unter anderem auf künstliche Intelligenz zurück, um Verhandlungspotenziale zu identifizieren. Außerdem wird daran gearbeitet, KI in mechatronischen Produkten einzusetzen, um vorhandene Funktionen zu verbessern – und neue zu ermöglichen.

Die Nutzung von KI wirkt sich auch indirekt aus: Prozesse werden zunehmend durchgängig gestaltet und digitalisiert, damit sie von maschineller Datenanalyse profitieren können. „Erste Erfahrungen zeigen: Deep Learning ist ein sehr vielfältig einsetzbares Werkzeug. Zudem vereinfachen ausgereifte Software sowie neuronale Netze die Arbeit erheblich und erhöhen die Produktivität. Jedoch ist einiges an Erfahrung und Kompetenz notwendig, um Deep Learning wirklich effizient einsetzen zu können“, stellt Hößbacher fest.

Die Experten bei Brose sind sich sicher: Durch Deep Learning kann eine große Vielfalt von Datenanalyseproblemen angegangen werden, die mit regelbasierten Verfahren und klassischen KI-Ansätzen nicht wirtschaftlich lösbar waren. Das betrifft insbesondere die Analyse von optischen und akustischen Daten. Verfügbarkeit, Zugänglichkeit und Qualität von Daten sind aus Sicht von Hößbacher die größten Hürden beim Nutzen von Deep Learning. Außerdem müssten Trainingsdaten für KI häufig zunächst durch einen Menschen bewertet werden. Zusätzlich könne die Vielfalt der möglichen Herangehensweisen an eine bestimmte Aufgabe auch hinderlich sein, denn für die Auswahl des besten, also effizientesten Vorgehens sei einiges an Knowhow nötig.

Brose begegnet diesen Herausforderungen neben dem eigenen Kompetenzaufbau durch den Erfahrungsaustausch in Netzwerken mit anderen Unternehmen und Forschungsinstitutionen. Außerdem müsse man nicht alle Lösungen selbst erarbeiten, meint der Unternehmenssprecher, denn es gebe viele Lieferanten mit guten Ansätzen. „Dabei ist ein guter Überblick über das vorhandene Angebot notwendig – und wir müssen bewerten können, welcher Dienstleister für das jeweilige Problem der richtige ist“, so Hößbacher.

Bilder: iStock/Fahron, Brose Illustrationen: Andreas Croonenbroeck

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