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,,Hochzeit“ beim VW Amarok: Chassis und Kabine werden zusammengebaut. (Bild: Volkswagen)

Pünktlich zum Start der Amarok-Produktion in Hannover Ende Juni 2012 war das neue System einsatzbereit: Mit einem Blackbox-Simulationsmodell will Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN) seine Produktionsplanung effektiver gestalten.

Entwickelt wurde das Modell von Wissenschaftlern des Institutes für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen am Produktionstechnischen Zentrum Hannover (PZH) der Leibniz Universität. Den Auftrag des Konzerns zog das Team um die beiden Diplom-Wirtschaftsingenieure Jan Henjes und Stefan Kröning sicher auch deshalb an Land, weil ihr Institut vor zwei Jahren schon eine umfassende Fertigungssimulation für das Werk in Hannover entwickelt hatte. Ganz im Gegensatz zu dieser detaillierten Lösung ging es Volkswagen bei der Simulation von Produktionsplanung und Materialfluss um ein möglichst einfaches, sehr zuverlässiges Modell für seine Schichtmeister.

Weniger Daten bedeuten zwar weniger Information, aber auch weniger Aufwand, denn jeder zusätzliche Parameter muss zusätzlich aufwendig einprogrammiert werden. Die Schichtmeister gleichen bei Volkswagen Nutzfahrzeuge die planerischen Vorgaben mit der aktuellen realen Situation ab. Sie prüfen ob den Aufträgen entsprechend genügend Material vorhanden ist, ob die Zahl der Mitarbeiter ausreicht oder ob die Anlage andererseits nur ungenügend ausgelastet ist.

Wenn Engpässe oder Überhänge bei Material, Maschinenverfügbarkeit und Mitarbeitern drohen, greifen sie ein und korrigieren – ebenso bei Staus vor einzelnen Stationen der Fertigung, denn auch das ist aus  betriebswirtschaftlicher Sicht Verschwendung. Was für die Simulation so einfach modelliert wird, ist zunächst einmal sehr komplex.

Fast 1 000 Autos und Karosserien verlassen täglich das Nutzfahrzeugwerk in Norddeutschland und die Obhut seiner 12 000 Mitarbeiter. Gebaut werden dort seit fast 60 Jahren der „Bulli“ (aktuell die T5-Baureihe), seit drei Jahren die lackierten Karosserien der Porsche-Edellimousine Panamera und seit zwei Monaten der Pickup Amarok. Die sehr unterschiedlichen Fahrzeuge durchlaufen zahlreiche Stationen in den Fertigungsbereichen Karosserie, Lackieren und Montage.

Eine zentrale Frage lautet deshalb: Welche Daten sind für die Schichtplanung wirklich wichtig? Es sind nur wenige Parameter (Variablen) für jede der Stationen und dazu ein Puffer, der Material und Teilebestände zwischen den Stationen darstellt. Generiert werden die Daten mit einem Blackbox-Modell. Dabei handelt es sich nicht um die Datenaufzeichnung wie bei Flugzeugen, sondern um ein System, bei dem für den Nutzer nur Daten-Input und Ergebnis-Output wichtig sind, der Softwarecode und die Art der Berechnung bleiben hingegen „black“, also verborgen. In dieser Blackbox ist jede der zahlreichen Stationen mit einigen Parametern repräsentiert.

Das Modell sei trotz bewusst beschränkter Parametrisierung sehr leistungsfähig, nicht nur bei der Erhöhung der Planungsqualität oder der Vorbereitung auf ungeplante Störungen wie Maschinenschäden oder Mitarbeiterausfälle, wie Robert Weglage, Leiter der Programmplanung und Steuerung bei VWN betont: „Damit kann man alternative Schichtmodelle und Taktungen sehr schnell prüfen und sogar die Integration etwa einer Decklackstraße aussagefähig modellieren.“

„Das Blackbox-Modell sorgt letztlich für eine deutlich bessere Planungsqualität. Man ist zum Beispiel besser auf plötzliche Störungen vorbereitet, kann sofort Gegenmaßnahmen einleiten und so Ausfallzeiten senken“, erklärt Entwickler Jan Henjes. In Hannover ist das System bereits Teil der Fertigung, jetzt soll seine Verwendbarkeit in anderen Werken des Volkswagen- Konzerns überprüft werden.

Henjes sieht indes aber noch weitere Einsatzmöglichkeiten, auch über den Autobereich hinaus. Denn das Modell entstand auf der Grundlage der Software Plant Simulation von Siemens PLM, und die ist nicht nur bei VW und fast allen deutschen Autokonzernen Standard, sonder in Deutschland die führende Fabriksimulationssoftware überhaupt. Das eröffnet zahlreiche  Einsatzmöglichkeiten – vor allem auch deshalb, weil die Planung der Fertigungsabläufe nicht zuletzt bei vielen mittelständischen Unternehmen noch auf fehleranfälligen Excel-Tabellen basiert.

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