People Mover an einer Haltestelle in Karlsruhe.

Im Karlsruher Stadtteil Weiherfeld-Dammerstock konnten sich im Sommer 2021 Passagiere autonom von der Bahnhaltestelle zur Haustür kutschieren lassen. (Bild: EVA-Shuttle/Paul Gärtner)

Von den Versprechen des autonomen Fahrens könnte in Zukunft auch der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) spürbar profitieren. Mehr Komfort, mehr Sicherheit und geringere Kosten durch weniger Personaleinsatz erhoffen sich Städte und Kommunen durch die Automatisierung des Nahverkehrs. Vor allem in ländlichen Regionen könnten autonome Shuttles auf der „letzten Meile“ dafür sorgen, noch mehr Menschen Zugang zur Mobilität zu verschaffen. Und das scheint die Bevölkerung hierzulande auch zu wollen: Laut einer Befragung des Digitalverbandes Bitkom können sich gut drei Viertel die Nutzung von autonomen U- oder S-Bahnen sowie zwei Drittel den Einstieg in autonome Busse vorstellen – noch vor selbstlenkenden Privatautos oder Taxis.

Gleichzeitig könnten autonome Fahrdienste nicht nur zu mehr Komfort beitragen, sondern auch finanzielle Vorteile für ihre Nutzer bedeuten: Laut einer Analyse des Beratungsunternehmens McKinsey werden Robotaxi-Dienste zu Beginn der kommenden Dekade zu wettbewerbsfähigen Preisen möglich. Geteilte Fahrzeuge könnten pro Kilometer sogar rund 40 Prozent günstiger werden als private Pkw, prognostizieren die Berater. Damit sei der Nutzungspreis zwar immer noch 20 Prozent höher als derjenige eines privaten Pkw, allerdings lägen Roboshuttles etwa auf dem Preisniveau des öffentlichen Personennahverkehrs und etwa bei der Hälfte dessen, was Fahrgäste heute für Taxis oder Ridehailing ausgeben.

Wie kommt autonomer ÖPNV bei der Bevölkerung an?

Naheliegend, dass sich seit ein paar Jahren einige Städte und Gemeinden intensiver um das Thema autonome Mobilität kümmern. Ein Beispiel für die Erprobung autonomer Shuttles als Letzte-Meile-Konzept ist das EVA-Shuttle. Zwischen April und Juli verkehrten im Karlsruher Stadtteil Weiherfeld-Dammerstock drei selbstlenkende und elektrische Minibusse – landläufig auch People Mover genannt – zwischen einer Stadtbahnhaltestelle und der Haustür des jeweiligen Passagiers.

Das Mobilitätskonzept sollte den Projektpartnern Aufschluss darüber geben, wie elektrische und autonom fahrende Shuttles bei der Bevölkerung ankommen. An dem Forschungsprojekt sind neben dem FZI Forschungszentrum Informatik als Konsortialführer die Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK), der TÜV Süd, Bosch und die Deutsche-Bahn-Tochter Ioki beteiligt. Letztere stellt die Buchungs-App zur Verfügung, mit der potenzielle Mitfahrer eine Fahrt in den 20 km/h schnellen Minibussen on Demand buchen konnten.

Mann mit Rollator steigt in ein Shuttle
Bei Angeboten wie EVA-Shuttle können Nutzer Fahrten via App on-demand buchen. Trotz der Autonomie muss weiterhin ein Sicherheitsfahrer mit an Bord sein.

Und trotzdem der Start des Probebetriebs noch in eine kritische Phase der Coronapandemie fiel, schien das Interesse an dem Shuttle-Projekt durchaus hoch gewesen zu sein. Bis Ende Juni transportierten die Minibusse laut VBK knapp unter 1.100 Fahrgäste und absolvierten fast 700 Fahrten. „Damit haben wir die magische 1.000er-Marke gerissen und sind sehr zufrieden“, sagte VBK-Geschäftsführer Alexander Pischon. Nun gilt es für die beteiligten Projektpartner, den Abschlussbericht zu erstellen und die Frage zu beantworten, welchen Beitrag People Mover in Zukunft auch im großen Maßstab leisten könnten.

