
Die Mobilität in Städten wird sich künftig auch vermehrt in der dritten Dimension abspielen. Das Modellprojekt „Urban Air Mobility“ soll den Weg für autonome Passagierdrohnen ebnen. (Bild: Italdesign)
Wer nach den Sehenswürdigkeiten von Ingolstadt Ausschau hält, landet auf seiner Erkundungstour schnell beim Kreuztor, dem Herzogskasten oder der Franziskanerbasilika. Doch bald könnte sich auch ein Blick gen Himmel lohnen: Die Stadt an der Donau bringt sich als innovatives Testfeld für Mobilitätstechnologien in der dritten Dimension in Stellung.
Ingolstadt ist mit 14 weiteren europäischen Kommunen wie etwa Hamburg, Genf oder Brüssel seit Juni 2018 Teil der von der EU unterstützten „Urban Air Mobility-Initiative“. Neben der Bundesregierung sowie dem Freistaat Bayern haben die Stadtoberen auch Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft an einen Tisch geholt.
In praktischen Studien möchten die Akteure künftig den Einsatz von digitalen und autonomen Fluggeräten erforschen. Die Bevölkerung wird in das Projekt aktiv miteinbezogen, um Lärm- und Sicherheitsbedenken im Vorfeld auszuräumen. Mögliche Einsatzgebiete der Multicopter sind unter anderem die Bereiche Logistik, Rettungswesen, oder die Personenbeförderung – Stichwort Flugtaxi.
Doch während Digitalministerin Dorothee Bär für ihre Flugtaxi-Fantasien jüngst noch reichlich Spott erntete, ist die Vorstellung von autonomen Passagierdrohnen nicht völlig aus der Luft gegriffen: Zwar werde der globale Markt nach Einschätzung des Beratungsunternehmens Roland Berger mit weltweit 3.000 Passagierdrohnen im Jahr 2025 überschaubar sein. In den Folgejahren könnte er aber exponentiell wachsen, da Anschaffungs- und Betriebskosten der autonomen Fluggeräte im Vergleich zu Hubschraubern deutlich günstiger seien.
Die Studienautoren rechnen damit, dass die neue Flugzeuggeneration zu Beginn vor allem in Form von Shuttles – von und zum Flughafen – sowie für den Verkehr innerhalb und zwischen Städten eingesetzt wird. „Passagierdrohnen können den innerstädtischen Mobilitätsmix neu gestalten“, erklärt Roland Berger-Partner Tobias Schönberg. „Mit den geeigneten Rahmenbedingungen könnten sie die oft überfüllten Verkehrsnetze entlasten.“
Passagierdrohnen im Aufwind
Vom Marktpotenzial der autonomen Flugobjekte sind auch zahlreiche Unternehmen überzeugt. An Urban Air Mobility sind unter anderem Autobauer Audi und der europäische Flugzeughersteller Airbus beteiligt. Auf dem letztjährigen Autosalon in Genf haben die beiden Akteure gemeinsam mit dem Designunternehmen Italdesign bereits die Mobilitätsstudie „Pop.Up Next“ vorgestellt.
Aus Sicht der Verantwortlichen eigne sich Ingolstadt und die Region hervorragend für die ersten Flugversuche. Mit Audi und Airbus seien schon mal zwei internationale Mobilitätsunternehmen am Standort vertreten. Zudem lege die Technische Hochschule Ingolstadt einen Schwerpunkt auf die Themen Mobilität, autonomes Fahren und KI.
Jüngster Partner im Modellprojekt ist die Deutsche Bahn (DB). Für sie liegt das Potenzial von Drohnen vor allem in einer schnellen und effizienten Inspektion des Streckennetzes. Ziel ist es, die Multicopter rasch „außer Sicht“ fliegen zu lassen, das heißt ohne Blickkontakt zum Fluggerät. Die DB lässt seit 2015 regelmäßig Drohnen aufsteigen, um beispielsweise Flora und Fauna an den Gleisen zu inspizieren.
„Wenn wir außer Sicht fliegen könnten, wären wir etwa bei Störungen deutlich schneller in der Lage, die Ursache zu identifizieren und entsprechend zu reagieren. Das wollen wir im Urban Air Mobility-Testfeld mit den anderen Partnern erproben“, betont Sabina Jeschke, DB-Vorstand für Digitalisierung und Technik.
Trotz aller bisherigen Erfolgsmeldungen blickt man in Ingolstadt mit Spannung auf die Versteigerung der 5G-Lizenzen. Die neue Mobilfunktechnologie sei ein wesentlicher Faktor für autonomes Fahren und Fliegen, insofern spiele sie auch in den Überlegungen zu Urban Air Mobility eine wichtige Rolle, heißt es aus der Pressestelle der Stadt. Womöglich werden doch noch einige Interviews von Dorothee Bär ins Land gehen, bis die erste autonome Passagierdrohne gen Himmel steigt. Ein Anfang ist aber gemacht.