Die TruPrint3000-Anlage von Trumpf fertigt mit Hilfe des SLM-Verfahrens.

Das Selective Laser
Melting (SLM) wird zum Druck von Stahl
und Aluminium eingesetzt. (Bild: Claus Dick)

Frauke Berger, Standortleiterin Continental Automotive in Karben, präsentiert ein gedrucktes Bauteil.
Standortleiterin Frauke Berger
präsentiert ein gedrucktes Bauteil
aus Kunststoff. (Bild: Claus Dick)

Ein Farbstreifen im unternehmenstypischen Gelbton zieht sich an den Wänden des Continental-Werks im hessischen Karben entlang, bis er schließlich durch eine Tür mit Glaseinsatz unterbrochen wird. Hinter ihr befindet sich das im Mai 2019 eröffnete Kompetenzzentrum für Additive Design and Manufacturing (ADaM). Der Unternehmensbereich Continental Automotive bündelt dort auf 560 Quadratmetern sein Knowhow für den 3D-Druck. „Praktisch an jedem Standort existieren zumindest kleinere additive Anlagen, aber diese Fülle und Vielfalt an Anlagen gibt es nur in Karben“, verdeutlicht Frauke Berger, Standortleiterin Continental Automotive.

Die unterschiedlichen Verfahren, die in engem Austausch mit der Tochter Continental Engineering Services (CES) zum Einsatz kommen, ermöglichen eine effektive Produktion, Flexibilität, Unabhängigkeit, Knowhow-Schutz, komplexe Designs sowie Kosten- und Zeitersparnisse. Denn egal ob es sich um Prototypen, Werkzeuge, Hilfsmittel, Muster-, Ersatz- oder Serienteile handelt – der Zulieferer kann die Technologie sowohl für externe Kunden als auch für den internen Gebrauch multifunktional einsetzen.

Welche Materialien können gedruckt werden?

„Ein gravierender Vorteil der additiven Fertigung ist, dass man Teile anders gestalten kann und Projekte deshalb auf konstruktivem Wege ganz anders angegangen werden“, sagt Berger. So seien inzwischen komplexe und filigrane Designs realisierbar, die auf klassischem Weg nicht produziert werden können. Gedruckt werden mit den unterschiedlichen Verfahren sowohl Kunststoffe als auch Metalle. „Prinzipiell lassen sich alle schweißbaren Metalle wie Aluminium, Edel- und Werkzeugstahl, Titan oder in eingeschränktem Maße auch Kupfer drucken“, erklärt Stefan Kammann, der das Business Segment Additive Design and Manufacturing leitet.

Die additiven Fertigungsverfahren im Überblick

Continental setzt in seinem Kompetenzzentrum in Karben auf fünf verschiedene Verfahren des 3D-Drucks:

Das Drucken von Metallen

Nachdem eine Schleuse passiert wurde, ertönt das Summen der Kühlung sowie das repetitive Geräusch des Beschichters durch den klimatisierten Raum. Die hier befindlichen Anlagen wenden das Verfahren Selective Laser Melting (SLM) an. Eine Maschine dient ausschließlich dem Druck von Aluminium, eine andere widmet sich dem Stahl. Beim SLM-Verfahren wird gasverdüstes Metallpulver geschmolzen: Innerhalb weniger Sekunden belichtet ein Laser unter hellem Flackern das Pulver und schafft dunkelgrau ausgefüllte Flächen sowie filigrane Gittermuster – das letztlich produzierte Teil und sogenannte Stützstrukturen, die für den schichtweisen Aufbau des dreidimensionalen Gebildes erforderlich sind.

Ein mit dem SLM-Verfahren produziertes Bauteil samt Bauplattform und Stützstrukturen.
In der Nachbearbeitung des
SLM-Verfahrens müssen Bauplattform und
Stützstrukturen abgetrennt werden. (Bild: Claus Dick)

Danach wird die Bauplattform abgesenkt und das Prozedere beginnt von vorne. In der Nachbearbeitung werden die Schweißverbindungen zur Bauplattform durchgeschnitten sowie Pulverreste und Stützstrukturen entfernt. Mit SLM können auf diese Weise etwa Ersatzteile für Oldtimer produziert werden, die nicht mehr erhältlich sind. Die additive Fertigung ermöglicht nämlich nicht nur freies Modellieren, sondern auch die Reproduktion mittels eines 3D-Scanners und einer Flächenrückführung zu CAD-Daten. Selbst Beschädigungen am gescannten Originalteil können in den Modelldaten ausgebessert werden.

