Mehr Geschwindigkeit bei der Umsetzung innovativer Ideen: Neue Innovationsmaschinerie: Aus Business Innovation wird Lab1886

Eine intelligente, cloudbasierte Software ermöglicht die unkomplizierte Verwaltung von Fahrzeugen, Aufträgen inklusive der Zuweisung von Fahrern.

Intelligent, cloud-based software enables uncomplicated administration of vehicles, orders, including the allocation of drivers.

Daimler überraschte vor kurzem mit seinem UX Lab-Truck und der Aussage von CIO Jan Brecht, man wolle 50 Prozent aller neuen IT-Systeme so bauen, dass sie intuitiv ohne Schulung nutzbar sind. Das Projekt steht symptomatisch für ein Umdenken in der Branche. Mit dem eigens zum User-Experience-Labor ausgebauten Truck kommt man zum Anwender, statt umgekehrt. Er dient sowohl der nutzerzentrischen Entwicklung neuer Lösungen als auch der Validierung von Prototypen oder bestehender Lösungen. Dafür analysieren die UX-Experten das User-Verhalten mit unterschiedlichen Methoden, zum Beispiel der Emotionserkennung. „Über die im Truck installierten Kameras können Emotionen von Nutzern erkannt werden. Dies lässt entweder einfache Schlüsse zu wie ‚der Nutzer war die meiste Zeit enttäuscht‘ oder auch exakte, punktgenaue Analysen“, sagt Markus Sönning, in der Daimler-IT zuständig für das UX Lab. Die Probleme sind vielfältig, doch es gibt Klassiker: „Sehr häufig werden Benutzeroberflächen mit zu viel Funktionalität und Information überfrachtet. Dabei geht jegliche Selbstbeschreibungsfähigkeit, Nutzerführung oder Struktur verloren“, erklärt Sönning. Nun stellen Neuentwicklungen natürlich nur einen Bruchteil aller Business-Anwendungen dar. Zwar gebe es die Möglichkeit, mit Apps bestehende Anwendungen nachzubessern. Grundsätzlich seien Third-Party-Applikationen oft nur gering anpassbar und Plattformen ließen häufig wenig Konfiguration zu, stellt Sönning fest. Das sei aus reiner IT-Sicht erst einmal kein Nachteil, denn je weniger Konfiguration, desto weniger Aufwand beim Release-Wechsel.

Bosch

Bosch gehörte zu den „Early Birds“ bei UX, seit 2010 befasst man sich mit dem Thema aus Design-. Psychologie- und Research-Sicht. „Die große Kunst besteht darin zu verstehen, was in Usern vorgeht und wie man ihnen die Arbeit erleichtern kann“, sagt Mathias Zapke, Leiter User Experience im IT-Bereich bei Bosch. Die Arbeit mit den Anwendungen soll begeistern, so das Ziel. In seinem Team arbeiten 18 Leute, darunter Interaction-, Visual- und Service-Designer sowie Psychologen an allen Themen innerhalb der Corporate IT und dem IoT-Geschäft. Doch was bringt die Anwender besonders zum Grübeln? „Das klassische Dilemma findet sich immer dort, wo die Erfahrungen der User und ihre Erwartung nicht zu dem passen, was das Tool bietet – zum Beispiel wenn der Nutzer nichts mit den Begrifflichkeiten anfangen kann“, stellt Zapke fest. Über ein Add-on können daher die Nutzer bei Bosch Feedback auch zu Legacy-Tools geben, bei denen aus ihrer Sicht die User Experience schlecht ist oder nachlässt. Eine Aufgabe für die UX-Teams sieht Zapke unter anderem darin, die Datenerfassung soweit es geht zu automatisieren. Für Themen wie Reisebuchungen und -abrechnungen, aber auch für Selbsthilfe beim User-Support wird derzeit an neuen Oberflächen und Ansätzen gewerkelt. Bei den Research-Ansätzen werden mit Infrarot-Eyetracking die Pupillenbewegungen der Nutzer aufgenommen und analysiert. „So lässt sich gut erkennen, wo der Fokus liegt,  ob Dinge nicht verstanden oder einfach nur nicht gefunden werden“, erklärt Mathias Zapke. Meist sei es nicht mit kleinen Änderungen getan, wenn es Probleme mit Anwendungen gibt. „Bei User Experience betrachten wir nicht nur Nutzeroberflächen. Wir analysieren auch die dahinterliegenden Prozesse und optimieren sie“, sagt der Experte.

