Wissensmanagement fördert Zusammenarbeit

aber führt kein Weg vorbei. Gerade an einem Standort wie Deutschland mit hohen Lohnkosten gehört das Thema ins Pflichtprogramm der gesamten Fertigungsindustrie. Automatisierungen und Prozessoptimierungen sind am Anschlag, die Technik wird immer komplexer, auch in den Produkten. Sowohl bei Automobilherstellern wie bei Zulieferern steigt die Zahl wissensintensiver Fachbereiche – und parallel die Zahl von Wissensarbeitern mit Spezial-Knowhow. Eine aktuelle Studie des Personaldienstleisters Hays zeigt, dass Fachbereichsverantwortliche großer Unternehmen im deutschsprachigen Raum der Wissensarbeit immer größere Bedeutung im Wertschöpfungsprozess zumessen. 86 Prozent der Befragten sind sogar überzeugt, dass der künftige Unternehmenserfolg direkt davon abhängt. Auch in einer Trendstudie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation heißt es: „Das Management von Wissen ist entscheidend für die wirtschaftliche Zukunft von Unternehmen.“ Doch was tun, wenn sich Mitarbeiter aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen oder an mehreren Standorten getrennt voneinander mit denselben Aufgabenstellungen beschäftigen? Archive auf Fileservern, zentrale Wissensdatenbanken und Groupware-Programme konnten den Knowhow- und Erfahrungsaustausch schon in der Vergangenheit nicht fördern. Und so wird es bleiben. Die IT-Verantwortlichen müssen endlich erkennen, dass den meisten Anwendern im Unternehmen schlicht das technische Grundverständnis fehlt, um solche Tools sinnvoll nutzen zu können. Andererseits sind weite Teile der Belegschaft durchaus bereit, ihr Wissen zu teilen. Aber das muss schnell gehen. Die Werkzeuge müssen einfach und intuitiv zu bedienen sein und die Knowhow-Träger zusammenbringen. Nur wer eine persönliche Rückmeldung erhält, ob und wobei seine Informationen einem anderen Kollegen weitergeholfen haben, erkennt den Nutzen und ist motiviert, mit weiteren Beiträgen um die Ecke zu kommen.

Langweilige Intranetsysteme machen gegen erfolgreiche Social-Media-Apps à la Wikipedia oder die Facebook-Gruppe keinen Stich mehr. Mögen die IT-Richtlinien im Unternehmen deren Einsatz ruhig untersagen – Mitarbeiter finden immer eine Möglichkeit, um sich (und ihr Wissen) zu vernetzen. Wenn nicht über das Business-Notebook, dann eben über das private Smartphone. „IT-Organisationen sollten solche inoffiziellen Lösungen nicht um jeden Preis unterdrücken, sondern vielmehr genau analysieren, warum sie von den Mitarbeitern genutzt werden“, betont Steffen Roos von der Managementberatung Detecon International in Bonn. „Oft lassen sich so Fähigkeitslücken bestehender Systeme in der Organisation identifizieren oder auch genaue Vorstellungen über die künftige Enterprise-2.0-Zielarchitektur gewinnen.“ Denn dorthin führt der Weg. Start-ups und schnell wachsende Unternehmen haben die Web-2.0-Technologien oft besonders umfassend und auch erfolgreich eingeführt. Die positiven Lerneffekte sind unübersehbar. Corporate Blogs, Wikis, virtuelle Workspaces und Twitter-Konten gehören dort wie selbstverständlich zum Arbeitsalltag. Jeder lernt von jedem und hat dabei uneingeschränkten Zugang zum verfügbaren Wissen. Für praktisch jedes Thema findet sich intern schnell ein Experte, der weiterhelfen kann. Knowhow und Erfahrungen werden aktiv geteilt und dadurch die Wertschöpfung gemeinsam erhöht. Anforderungsmanagement in einem Projekt-Wiki organisieren, Besprechungsnotizen im Weblog posten, Updates via RSS empfangen – so sieht heute gelebter Teamspirit aus.

In einem „TechCrunch“-Interview sagten Reid Hoffman, der CEO von LinkedIn, und Tim O’Reilly, Gründer von O’Reilly Media, unlängst eine Explosion von Daten im Internet der dritten Generation voraus. Diese gilt es zu analysieren und zu nutzen – auch am Arbeitsplatz. Die Verlinkung der Einzelinformationen mit Personen und Orten wird dabei immer wichtiger. Klassische Wissensmanagementansätze und veraltete Tools können das nicht leisten. Heißt konkret: Die Rahmenbedingungen werden sich weiterhin so stark und so dynamisch verändern, dass Unternehmen sich mit dem Thema Wissensmanagement völlig neu auseinandersetzen müssen. Und eins ist auch klar: Die Zerreißprobe zwischen den IT-Entwicklungen im Unternehmen und der Google-Welt da draußen wird auf Dauer kein CIO für sich entscheiden können. Um Social Software im Unternehmen erfolgreich zu machen, braucht es nicht nur entsprechende Technologien, sondern zuallererst ein frisches Denken im Management. Verbote machen auf dem Weg in die Informationsgesellschaft keinen Sinn. Technische Entwicklungen bleiben den Mitarbeitern heute ja nicht mehr verborgen. Über ihre Tragweite denken sie oft nicht weiter nach. Sie wollen so komfortabel arbeiten, wie sie selbstverständlich Cloud-Anwendungen privat nutzen. Wer die Funktionalität zur Verfügung stellt, ist dabei zweitrangig.

Wissensmanagement 2.0 – heute und in Zukunft geht es nicht mehr darum, in den am besten geeigneten Dokumenten zu stöbern, sondern schnell Kontakt zu den richtigen Kollegen zu bekommen. Dazu braucht es eine gut durchdachte Integration der gesamten Social Software, die im Unternehmen eingesetzt wird. Und eine flexible IT-Architektur, die mit kommenden Entwicklungen Schritt halten kann. „Um die neuen Herausforderungen und Aufgaben des vor uns liegenden Netzwerkzeitalters bewältigen zu können, ist eine neue Generation von CIOs gefordert“, sagt Norbert Kettner von der Beratungsfirma Lodestone Management Consultants. Der „Chief Integration Officer“ rückt immer näher.

 

Autor: Ralf Bretting

Foto: Daimler

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