Neues Gesetz holt Shuttles aus dem Labor

Bislang mussten in autonomen Bussen wie dem EVA-Shuttle aufgrund der Rechtslage in Deutschland menschliche Sicherheitsfahrer mit an Bord sein, die im Notfall das Ruder übernehmen können. Das ändert sich nun durch ein Ende Juli in Kraft getretenes Gesetz, das den Regelbetrieb autonomer Fahrzeuge auf SAE-Level 4 ohne Sicherheitsfahrer schon ab kommendem Jahr im öffentlichen Straßenverkehr ermöglichen soll. „Deutschland wird mit dem neuen Gesetz zur neuen Nummer eins beim autonomen Fahren“, zeigte sich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer beim Launchevent der EVA-Shuttles Mitte April selbstbewusst. Es würde auch die Shuttles und People Mover endlich aus ihren „Laboren“ holen.

Welche Shuttle-Projekte gibt es in Deutschland?

Und solche Labore befinden sich längst nicht mehr nur in Weiherfeld-Dammerstock. Schon seit einigen Jahren schießen entsprechende Forschungsvorhaben für den autonomen Nahverkehr in Deutschland wie Pilze aus dem Boden. In Schleswig-Holstein probiert sich EasyMile mit dem NAF-Bus auf einem Betriebsgelände am vollautomatisierten Fahrbetrieb auf Level 4.

in den oberfränkischen Städten Hof, Kronach und Rehau kutschieren seit Juni selbstlenkende Shuttles Passagiere von A nach B. Bis zum September meldeten die Betreiber, man habe rund 4.500 Kilometer zurückgelegt und in den ersten drei Monaten mehr als 4.000 Fahrgäste mitgenommen - etwa 50 pro Tag. „Das Interesse an den Shuttles ist groß und die Resonanz unserer Fahrgäste durchweg positiv", sagt Stefan Kretzschmar vom Betreiber DB Regio Bus.

Autonomer Shuttle-Service Oberfranken

Stadt Hamburg arbeitet mit Moia und VWN zusammen

In Hamburg kurvte im Rahmen des Hochbahn-Projekts Heat ein von IAV entwickelter autonomer Kleinbus auf einer 1,8 Kilometer langen Teststrecke durch die Hafen-City der Elbmetropole. Zwischen August und Oktober 2021 waren die Türen des Heat-Shuttles auch für Fahrgäste geöffnet, die wie bei den EVA-Shuttles Fahrten via App buchen können.

Das Projekt ist mittlerweile nach vier Jahren an sein planmäßiges Ende gelangt, die Erkenntnisse des Fahrgastbetriebs sollen bis Jahresende ausgewertet werden. In den zwei Monaten, in denen der Heat-Bus öffentlich zugänglich war, nutzten gut 1.400 Fahrgäste das On-Demand-Angebot. Für den Hochbahn-Chef Henrik Falk ein positives Signal für die Zukunft des ÖPNV: „Autonom fahrende Busse können in der Zukunft ein wichtiger Baustein sein, um das Angebot von Bus und Bahn zu ergänzen – gerade in Tagesrandzeiten sowie in Quartieren, die bislang noch nicht so gut erschlossen sind.“

Doch auch nach dem Projektende von Heat treibt die Hansestadt den autonomen Nahverkehr weiter voran: Im Januar 2022 vereinbarten die Hamburger Hochbahn, Volkswagen Nutzfahrzeuge und die VW-Tochter Moia eine Kooperation, um gemeinsame Projekte für die Verkehrswende in Hamburg voranzutreiben. Im Fokus steht neben der Intermodalität auch der Bereich autonomes Fahren. Unter anderem soll die Hochbahn aus dem Heat-Projekt gewonnene Erkenntnisse in Systeme von Moia und VWN einbringen, um etwa flexible Ein- und Ausstiegspunkte für Shuttles einzurichten. Die Volkswagen-Töchter teilen hingegen ihre Informationen zu Nutzungsmustern und der Akzeptanz einer vollständig automatisierten Fahrgast-Interaktion. Zudem möchten die Projektpartner den Hamburg-Takt realisieren, der bis 2030 vorsieht, jedem Bewohner der Hansestadt innerhalb von fünf Minuten ein öffentliches Mobilitätsangebot zur Verfügung zu stellen.

