Der Druck aus Brüssel ist enorm. Auch für schwere Nutzfahrzeuge hat die EU mit der Verordnung 2019/1242 vom 20. Juni 2019 CO2-Flottenzielwerte aufgestellt. Demnach müssen die Brummis bis 2025 mindestens 15 Prozent weniger ausstoßen als 2019/2020, 2030 sollen es dann schon 30 Prozent weniger sein. Das klingt überschaubar, ist es aber nicht. "Für die Lkw-Industrie verändern die Vorgaben alles. Sogar die 15 Prozent sind nicht ohne einen gewissen Anteil Null-Emissionsfahrzeuge erreichbar", erklärt Steffen Stumpp von der Unternehmensberatung Berylls. Damit ist das Ziel der Abgas-Minimierung der EU aber noch nicht erreicht, weitere Verschärfungen liegen schon in der Schublade.

Das bedeutet, mittel- und langfristig führt auch bei den Lkw an der Elektromobilität kein Weg vorbei. Elektromobilität und Langstreckentransport auf Achse? Da runzelt jeder Mobilitätsexperte die Stirn. Laut Gesetz darf jeder Lkw-Fahrer pro Tag neun beziehungsweise zehn Stunden fahren. Geht man von einem Tempo von 80 km/h aus, kommen schon einige Kilometer zusammen. Um solche Strecken zu bewältigen, wären riesige Batterien nötig. Deswegen gehen die Experten davon aus, dass die Strecken in Etappen zurückgelegt werden, nach 4,5 Stunden erfolgt eine vorgeschriebene Pause von 45 Minuten, während der die Batterie mit Schnellladern gefüllt wird. "Wir gehen von 600-Kilowattstundenbatterien aus", sagt Steffen Stumpp. Auch wenn bis Mitte des Jahrzehnts der Preis pro kWh deutlich unter 100 Euro sinkt, kostet die Batterie dann immer noch rund 40.000 Euro. "Damit sich diese Investition in einer kostensensiblen Branche wie dem Transport rechnet, müssen die Akkus mindestens 3.000 Ladezyklen halten, besser sind 5.000 Ladezyklen", weiß der Berylls-Experte.

Da beginnt schon die Zwickmühle. Denn schnelles Laden stresst die Batteriezellen und beschleunigt die Alterung. Dazu kommt, dass die Stromtankstellen für Lkw ziemlich groß sein müssten, um den Andrang der Brummis beim Tanken zu bewältigen - angesichts der Parkplatznot entlang der Hauptverkehrsadern ein weiteres Hindernis auf dem Weg zum Langstreckenstromern. Allerdings kein unwichtiges. "Die Geschwindigkeit der Entwicklung hängt in hohem Maße davon ab, wie schnell die Ladeinfrastruktur erweitert werden kann, von staatlichen Anreizen für Spediteure in alternative Antriebsstränge zu investieren und vom Preis für Batterien", sagt Peter Prijak, Director New Vehicle Sales von Volvo Trucks in Deutschland. Dazu kommt, dass es mit langsamen Ladern nicht getan ist, um die vergleichsweise großen Energiespeicher der großen Transporter mit Energie zu betanken. Die Infrastruktur für diese Strom-Zapfsäulen müsste ebenfalls erst installiert werden. Aktuell sind 350 kW beim Nachtanken das Maß aller Dinge. "Manche Trucker träumen von 1.000 kW", so Steffen Stumpp. Abgesehen von den Stromleitungen und den Anlagen, die dazu nötig sind, stellt sich die Frage, ob die benötigte Menge auch von erneuerbaren Energien gestemmt werden kann - selbst bei der realistischeren 350-kW-Variante.

Brennstoffzelle ist die Zukunft

Dass diese Aufrüstung nicht ganz günstig sein wird, liegt auf der Hand . Ohnehin sind die Kosten bei der Transportbranche seit jeher ein heikles Thema. Der Diesel-Lkw hat sich da bewährt. "Grundsätzlich sind CO2-neutrale Lkw heute und bis auf absehbare Zeit deutlich teurer als konventionelle Fahrzeuge und wären somit heute nicht wettbewerbsfähig. Trotz aller Bemühungen auf Herstellerseite wird das noch auf Jahre hinaus so bleiben, wenn die Politik nicht gegensteuert", lässt ein Sprecher der Daimler Truck AG verlauten. Das weiß auch die Politik. Um ein Patt bei der "Total Cost of Ownership" herzustellen, wird der Transport mit Diesel-Lkws sukzessive verteuert - sei es durch Erhöhung des Spritpreises oder der Maut. Wenn es nach den Entscheidungsträgern in Brüssel geht, wird den klassischen Trucks mit Selbstzündern der Garaus gemacht - koste es, was es wolle. Laut einer Berylls-Studie werden im Jahr 2030 rund 35 Prozent der mittelschweren und schweren Lkw Null-Emissionsfahrzeuge sein. Doch die Kombination aus batterieelektrisch und Langstrecke ist eine Schwierige. "Etwa 25 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass sich im Fernverkehr batterieelektrische Lkw durchsetzen werden. Die große Mehrheit der Befragten betrachtet für dieses Einsatzszenario die Brennstoffzelle als die bessere Technologie", verdeutlicht Stumpp.

Das haben auch die Lkw-Hersteller erkannt und treiben die Entwicklungen voran. Unlängst haben die Daimler Truck AG und die Volvo Group das Brennstoffzellen-Joint Venture "cellcentric" gegründet. Ist also der batterieelektrische Antrieb komplett außen vor? Mitnichten. Volvo Trucks und der Transportdienstleister erproben bereits 60-Tonner, die zwischen zwei DHL-Stationen hin und her pendeln. Dabei muss eine Entfernung von 150 Kilometer auch im schwedischen Winter bewältigt werden. Das passt auch ins Bild, das Steffen Stumpp und einige andere Experten für die batterieelektrischen Lkws malen: der Einsatz im klassischen Verteilerverkehr, also von Depots zum Endkunden mit Strecken von 200 bis maximal 300 Kilometern. Dazu reicht eine Batterieladung und das Laden geschieht schonend während der Nacht. Dazu sind auch mittelschwere Vehikel, die sechs bis 16 Tonnen Gesamtgewicht, also Fahrzeuge wie der Mercedes Atego, der TGL von MAN oder der Eurocargo von Iveco geeignet. Ein gutes Beispiel sind die Supermärkte: Daimler Truck testet mit Netto den Mercedes-Benz eActros als Elektro-Lastesel in Hamburg und Umgebung bei der Versorgung von Filialen mit Lebensmitteln. "In Europa gibt es eine enorme Anzahl von Lkw mit einer durchschnittlichen jährlichen Fahrleistung von 80.000 km im regionalen Güterverkehr. Das bedeutet, dass eine verstärkte Nutzung von Elektrofahrzeugen für den regionalen Gütertransport zu erheblichen Klimaverbesserungen führt, sofern der Strom nicht aus fossilen Energiequellen stammt", so Lars Mårtensson, Direktor Umweltschutz und Innovation bei Volvo Trucks.

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