Verkehr

Die Corona-Pandemie hat die Mobilität verändert: Zu Lasten des öffentlichen Nahverkehrs setzen viele Nutzer wieder auf das eigene Auto.

Die unterschiedlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie und der Lockdowns auf die Verkehrswende standen im Zentrum des Zukunftsforums des Ecological Research Network (Ecornet) am 1. Dezember. Als Teilnehmer der digitalen Diskussion unter dem Titel „Ist die Zukunft der Mobilität Vergangenheit? Wie die Corona-Pandemie die Verkehrswende beeinflusst“ erklärten und beurteilten Mobilitätsforscher die Entwicklungen im Verkehrswesen seit Ausbruch der Pandemie.

Shared Mobility ist Verlierer der Pandemie

Sie konstatierten grundlegende Veränderungen im Verhalten der Verkehrsteilnehmer. „Je nach Verkehrsmittel reduzierten sich kurzfristig die Kilometer-Strecken bis zu 70 Prozent“, sagte Konrad Götz, Forscher am Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE). Gleichzeitig sieht er eine „Renaissance des Automobils“, weil es als COVID-sicheres Individualverkehrsmittel gilt. Aus diesem Grund sei auch Radfahren und zu Fuß gehen populärer geworden, während als COVID-unsichere eingeschätzte Verkehrsmittel wie der ÖPNV, Züge und Flugzeuge teilweise weit weniger genutzt werden als das bis zum März 2020 der Fall war. Auch nach einer Rückkehr in die Normalität würden weit weniger Dienstreisen unternommen als vor Corona.

Stephan Rammler, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) und Berater des österreichischen Mobilitätsministeriums, nannte drei weitere Effekte: Das starke Wachstum des Online-Handels verändert die Verkehrswege. Statt dass sich die Kunden auf den Weg in die Einzelhandelsgeschäfte machen, lassen sie sich nun die Waren nach Hause bringen. Angebote für Shared Mobility wie zum Beispiel das Carsharing werden von den Kunden aus Sorge vor einer Ansteckung weniger genutzt. Dagegen habe das „Telependeln“ zugenommen. Hier gebe es auch einen Rebound-Effekt, denn die weit verbreitete Arbeit im Homeoffice führe andererseits zu mehr Freizeitverkehr. „Die Menschen wollen Mobilität“, so Rammler. Neue Nutzungskonzepte seien nötig für die berufliche Mobilität. Den Trend zum Pendeln begründete Konrad Götz mit dem wachsenden Bedarf auf zwei Seiten: „Die Betriebe sehen ein Potenzial für Einsparungen, die Menschen eines für ihre Flexibilität.“ Die Umsetzung müssten die Akteure aushandeln und der Staat müsse dabei den Rahmen setzen.

Die Mobilitätsschere geht auseinander

Von einem „Trend zu raus aus der Stadt“ und einer „Suburbanisierungstendenz, die zu mehr Pendlerströmen führt“ sprach auch Anne Klein-Hitpaß, Projektleiterin Städtische Mobilität bei der Agora Verkehrswende und Moderatorin der Veranstaltung. Corona habe diese Entwicklung verschärft, die ursprünglich von hohen Mieten in den Innenstädten verursacht wurde, erklärte Katrin Dziekan, Fachgebietsleiterin für Umwelt und Verkehr im Umweltbundesamt. Nach ihrer Auffassung hat die Pandemie die „Gerechtigkeitslücke in der Gesellschaft“ vergrößert, denn während die Autos reicherer Bürger durch die häufigere Nutzung mehr CO2 emittierten, würden ärmere Anwohner entlang der Verkehrsachsen vom Umland in die Städte durch Verkehrslärm stärker belastet. Die Erhöhung der Entfernungspauschale fördere das Pendeln sogar. Angesichts dieser Entwicklungen nehme das Umweltbundesamt das Umland der Städte stärker in den Fokus. „Die Nutzung des ÖPNV hat sich in den letzten Jahren mehr verteuert als der Kauf von Autos. Das ist ungerecht und umweltschädlich“, kritisierte die Vertreterin des Umweltbundesamts. Im Übrigen fordere es die Verkehrswende schon seit 40 Jahren.

Rammler appellierte, das Verkehrssystem der Zukunft müsse gegenüber beiden großen Herausforderungen der Gegenwart, Corona und dem Klimawandel, resilient werden. Beides solle man in der gesellschaftlichen Debatte miteinander verknüpfen. Den digitalisierten Verkehr und vernetzte Autos beurteilte er skeptisch: „Datenreichtum für fossile Fahrzeugflotten ist nicht der Weg, den ich für richtig halte, sondern Virtualisierung und Telependeln. Wir verspielen gerade die sozial-ökologische Transformation der Mobilität. Vernetztes Fahren darf nicht nur alter Wein in neuen Schläuchen sein.“

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