Als Beispiel nennt Kammann die Produktion eines Bremssattels, der sich aufgrund einer speziellen Wärmebehandlung wie das Serienteil aus dem Gussverfahren verhält. Fahrgefühl, Geräusche, Schwingungen – alles ist identisch. „Normalerweise kommen solche Muster aus dem Sandguss. Das dauert ungefähr 14 Wochen. Das gedruckte Teil wurde in weniger als einer Woche fertiggestellt.“ Die Belastungstests hätten sogar ergeben, dass der gedruckte Bremssattel haltbarer ist als das gegossene Pendant.

Die Varianz gedruckter Kunststoffe

Für das Drucken von Kunststoffen werden im Kompetenzzentrum unterschiedliche Technologien eingesetzt. Entscheidend bei der Auswahl sind Stückzahl, Produktgröße und die Anforderungen an das Material, die von Elastizität über Transparenz bis hin zu Härte oder Hitzebeständigkeit reichen können. Obwohl es sich immer um Schichtverfahren handelt, ist das Selective Laser Sintering (SLS) dem Metalldruck vom Prozess her am ähnlichsten. Stützstrukturen werden jedoch keine benötigt.

Das vom Laser erhitzte Kunststoffpulverbett wird zwar gleichermaßen geschmolzen und stetig neu beschichtet, doch in der Nachbearbeitung muss das Teil lediglich aus dem halbverschmolzenen Pulver herausgelöst und gegebenenfalls abgedichtet werden. „Das SLS-Verfahren ist das schnellste Verfahren, um Kunststoffe zu drucken, und am nächsten an der Serientechnologie dran“, erläutert Kammann. Standardmaterial sei das einfach zu verarbeitende PA12. Aber auch das sehr harte PA6 oder Polypropylen können zum Einsatz kommen. Letzteres wird aufgrund seiner Beständigkeit unter anderem für Bremsflüssigkeitsbehälter verwendet.

Die Geschichte des 3D-Drucks

Angefangen hat der 3D-Druck bei Continental jedoch mit der Stereolithografie (SLA) – im Jahre 1996. Damals handelte es sich um eine der ersten Maschinen in ganz Europa, erinnert sich Andreas Birl aus dem Bereich Additive Design and Manufacturing Plastics bei Continental Automotive. Das Verfahren ist dasselbe geblieben, auch wenn sich seither Software, Leistung und Material ungemein verbessert haben. „Früher haben wir mit Hammer und Meißel die Stützen von der Gitterplattform abgeklopft und mussten aufpassen, dass wir kein Stück des Modells herausreißen, so fest war das Material“, erzählt der langjährige Mitarbeiter.

Ein Auftrag habe damals 30 bis 40 Stunden gedauert – ein vergleichbares Teil benötigt heutzutage nur rund 60 Minuten. Beim SLA-Verfahren wird eine graue, flüssige Masse aus Photopolymerharz mittels eines UV-Lasers ausgehärtet. Sobald das blaue Licht eine Schicht abgehandelt hat, wird die Bauplattform ebenfalls abgesenkt und daraufhin neu belichtet. Die notwendige Supportstruktur dient auch hier dem Kontakt zur Bauplattform – da das Material sonst wegschwimmen würde – und kann nach dem Abtropfen per Hand entfernt oder weggewaschen werden. „Das Verfahren ist extrem genau und wir erzielen damit gute Oberflächen“, merkt Stefan Kammann an. Es eigne sich deshalb für Teile, bei denen Präzision und Aussehen eine große Rolle spielten.

Die Fortus450mc von Stratasys kann auch Spezialkunststoffe drucken
Mit dem FDM-Verfahren lassen
sich auch elektrisch leitfähige
Spezialkunststoffe drucken. (Bild: Claus Dick)

Die Qual der Wahl

Beim Digital Light Processing (DLP) wird die Flüssigkeit im Behälter hingegen von unten belichtet. Ein 4K-Projektor projiziert ein Bild auf die Bauplattform und härtet damit das Material von unten aus. Besonders praktisch ist laut Kammann, dass die Projektion nicht auf ein Teil begrenzt ist: „Mit dem DLP-Verfahren können wir hervorragend skalieren und in kürzester Zeit mehrere Teile gleichzeitig herstellen.“

Das letzte der in Karben angewendeten Druckverfahren ist das Fused Deposition Modeling (FDM). Gleich zwei Apparaturen in dem Eckraum des ADaM-Zentrums bedienen sich dieser Technologie. Eine kleine Maschine, die am ehesten mit den gängigen 3D-Druckern vergleichbar ist, und eine große, mit der dank Bauraumheizung auch Spezialkunststoffe wie elektrisch leitfähiges ESD-Material oder besonders hitzeresistente Kunststoffe verarbeitet werden können. Materialvielfalt und universelle Einsatzmöglichkeiten sind somit die bedeutendsten Vorteile des Verfahrens: Es werden vor allem ABS-Kunststoffe, unter anderem aber auch PLA, nylonverstärkte Kunststoffe oder TPU verarbeitet.

