Lars Reger, CTO bei NXP

Eine hundertprozentige Netzabdeckung ist für cloudbasierte Dienste nicht unbedingt notwendig, erklärt Lars Reger, CTO bei NXP. (Bild: NXP)

NXP und Amazon Web Services haben jüngst eine strategische Partnerschaft verkündet. Welche Anwendungsfälle wollen Sie mit diesen cloudbasierten Diensten adressieren?

Oh, da gibt es eine Menge Möglichkeiten. Zum Beispiel rund um das Thema Wartung und Instandhaltung. Die Grundlage ist hier die ständige Erfassung und Überprüfung von Daten zur Nutzung des Fahrzeugs und seiner Komponenten. Das reicht von der vorausschauenden Instandhaltung über Fahrzeug-Diagnosen in Echtzeit und das Telematik- und Flottenmanagement bis hin zu Nutzungs- und Funktionsanalysen für zukünftige Fahrzeugverbesserungen. Ein weiteres wichtiges Anwendungsfeld betrifft die Fahrzeugsicherheit und den Fahrzeugschutz. Dies umfasst neben der Echtzeit-Überwachung der Komponenten auch Update-Services einschließlich der Erkennung und Abwehr von unerlaubten Zugriffen. Upgradefähige Fahrzeuge bieten zudem auch die Möglichkeit für die Generierung zusätzlicher Umsätze nach dem Fahrzeugkauf. Und auch nutzungsabhängige Versicherungstarife, die aufgrund des individuellen Fahrverhaltens und des entsprechenden Risikos kalkuliert werden, wären ein möglicher Anwendungsfall.

Der Schlüssel zum Erfolg besteht dabei darin, einen effizienten Zugriff auf alle Fahrzeugdaten über einen Pfad zu ermöglichen, der das maschinelle Lernen in der Cloud und seine Umsetzung im Fahrzeug über stetige Verbesserungen unterstützt. Zudem gibt es noch weitere Anwendungen, mit denen Partner der Automobilindustrie zusätzliche Umsätze erzielen können. Gleichzeitig können die OEMs ihre Daten monetarisieren, indem sie den Zugang zu ihnen lizenzieren. Ein Beispiel wären hier neue Reifensensortechnologien, die die Beanspruchung und den Verschleiß der Reifen stetig überwachen und so das Reifenmanagement für Fahrzeugflotten unterstützen könnten. Die gewonnenen Reifenleistungsdaten könnten dann an den Reifenhersteller gesendet werden, der sie für Produktverbesserungen, eventuell notwendige Rückrufe und andere Serviceleistungen nutzen kann.

Die Netzabdeckung lässt auf vielen Straßen zu wünschen übrig. Wie wird der dauerhafte Zugriff auf die Fahrzeugdaten gewährleistet?

Ja, man kann sich nicht immer auf die Mobilfunkkonnektivität verlassen, das ist definitiv ein wichtiger Punkt. Allerdings ist eine 100%ige Abdeckung auch nicht unbedingt notwendig, das ist sehr stark vom Anwendungsfall abhängig. Zudem kann Wi-Fi genutzt werden, etwa wenn das Fahrzeug zu Hause oder auf einem Parkplatz beim Händler geparkt ist - die Daten werden also einfach dann an die Cloud gesendet, wenn die Konnektivität verfügbar ist. Wir unterstützen Massenspeicher im Gateway (Black Box), so dass Sie ein Terabyte an Daten in den Speicher streamen können, und wenn die Verbindung hergestellt ist, werden die Daten über Mobilfunk oder Wi-Fi in die Cloud übertragen. Außerdem unterstützt AWS IoT Greengrass auch den serverlosen Betrieb (ohne Anbindung an das Internet), so dass lokale Dienste zur gemeinsamen Nutzung im gesamten Fahrzeug weiterhin zur Verfügung stehen, und die geleistete Arbeit auch dann einen Wert hat, wenn das Fahrzeug nicht ans Internet angebunden ist.

Wie lange wird es dauern, bis effiziente Lösungen sich auf dem Markt etablieren und können sich Kunden, OEMs und Zulieferern bereits jetzt über die Datenhoheit gewiss sein?

Die ersten Fahrzeuge mit der neuen Lösung werden voraussichtlich 2022 auf den Markt kommen, deutlich mehr dann im Jahr 2023. In diese Fahrzeuge können dann über ihre gesamte Lebensdauer neue Funktionen implementiert werden. Datensouveränität und Datenschutz sind definitiv ebenfalls Schlüsselfragen (und ebenso die Cybersicherheit), die von den OEMs berücksichtigt werden müssen. Gleiches gilt auch für die Frage, wie man die Implementierung und Nutzung von Daten innerhalb der gesetzlichen Vorgaben am besten handhabt.

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