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Der eigene People Mover der Bahn-Tochter Ioki verkehrt in Bad Birnbach. (Bild: Deutsche Bahn)

Kaum ein Unternehmen hat die Mobilität in Deutschland so geprägt wie die Deutsche Bahn. Rund 6,5 Millionen Menschen nutzen täglich die mehr als 24 000 Züge, die die DB alleine zur Beförderung von Personen auf die Schiene bringt. Ein Jahresumsatz von 40,6 Milliarden Euro im Jahr 2016 zeigt deutlich die finanzielle Schlagkraft des Unternehmens. Doch das Geschäft auf der Schiene reicht dem ehemaligen Staatskonzern nicht mehr: Die Deutsche Bahn wagt sich nun auch an neue Mobilitätslösungen auf der Straße. Unter anderem mit der Mobilitätstochter Ioki, die in Frankfurt am Main 40 Mitarbeiter beschäftigt. „Zu unserem interdisziplinären Team zählen Verkehrsexperten genauso wie Softwareentwickler und Produktdesigner“, erklärt Ioki-Geschäftsführer Michael Barillère-Scholz. Kernaufgabe des Spin-off: neue Angebote entwickeln und Anwender zum Betrieb befähigen.

Unter anderem analysiert Ioki dafür den Bedarf von Städten, Kommunen und Verkehrsunternehmen und hilft ihnen bei behördlichen Genehmigungsprozessen. Der Schienenverkehr spielt dabei zwar eine gewichtige Rolle, stellt allerdings nur einen der Mobilitätsträger dar, die Ioki im Auge hat. „Unser Ziel ist es, Mobilität für alle flexibel zugänglich zu machen – überall, zu jeder Zeit, egal ob in Me­tropolen oder auf dem Land, und zwar ohne eigenes Auto“, so Barillère-Scholz. „Dafür ist es nötig, die Entwicklung des individuellen öffentlichen Verkehrs voranzutreiben. Hier unterscheiden wir uns auch von anderen Angeboten, denn Ioki entwickelt bedarfsgerechte Mobilitätsangebote, die in den ÖPNV eingebettet sind.“ Alle Systembausteine kommen aus einer Hand: On-Demand-Plattformen, Mobility Analytics oder (autonome) Fahrzeugkonzepte.

Ein neuer Mobilitätsträger von Ioki verkehrt im bayrischen Bad Birnbach. Dort hat das Team gemeinsam mit der örtlichen Gemeinde, dem Landkreis Rottal-Inn, dem TÜV Süd und dem französischen Fahrzeughersteller EasyMile einen autonomen Shuttleservice auf die Straße gebracht. Bislang verkehrt der Peoplemover zwischen drei Haltestellen über eine Gesamtstrecke von 660 Metern. Zwischen zehn und 18 Uhr stehen zwei Fahrten pro Stunde an, für jede Strecke benötigt das autonome Fahrzeug rund acht Minuten. Im Pilotprojekt überschreiten die Fahrzeuge eine Geschwindigkeit von 15 km/h nicht, technisch wären jedoch 40 Stundenkilometer machbar. Um die Sicherheit der Fahrzeuge weiter zu erhöhen, sind menschliche Fahrer an Bord, die im Fall einer Gefahr in die Steuerung der Shuttles eingreifen können. Unter anderem ist dies der Fall, wenn ein Hindernis die vorab festgelegte Strecke blockiert. Automatische Ausweichmanöver übernimmt das Shuttle in Bad Birnbach nicht, stattdessen muss der menschliche Fahrer den Peoplemover wieder auf den rechten Pfad bringen. Die Stromversorgung des Kleinstbusses mit Platz für sechs Fahrgäste stellt im Projekt der Bahn kein Problem dar: Die Batterie des mit Lidar, Kamera und GPS ausgerüsteten EasyMile EZ10 hält laut Bahn rund 14 Stunden. Ein Ausbau des Mobilitätsangebotes ist bereits geplant: Ab 2018 soll eine Linie mit zwei Kleinbussen das Ortszentrum Bad Birnbachs mit dem örtlichen Bahnhof verbinden.

Nicht nur autonome Fahrzeuge spielen in der Strategie der Bahn eine Rolle, sondern auch der Bereich des Car- und Ridesharings. Neben dem stationsbasierten Service Flinkster, der unter anderem von Car2go-Kunden mitgenutzt werden kann, entwickelt Ioki auch On-Demand-Services, die etwa in Frankfurt am Main erprobt werden. Hier können Mitarbeiter per Smartphone-App Fahrten buchen und sich zu einem der 32 städtischen Standorte der Bahn chauffieren lassen. Fahrgäste auf ähnlichen Routen können mit Hilfe der von Ioki entwickelten Lösung Fahrten gemeinsam antreten. Zum Einsatz kommen im Frankfurter Pilotprojekt nicht nur konventionelle Autos: Zur Testflotte aus 13 Fahrzeugen zählen zwei Elektrokleinbusse sowie fünf elektrisch angetriebene Tuk-Tuks – dreirädrige Kleinstfahrzeuge mit offenen Seitenwänden. Bereits kurze Zeit nach dem Pilotprojekt in Frankfurt kündigte die Deutsche Bahn im November 2017 eine Expansion des Dienstes an: Rund 100 ausgewählte Kunden im nordrhein-westfälischen Wittlich wurden für die Nutzung der Fahrzeuge ausgewählt und können seit Ende letzten Jahres auf den Dienst zurückgreifen. Zudem setzt Ioki 2018 im Rahmen der Smart-City-Partnerschaft mit der Freien und Hansestadt Hamburg einen fahrerbasierten On-Demand-Service um, der in den bestehenden ÖPNV integriert ist.

Dass die Deutsche Bahn inzwischen in ihrer Rolle als digitaler Mobilitätsdienstleister erste Autohersteller überholt hat, zeigte bereits 2017 der von carIT und dem Center of Automotive Management (CAM) erstellte Connected-Car-Innovation-Index: Hier rangiert der Konzern bereits vor Herstellern wie Tata, Honda, Hyundai oder Fiat Chrysler – vor der Gründung Iokis wohlgemerkt. Der Vorsprung von High Performern wie Daimler, BMW und Volkswagen ist jedoch beachtlich: Während das Spitzentrio einen Indexwert von 70 bis 80 Punkten erreicht, rangiert die Bahn mit 30 Indexpunkten am oberen Ende des Low-Performing-Spektrums. Ob die neuen Aktivitäten des Konzerns und der Tochter Ioki sich in Konkurrenz mit Playern aus der Automotive- und ITK-Branche bezahlt machen, wird der Connected-Car-Innovation-Index 2018 zeigen.

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