“Die Tech-Industrie hat das Connected Car längst als neues Device für eigene Services begriffen”, erklärt Berylls-Partner Jan Burgard. Während Autohersteller damit kämpfen, eigene Produkte aufzubauen, beschränke sich die Strategie vieler Tech-Player lediglich darauf, die eigenen Plattformen auf das Fahrzeug auszuweiten. “Auf diese Art und Weise positionieren die großen Tech-Player ein trojanisches Pferd, um die digitale Zukunft der Autoindustrie zu kontrollieren“, so Burgard. Zunächst habe die Entwicklung im Infotainment mit Diensten wie Android Auto, Apple CarPlay und Baidu CarLife begonnen, inzwischen drängen auch KI-basierte Sprachassistenten wie Siri oder Alexa ins Fahrzeug. Im autonomen Fahrzeug könnte sich die Entwicklung nach Ansicht des Experten noch verschärfen, wenn Tech-Player Zugriff auf die elektrischen und elektronischen Komponenten des Fahrzeugs einfordern, die sich derzeit fest in der Hand der Hersteller befinden. Vor diesem Hintergrund sei es verwunderlich, wie bereitwillig die Hersteller Partnerschaften mit den Tech-Riesen eingehen. Allein Google ist laut Berylls mit eigenen Systemen zum Mirroring von Smartphone-Inhalten in 80 Prozent aller verkauften Fahrzeuge vertreten und zementiert die eigene Reichweite mit dem Infotainment-System Android Auto stetig weiter.
Um der Vorherrschaft von Big Tech entgegenzutreten, existieren der Berylls-Analyse zufolge derzeit drei Ansätze: Während Unternehmen wie GM oder Renault-Nissan-Mitsubishi sich weitestgehend auf Kooperationen verlassen, seien Hersteller wie Volkswagen eher geneigt, große Summen in den Aufbau eigener Software und Betriebssysteme zu investieren. Darüber hinaus setzen zahlreiche Automotive-Unternehmen auf industrieweite Standards: Etwa im Rahmen der Genivi-Allianz, in der gemeinschaftlich Systeme auf Open Source-Basis entwickelt werden.
Mit einigen Ausnahmen liegen, so die Berylls-Experten, Connectivity-Dienste im Fahrzeug in Sachen Performance und Customer Experience hinter entsprechenden Services auf dem Smartphone zurück. Für die Autohersteller sei zudem problematisch, dass kein OEM derzeit eine globale, skalierbare Plattform für Connectivity-Dienste im eigenen Portfolio habe. Stattdessen gelte es vielenorts, verschiedene Software-Versionen, sowie Infotainment-Varianten und -Generationen zu managen. Die Lösung für dieses Dilemma seien, so die Experten, standardisierte Betriebssysteme im Fahrzeug, die über flexible Interfaces mit einer Vielzahl anderer Content Provider und verschiedenen Inhalten verbunden werden können.
Entsprechende Ökosysteme könnten sich auch beim Thema Monetarisierung bezahlt machen. Denn: Viele Connectivity-Services der letzten fünf bis zehn Jahre seien derzeit nicht oder nur minimal profitabel, heißt es in der Berylls-Untersuchung. Stattdessen finde meist eine Quersubventionierung aus dem Verkauf der Infotainment- oder Navigations-Hardware statt. Durch einen Fokus auf den Kundennutzen sei jedoch eine deutlich höhere Zahlungsbereitschaft zu erreichen – Dies hänge jedoch davon ab, ob es den Autoherstellern gelingt, sich nach Vorbild der Tech-Industrie als Mittelsmann zwischen dem Fahrer, dem Fahrzeug und Drittanbietern zu positionieren.