BMW

Bei der BMW Group ist User Experience integraler Bestandteil der IT-Strategie und der Transformation zu einer hundert Prozent agilen Softwareentwicklung. Vor allem eines habe sich verändert: Das Thema UX wird deutlich ernster genommen, berichtet Astrid Stangler, die bei der BMW Group IT für den Entwicklungsprozess die Bereiche Produktdatenmanagement, Technische Daten und übergreifend das Thema UX verantwortet. Mitarbeitern sollen nicht nur IT-Systeme zur Verfügung gestellt werden, mit denen sie ihre Arbeitsziele effektiv und effizient erreichen können. Es gehe auch um mehr Freude bei der Systemnutzung, sagt Stangler. „Es ist zu kurz gegriffen, die Systeme funktional fertig zu machen und dann eine Design-Agentur zu beauftragen, die sie schön machen soll. Unsere Erfahrung zeigt: Das funktioniert nicht gut“, gibt Stangler zu. Um agile Teams beim User-zentrierten Design bestmöglich zu unterstützen, wurde das UX Live Center eingerichtet: ein Arbeitsumfeld, das eine Art didaktischen Erlebnispfad für dieses Vorgehen bereithält. Mehr User-Freundlichkeit wird es nicht nur bei neuen, sondern auch bei bestehenden Systemen geben – ein langfristiger Aufwand. So hat man sich kürzlich angeschaut, dass ein Konstrukteur bei der Freigabe und Veröffentlichung von Geometriedaten mit langen Klickwegen und Medienbrüchen zu tun hat. Mit dem Format des Google Venture Design Sprints zog man sich mit den Usern fünf Tage zurück und entwickelte einen Prototyp, der in eine Zwischenschicht in die bestehende Systemlandschaft eingezogen ist. Mit dieser prototypischen Lösung brauchen die Anwender nur noch ein Zehntel der Zeit. Künftig soll es bei BMW-Systemen in Richtung „The system knows your next step“ gehen – bei der Systemauswahl liegt künftig UX ebenso im Fokus wie Funktionalität.

Volkswagen

Je anwenderfreundlicher die Prozesse abgebildet und bearbeitet werden können, desto besser klappt die Identifikation mit dem Unternehmen und die Konzentration auf das Kerngeschäft“, sagt Thorsten Jankowski, UX Design Lead IT in der Konzern-IT von Volkswagen. In den SDCs (Software Development Center) von Volkswagen sind in allen Product Teams auch UX-Designer in den Software-Entwicklungsprozess eingebunden. Zudem wird versucht, externe Design-Agenturen möglichst nahtlos mit in die Entwicklung zu integrieren. „Wir führen intensiven User-Research durch, damit wir die spezifischen Bedürfnisse der Anwender konkret erfassen können“, sagt Jankowski. Anschließend tastet man sich in mehreren Iterationsschritten mit Prototypen vom Wireframe auf Papier bis zum Klick-Dummy vor, um sicherzustellen, dass die Lösung genau die Anforderungen der Nutzer bedient. „Zu den typischen Problemen gehören unverständliche Formularinformationen, die ausgefüllt werden müssen und bei denen User in Einzelschritten steckenbleiben“, berichtet Thorsten Jankowski. Um intuitive Oberflächen zu entwickeln, setzt Volkswagen unter anderem auf die ISO-Norm 9241-110, die die Grundsätze der Dialoggestaltung definiert. Auch der Softwarebestand soll von einer optimierten UX profitieren. „Neue Versionen von Business-Software, zum Beispiel im ERP-Umfeld, sind zunehmend mit Programmierschnittstellen ausgestattet, über die sich eigenentwickelte Oberflächen aufsetzen lassen“, erklärt der UX-Experte. Software-Unternehmen machten sich mittlerweile verstärkt Gedanken zur Konfigurierbarkeit von Oberflächen. Doch es gebe noch viel Arbeit. „UX ist ebenso wie die Modernisierung der IT-Systeme eine kontinuierliche Aufgabe“, sagt Thorsten Jankowski.

Autorin: Daniela Hoffmann

Bild: Daimler

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