„Öffentlicher Nahverkehr und private Mobilitätsdienstleister müssen an einem Strang ziehen, damit die Lücke zwischen dem öffentlichen Nahverkehr und dem Individualverkehr erfolgreich geschlossen werden kann“, kommentiert Moia-CEO Robert Henrich. „Autonomes Ridepooling kann hier einen entscheidenden Beitrag leisten.“ Bereits seit 2016 arbeitet die Stadt Hamburg mit Volkswagen zusammen. Aus der 2019 erneuerten Partnerschaft ist unter anderem die Integration des Moia-Angebots in die Intermodalitätsplattform HVV Switch hervorgegangen.

Fahrgästin steigt aus Heat-Bus aus
In Hamburgs Hafen-City beförderte der Heat-Bus zwei Monate lang Fahrgäste von A nach B. (Bild: Hochbahn)

Das Heat-Projekt ist längst nicht das einzige in der Hansestadt. Zusammen mit Zulieferer Continental, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der Prüforganisation Dekra und EasyMile haben die Verkehrsbetriebe Hamburg Holstein (VHH) bis Ende Oktober 2021 drei autonome Kleinbusse auf die Straßen des südöstlichen Stadtteils Bergedorf geschickt. Der On-Demand-Dienst namens emoin konnte über die gleichnamige App kostenfrei gebucht werden.

Auch der Probebetrieb von emoin, an dem rund 1.000 Fahrgäste teilnahmen, ist bereits wieder eingestellt. Die Shuttles sollen künftig die Lücke „auf der ersten und letzten Meile, zwischen Wohnort und den nächstliegenden ÖPNV-Haltestellen“ schließen, so die Projektpartner.

Das Potenzial sieht auch J. Marius Zöllner, Vorstand des am EVA-Shuttle beteiligten FZI: „Autonome Shuttles bieten aus meiner Sicht große Vorteile für den ÖPNV und für eine vernetzte Mobilität. Zum einen wird durch einen elektrischen Antrieb eine emissionsfreie Mobilität auf der ersten und letzten Meile möglich. Zum anderen wird gerade das Schließen der letzten Meile den ÖPNV deutlich attraktiver und flexibler machen, gerade weil durch autonome Shuttles das ÖPNV-Angebot zu einer 24/7-Verfügbarkeit erweitert werden kann – also auch in Randzeiten, in denen sonst der Individualverkehr attraktiver zu sein scheint.“

ZF schickt autonome Shuttles auf Werksgelände

Zulieferer ZF möchte ab 2023 derweil einen Teil des Werksverkehrs am Standort in Saarbrücken mit autonomen und elektrischen Shuttlen abwickeln. An sechs Tagen pro Woche sollen auf einer entsprechenden Teststrecke Mitarbeiter und Besucher ohne Sicherheitsfahrer chauffiert werden. Die Einführung der neuen Mobilitätslösung begleitet ein durch Fördermittel unterstütztes Forschungsprojekt mit Unterstützung der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes. Im Rahmen des Projektes sollen unter anderem die Akzeptanz autonomer Shuttlesysteme sowie der Interaktion mit der Verkehrsinfrastruktur untersucht werden. Im Fokus steht außerdem das individuelle Sicherheitsempfinden der Passagiere von autonomen Fahrzeugen ohne Begleitpersonal.

„Eine saubere und zeitgemäße Mobilität erfordert vor allem eines: nachhaltige, flexible und individualisierte Transportkonzepte, die städtische Bezirke entlasten und auf dem Land öffentliche Verkehrsmittel besser verfügbar machen“, sagt Torsten Gollewski, Leiter Autonomous Mobility Solutions bei ZF. „Unser autonomes Transportsystem kann das heute schon umsetzen: Mit unseren elektrisch angetriebenen, fahrerlosen Shuttles bietet ZF in Kombination mit einer bedarfsgerechten Taktung und einer nahtlosen Anbindung an andere öffentliche Verkehrsmittel wie Bus und Bahn eine echte Alternative zum eigenen Pkw.“

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