„Hierfür wird ein Filament, also ein gerollter Kunststoff, durch eine heiße Düse gepresst und vergleichbar mit einer CNC-gesteuerten Heißklebepistole in Würstchen aufgetragen“, beschreibt Stefan Kammann den Vorgang. Einerseits sei dies sehr kostengünstig, andererseits erfordere die schlechtere Oberflächenqualität einen weiteren Schritt im Nachbearbeitungsverfahren. Um die additive Fertigung sinnvoll und für alle Anwendungsbereiche nutzbar zu machen, bedarf es jedoch weitaus mehr als nur der Druckmaschinen. „Man benötigt eine Infrastruktur und weitere Technologien, um die Teile vernünftig zu bearbeiten, zu kombinieren und zu verbauen“, so Kammann

Stefan Kammann von Continental erklärt, wie das Filament beim FDM-Verfahren durch eine heiße Düse gepresst wird.
Stefan Kammann erklärt, wie der gerollte Kunststoff durch eine heiße Düse gepresst wird. (Bild: Claus Dick)

Nahezu unbegrenzte Möglichkeiten

Die Bandbreite des CES-Segments Product Solutions sei mit Kleinserien von jährlich 75 Stück bis hin zu Serienfertigungen von 80.000 Stück im Jahr prädestiniert, um gedruckte Teile mit einzubringen und dadurch andere Technologien zu ergänzen. Je mehr Entwicklungsabteilung, Messlabor, andere Bearbeitungsverfahren sowie die Qualitätssicherung in diesen Prozess eingebunden sind, desto vielseitiger und schneller lassen sich gedruckte Teile in unterschiedlichsten Konzernbereichen verwenden. In diesem Sinne ist das Kompetenzzentrum in die Abläufe des gesamten Mechanikbereichs integriert. Form- und Biegetechnologien wie Stanzen, Ausschneiden, Fräsen und Biegen sind genauso unumgänglich für die Nachbearbeitung wie die notwendigen Waschanlagen.

Da zudem der Bauraum begrenzt ist, können unterschiedliche Schweißverfahren mit der additiven Fertigung kombiniert werden, um größere Teile herzustellen. Auch beim Vakuumguss werden die mit SLA gedruckten Urmodelle genutzt, um in kürzester Zeit eine begrenzte Stückzahl zu reproduzieren. Die Validierung dieser Produkte findet nicht nur auf demselben Stockwerk statt, sondern profitiert gar von den Verfahren selbst. So bestehen manche Halterungen, die bei den Tests mitlaufen, aus gedruckten Materialen. Und auch in andere Fertigungsverfahren sowie Entwicklung und Logistik hält der 3D-Druck Einzug: Es werden Werkzeugteile für den Spritzguss, Hilfsmittel für Radarkammern und Blisterverpackungen für den Transport gedruckt. Die Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt.

Integration in automatisierte Fertigungslinien

„Wir haben etwa eine eilige Anfrage nach teileindividuellen Blisterverpackungen bekommen und diese konnten mit Hilfe des SLS-Verfahrens in weniger als einer Woche genutzt werden. Wenn ich sie extern in Auftrag gebe, würde es Monate dauern“, veranschaulicht Stefan Kammann den vielseitigen Nutzen der Technologie. Zwar seien bisher noch keine Produkte aus der additiven Fertigung in Serie, doch bereits Anfang nächsten Jahres will Continental 9.500 im 3D-Druck entstandene Produkte an einen Volumenhersteller liefern. Doch auch wenn die additive Fertigung der Serienfertigung immer näherkommt – sie lässt sich nur schwer in automatisierte Fertigungslinien integrieren.

Bis die Technologie und die Infrastruktur so weit sind, könnten fünf bis 15 Jahre vergehen, prognostiziert Kammann: „Additive Fertigung ist sicherlich ein wesentlicher Bestandteil von Industrie-4.0-Lösungen und viele Druckerhersteller arbeiten an einer entsprechenden Umsetzung. Es ist zwar der nächste logische Schritt, aber momentan sind wir noch nicht so weit.“ Die Hürden sieht der Experte vor allem in der notwendigen Nachbearbeitung wie dem Entfernen der Stützstrukturen, dem Nachfräsen und Vermessen sowie der Reinigung der Anlagen. Bisher seien diese Schritte noch schwer in eine Linie zu integrieren. Sobald sich neue Anwendungsfälle ergeben, könnte der Wandel in der Produktion jedoch sehr schnell vonstattengehen.

Die Eingangstür zum Kompetenzzentrum für Additive Design and Manufacturing (Adam)
Das Continental-Kompetenzzentrum Additive Design and Manufacturing (Adam) in Karben beherbergt unterschiedliche Anlagen für den 3D-Druck. (Bild: Claus Dick)

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