Eine Illustration zur Blockchain-Technologie

BMW hat die Mobility Open Blockchain Initiative (MOBI) mitbegründet, eine industrieübergreifende Initiative von 120 Automobil-, Mobilitäts- und Technologieunternehmen. (Bild: Andreas Croonenbroeck)

Blockchain ist für viele nichts weiter als ein Buzzword. Nicht so für BMW. Der Münchener Autobauer treibt seit gut drei Jahren in diversen Projekten das Thema voran. Vor allem wenn es darum geht, komplexe internationale Lieferketten für alle Beteiligten transparenter und datensicherer zu gestalten. „Über die gesamte automobile Wertschöpfungskette hinweg existieren Blockchain-Anwendungsfälle. Ihre Nutzung kann zum Beispiel in der Produktion und beim Lieferkettenmanagement zur Verbesserung der Rückverfolgbarkeit von Teilen und operativer Effizienz beitragen“, unterstreicht Andre Luckow, der bei BMW das Thema Blockchain verantwortet.

Wenn etwa ein in Europa gefertigtes Bauteil in Mexiko für einen Scheinwerfer benötigt und dieser wiederum im US-Werk Spartanburg endmontiert wird, so wird rasch klar, dass es keineswegs trivial ist, künftig Herkunft und Lieferwege aller Teile eindeutig nachzuverfolgen – zumal für einen Scheinwerfer hunderte Komponenten nötig sind. „Bislang war es üblich, dass die vielen beteiligten Partner ihre Daten für sich alleine gemanagt haben. Die jeweiligen IT-Systeme der Unternehmen konnten nicht immer durchgängig miteinander kommunizieren“, sagt Luckow. Ganz zu schweigen davon, dass einige Daten immer noch in Papierform vorliegen.

Von der Mine bis zur Schmelze

Anhand des Blockchain-Pilotprojektes in der Lieferkette von Frontleuchten zeigte sich, dass der initiale Aufwand für eine fälschungssichere digitale Datenbank zwar groß ist, sich aber lohnt, weil nun praktisch per Mausklick Klarheit geschaffen werden kann. Die Herkunft einzelner Teile lässt sich nun manipulationssicher über alle beteiligten Partner hinweg im Detail verfolgen. Im Rahmen des Projektes „PartChain“ soll dieser Weg weiter beschritten werden. Ziel ist eine offene Plattform, auf der unternehmensübergreifend die Daten der Lieferketten sicher ausgetauscht und geteilt werden können. Auch was kritische Rohstoffe wie Kobalt anbelangt – und zwar von der Mine bis zur Schmelze.

Zweifler unterstellen der Technologie eine eher begrenzte Businesstauglichkeit, weil die verteilten Berechnungsvorgänge, um das „digitale Kassenbuch“ fortzuschreiben, zu zeitaufwendig und energieintensiv seien. Luckow kann das nicht bestätigen. Im Gegenteil: „Wir im Automotive-Bereich kennen unsere Partner, so dass hochverteilte Berechnungen, wie etwa bei Bitcoin-Transaktionen, nicht vorkommen und damit auch nicht mehr Energie als bei einer üblichen Cloudanwendung verbraucht wird.“ Bei Bitcoin werden energiefressende, hochverteilte Berechnungen eingesetzt, um sicherzustellen, dass kein Teilnehmer das Netzwerk übernehmen kann.

Bei der Enterprise-Blockchain werden die Teilnehmer authentifiziert und ein einfacheres Votingverfahren verwendet. Im nächsten Schritt komme es nun darauf an, die Technologie zu skalieren und zu industrialisieren. Eine zentrale Hürde dafür sind neben grundsätzlichen Vorbehalten unterschiedliche Lösungen, die entlang der Wertschöpfungskette eingesetzt werden. Bislang versuchen sich OEMs sowie einige Zulieferer mit hausinternen Ansätzen. „Wir benötigen jedoch globale Standards, wenn sich Blockchain durchsetzen soll“, weiß der Experte.

Win-win-Situation für BMW und Partner

Daher hat BMW die Mobility Open Blockchain Initiative (MOBI) mitbegründet, eine industrieübergreifende Initiative von 120 großen Automobil-, Mobilitäts- und Technologieunternehmen. Die Bayern leiten hier unter anderem die Arbeitsgruppe für Supply-Chain-Themen, die mit einer offenen Plattform eine branchenweite Lösung für Blockchain- und Distributed-Ledger-Technologien entwickeln soll. Gemeinsam sollen Datenstandards und Protokolle, beispielsweise für die Bauteilrückverfolgung, festgelegt werden. „Jeder Partner ist eingeladen, sich daran zu beteiligen“, wirbt BMW-Experte Luckow. Eine Offenheit, die Eintrittsschwellen senkt und das Mindset ändert – vor allem bei jenen, die noch am Mehrwert der Blockchain zweifeln.

Es locken handfeste Vorteile: Ein konsistenter Datenstamm hoher Qualität, auf den jeder jederzeit zugreifen kann – das erlaubt aussagekräftigere Datenanalysen. Und bei etwaigen Problemen in der Lieferkette lässt sich sehr schnell herausfinden, woran es liegt. „Partner können mit der Technologie Daten effizient teilen und nutzen, behalten aber gleichzeitig die Kontrolle über ihre Daten. Eine klassische Win-win-Situation“, betont Luckow.

„Zudem werden sichere Transaktionen ohne Intermediäre ermöglicht, was die Möglichkeit bietet, neue Geschäftsmodelle auszuprobieren“, ergänzt der Fachmann. Ein Effekt, der sich auch kundenseitig nutzen lässt. Bereits vor einem Jahr hat der Münchener OEM in einer Machbarkeitsstudie demonstriert, wie Kunden unter anderem den Kilometerstand ihres Fahrzeugs mithilfe der App VerifyCar, die auf der Blockchain basiert, nachverfolgen und auf Wunsch mit Dritten teilen können.

Enabler für organisationsübergreifende Prozesse

In Zukunft könnten Autos, so die Vision der Branche, ihren Fahrzeugstatus, die Nutzung von Ladestationen oder auch Reparaturaufträge kommunizieren, protokollieren und Services per Micropayment bezahlen. Die jeweiligen Konditionen könnten direkt in die Transaktionen eingebettet werden, Stichwort: Smart Contracts. Erst wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, etwa wenn ein Service bezahlt oder bei einer Reparatur ein Ersatzteil als Original erkannt wurde, wird ein Auftrag ausgeführt. Ein Vorgang, der weitgehend automatisiert erfolgt. So können via Blockchain Geschäftsaktivitäten innerhalb von Businessnetzwerken standardisierter und kosteneffizienter ablaufen.

Luckow hält auch eine „digitale Fahrzeugakte“ für machbar, mit der Fahrzeuge endlich komplett von zuhause aus papierlos angemeldet und versichert werden können. Sicher, bis dahin sei es noch ein weiter Weg, bleibt Luckow realistisch. Doch die Zeiten, in denen Blockchain kaum mehr als eine etwas sicherere Datenbank war, laufen langsam ab. Luckow: „Wir sehen die Blockchain als einen instrumentalen Enabler für organisationsübergreifende Prozesse.“ Die nächste Stufe wird mit anspruchsvollen und nutzwertigen Uses Cases gezündet. Blockchain ist eben mehr als ein bloßes Buzzword.

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