Bushaltestelle im ländlichen Raum

Während sich viele Menschen im ländlichen Raum neue Mobilitätsdienste nutzen würden, ist das Angebot in der Regel nicht vorhanden. (Bild: rdnzl /Adobe Stock)

„Unser Mobilitätsverhalten wird und muss sich über Corona hinaus verändern. Dazu brauchen wir neue Mobilitätsdienste gerade auch abseits der urbanen Zentren“, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. „In den Großstädten haben die Menschen die Qual der Wahl, wenn sie von A nach B wollen. Jenseits der Ballungsräume aber herrscht in Sachen neuer Mobilitätsdienste Ödnis. Gerade in ländlichen Regionen braucht es Alternativen zum Auto.“

Der Studie zufolge haben 70 Prozent der Befragten in Folge von Corona ihre Mobilität eingeschränkt. So geben 58 Prozent der Nutzer im Nahverkehr an, weniger mit Bussen oder Bahnen unterwegs zu sein, im Fernverkehr und bei Taxis liegt der Wert bei 55 Prozent. Unter den Nutzern von Ridehailing (30 Prozent) und Carsharing (44 Prozent) ist der Rückgang etwas weniger gravierend. Gleichzeitig haben den eigenen Pkw 26 Prozent der Befragten seltener, aber 31 Prozent häufiger genutzt. Beliebter ist nur das Fahrrad, das 38 Prozent seit Pandemiebeginn häufiger nutzen.

Der Grund für die Veränderungen liegt auf der Hand: Neun von zehn Befragten versuchen, Verkehrsmittel mit vielen Fahrgästen zu vermeiden. Darüber hinaus machen sich sieben von zehn Studienteilnehmern bewusst seltener während Stoßzeiten auf den Weg. Davon profitieren laut Bitkom auch neue Mobilitätsdienste: So haben sieben Prozent in der Corona-Zeit erstmals Bike- oder E-Scooter-Sharing ausprobiert, erste Carsharing-Erfahrungen haben vier Prozent gemacht.

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Neue Mobilität steht hoch im Kurs

Am bestehenden ÖPNV-Angebot scheiden sich derweil die Geister: In Großstädten äußern sich hier nur 32 Prozent kritisch, auf dem Land sind es 72 Prozent. „Wir brauchen flächendeckend digitale Mobilitätsangebote, die der individuellen Lebensgestaltung der Menschen Rechnung tragen, gerade auch auf dem Land“, fordert Rohleder. Neue Mobilitätsdienste haben im Vergleich zum ÖPNV einen deutlich besseren Ruf: So stehen 80 Prozent Ridepooling und 69 Prozent Ridehailing grundsätzlich positiv gegenüber.

Insgesamt glauben drei Viertel der Befragten, dass neue Mobilitätsangebote einen Beitrag zum Umweltschutz leisten können. Eine deutliche Mehrheit von 87 Prozent ist zudem sicher, dass neue Mobilitätsangebote vor allem die Lebensqualität auf dem Land verbessern können – unter der unmittelbar betroffenen Landbevölkerung liegt die Zustimmung mit 91 Prozent sogar noch etwas darüber.

Dienste sind oftmals nicht verfügbar

Im Alltag dominieren nach wie vor die klassischen Mobilitätsangebote: So nutzen zwei Drittel (68 Prozent) der Bürger eine Straßenbahn, sofern vor Ort ein solches Angebot besteht. Bei der U-Bahn sind es 67 Prozent, beim Bus 61 Prozent und die S-Bahn kommt auf 51 Prozent. Demgegenüber greifen nur 28 Prozent auf Ridepooling-Angebote zurück, beim Ridehailing sind es 19 Prozent. Bei Sharing-Möglichkeiten unterscheidet sich der Nutzungsgrad je nachdem, ob es um die geteilte Nutzung von Fahrrädern (23 Prozent), E-Scootern (22 Prozent) oder Autos (18 Prozent) geht.

Die Nutzer neuer Mobilitätsdienste bewerten ihre Erfahrungen mit den unterschiedlichen Services überwiegend positiv: So sind 92 Prozent mit dem Bikesharing-Angebot zufrieden, 91 Prozent mit Carsharing und 87 Prozent mit dem E-Scooter-Sharing. Ähnlich positiv sind die Erfahrungen mit Ridepooling (86 Prozent) und Ridehailing (84 Prozent). Der klassische ÖPNV schneidet mit Straßenbahnen (71 Prozent) und S-Bahnen (68 Prozent) ebenso wie Busse (64 Prozent), die U-Bahn (55 Prozent) und vor allem Taxen (36 Prozent) schlechter ab.

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Landbevölkerung fordert Mobility Services

Großes Potenzial für neue Dienste besteht den Studienautoren zufolge an denjenigen Orten, wo diese noch nicht verfügbar sind. So sagen 56 Prozent der Befragten, die bislang kein Ridepooling nutzen können, dass sie Interesse an einem solchen Angebot hätten. An Ridehailing sind 47 Prozent interessiert. Jeweils vier von zehn Studienteilnehmern können sich vorstellen, Bikesharing (42 Prozent) oder E-Scooter-Sharing (39 Prozent) zu nutzen. Und mehr als jeder Vierte (28 Prozent) hat Interesse an Carsharing. Entsprechend wünschen sich zwei von drei Bürgern, dass neue Mobilitätsangebote stärker unterstützt werden.

Auch dem Einsatz autonomer Fahrzeuge steht eine Mehrheit der Bürger offen gegenüber. So würden jeweils sich sechs von zehn durch eine autonom fahrende U- oder S-Bahn (62 Prozent), einen autonomen Bus (56 Prozent) der einen fahrerlosen Regional- oder Fernzug (55 Prozent) befördern lassen. Auch in einen autonomen Pkw (57 Prozent) oder ein autonomes Taxi (56 Prozent) würde die Mehrheit steigen. Allein beim autonomen Fliegen gibt es noch große Vorbehalte. Ein Flugzeug ohne menschlichen Piloten würde nur jeder Fünfte (21 Prozent) nutzen.

„Autonome Mobilität kann sich zu einem echten Gamechanger entwickeln. Dienste, die heute schlicht nicht wirtschaftlich zu betreiben sind, könnten gerade auch außerhalb von Großstädten angeboten werden“, erklärt Rohleder. Eine Mehrheit von 61 Prozent geht davon aus, dass spätestens in 20 Jahren in Deutschland mehr autonome als herkömmliche Autos zugelassen werden. Jeder Neunte rechnet damit bereits in zehn Jahren.

Gleichzeitig schwindet beim autonomen Fahren das Vertrauen der Nutzer in die deutschen Autohersteller. Nur 23 Prozent rechnen damit, dass die hiesigen Autohersteller den Wettbewerb für sich entscheiden, vor zwei Jahren lag der Anteil bei 25 Prozent. 37 Prozent erwarten hingegen, dass neue Hersteller wie Tesla an der Spitze stehen (2019: 34 Prozent). Unverändert erwartet rund jeder Fünfte, dass am Ende große Tech-Player wie Google oder Apple das Rennen um das autonome Fahren für sich entscheiden werden.

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