Stuttgart, Hildrizhauser Straße – Essen, Mintarder Ruhrtalbrücke – München, Schleißheimer Straße – Berlin, Wilhelmstraße – Hamburg, Schnackenburgallee: Was haben diese fünf Straßen gemein? Sie zählen zu den Horrorstrecken für deutsche Pendler mit dem Auto. Denn wer über diese Wege täglich zur Arbeit und zurück kriechen muss, den kosten allein diese Abschnitte des Fahrweges aufs Jahr gesehen bis zu einer ganzen Arbeitswoche. So viel Zeit geht verloren, weil dort nichts wie eigentlich möglich vorangeht.
Die Zahlen hat Bob Pishue zusammengetragen. Der Autor der weltgrößten Stau-Studie der Verkehrsdatenanalysten von Inrix hat dazu aktuelle Mobilitäts-Daten für 2023 und Trends für das erste Quartal 2024 aus 946 Städten und Ballungsräumen zusammengetragen. Inrix analysiert dazu anonymisierte Daten aus Mobiltelefonen, Fahrzeugen und von den Behörden, um die Planung zu verbessern.
In diesem Jahr sind die staugeplagtesten Städte in Deutschland einmal mehr Berlin, Stuttgart und München. Autofahrer verbringen hier im Durchschnitt 55 Stunden pro Jahr im Stau. Stuttgart (53 Stunden) und München (52 Stunden) folgen auf den Plätzen zwei und drei. In Köln stehen Pendler 50 Stunden, in Düsseldorf 49 Stunden und in Bremen sowie im Ruhrgebiet jeweils 45 Stunden. Hamburg schneidet mit 43 Stunden noch vergleichsweise gut ab – aber nur, wenn man die schlimmsten Staufallen nicht durchfahren muss.
Pishue weiß zudem: Besser wird's nicht – im Gegenteil: Wie fast überall auf der Welt nimmt der Verkehr deutlich zu, die Straßen gerade in den Innenstädten aber werden auch durch den Ausbau für Fahrradstreifen, Geschwindigkeits- oder andere Beschränkungen schwerer befahrbar. In Deutschland ist der Verkehr demnach allein in den vergangenen zwei Jahren um sieben Prozent gestiegen. Ob in Hannover oder Düsseldorf, Bremen oder München, Stuttgart oder dem Ruhrgebiet: Wer sich in Richtung Innenstadt bewegt, kommt immer langsamer vom Fleck. In München bewegt sich ein Autofahrer so im ganz „normalen“ Verkehr auf den letzten Kilometern nur noch mit 18 Stundenkilometern, in Berlin mit 22 und in Hamburg mit 24. Da sind die meisten Fahrrad-Pendler flotter, und auch U-Bahn-Passagiere schneller am Ziel. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist im Jahr 2023 denn auch um sieben Prozent im Nahverkehr der Bahn gestiegen, um neun Prozent bei der Straßenbahn und um fünf Prozent bei Bussen.
Der Verkehrsinfarkt betrifft darum offenbar auch weniger die Menschen, die bereits im engeren City-Bereich wohnen – sondern vor allem die Einpendler aus dem weiteren Speckgürtel der Metropolen. „Trotz zunehmenden Verkehrs ging die Anzahl der Fahrten in viele wichtige Innenstädte wie Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln und München stark zurück gegenüber dem Vorjahr, in Berlin sogar um 17 und in München um 16 Prozent”, haben die Forscher herausgefunden. Wer nicht über Park-and-ride oder Fahrrad-Autobahnen Alternativen zum direkten Auto-Einpendeln nutzen kann, der braucht immer mehr Geduld.
Kosten des Zuckelns summieren sich auf 3,2 Milliarden Euro
Und Geld: Denn das tägliche Kriechen rund um und in die Städte kostet neben Zeit auch Euro: Rund 427 Euro Mehrkosten durch die verzögerte An- und Abfahrt haben die Forscher im Durchschnitt aller Pendler errechnet – 54 Euro mehr als noch vor zwei Jahren. Und in Berlin ist die tägliche Staufahrt mit 587 Euro, in München mit 555 oder in Köln mit 534 Euro übers Jahr gesehen noch wesentlich teurer. Und auf ganz Deutschland gerechnet summiert sich das sinnlose Zuckeln auf 3,2 Milliarden Euro; das sind 14 Prozent mehr als noch 2022.
Wer deswegen beim nächsten Stillstand auf dem Innenstadtring vor Verzweiflung auf die Hupe drücken möchte, kann sich eigentlich nur mit einer Erkenntnis von Bob Pishue trösten: In New York, Mexico City, London oder Paris stehen seine Leidensgenossen beim Pendeln mindestens doppelt so lang im Stau.