Vor Selbstbewusstsein strotzend präsentierte sich das Softwarehaus SAP mitsamt ihres Co-Chefs Jim Hageman Snabe auf seiner Hausmesse Sapphire im November in Madrid. Analysten waren sich indessen uneins, ob bei all der Technik auch wirklich ein Nutzen für die Anwender dabei herausspringt. Das Potential dazu, so der Minimalkonsens der von AutomotiveIT befragten Branchenbeobachter, ist immerhin vorhanden. War die Veranstaltung in den Jahren unter dem ehemaligen Konzernlenker Leo Apotheker eher eine anwendungs- und verkaufsorientierte Show gewesen, so stand dieses Mal die nackte Technologie im Mittelpunkt – Hageman Snabe und seine Mannschaft überließen es weitgehend der Phantasie und der Kompetenz der Kunden, sich einen Reim auf die technikzentrierten Aussagen ihres Softwarelieferanten zu machen. Nicht alle waren davon restlos begeistert. „Ich war, ehrlich gesagt, sehr enttäuscht“, bekannte Forrester-Analyst Holger Kisker. „Die Kundenindustrien hatten auf der Veranstaltung keinerlei Fokus, was für SAP eigentlich untypisch ist“. Besonders gilt das für SAPs In-Memory-Datenbanktechnik HANA. Sie stellt – neben dem angestammten ERP-Kerngeschäft, Cloud-Angeboten und Mobility – einen der vier strategischen Pfeiler dar, denen SAP seine Zukunft anvertrauen will. „Mobility und, mehr noch, HANA brauchen einen Industriekontext, um relevant zu sein“, kritisierte Kisker. „Schnelle Analytics-Appliances gibt es schon genügend am Markt“.

Auch aus der Sicht von Gartner-Analyst Thomas Otter vertraute SAP zu sehr auf den kühlen Glanz der reinen Technik. Ihm fehlten ebenfalls konkrete Aussagen zu Real-World-Anwendungen und zum Kundennutzen. „Sie haben die Kunden heiß gemacht, aber jetzt ist es an der Zeit zu sagen, welche Projekte sich mit HANA lohnen und welche nicht“, sagte Otter. Zwar stellte SAP auf der Veranstaltung bereits HANA-Pilotprojekte vor. Der österreichische Getränkehersteller und Rennsport-Sponsor Red Bull beispielsweise wertet damit die Vertriebsdaten seiner weltweit verzweigten Niederlassungen aus. Die Krankenkasse AOK knetet mithilfe von HANA die Datenmenge aus Behandlungsdaten und Rezepten durch, um daraus betriebswirtschaftlich verwertbare Trenddaten zu gewinnen. Beide Anwender lobten den durch die Umstellung auf HANA erzielten Performancegewinn in den höchsten Tönen. Für manche Beobachter liegt das eigentliche Potential von Hana aber im möglichen Einsatz in transaktionalen Operativsystemen. „Viel wichtiger als Analytics ist es, Business-Prozesse darauf abzubilden“, kommentierte Kisker. Allerdings ist einstweilen unklar, wie das gehen soll und wieviel Aufwand damit verbunden sein wird. „Keiner weiß bisher, was das den Kunden kosten wird“, bremst Niemann die Begeisterung. „Man sollte nicht glauben, dass das mit einer einfachen Portierung des Programmcodes getan wäre. Da muss man schon mehr tun“.

Wenngleich SAP keine spezifischen Einsatzszenarien und Strategien für die Automobilindustrie vorstellte, sehen die Analysten doch einiges Potenzial für die HANA-Technik im diesem Umfeld. Immerhin sieht Niemann in SAPs vorgestellter Mobility-Strategie einige Relevanz für das Themenfeld Connected Car. „Nicht nur wegen der Mobility-Lösungen als solchen, sondern auch wegen der Software Developer Kits (SDKs) für mobile Lösungen und der Software-Infrastruktur, die sich daraus im Verbund mit der Middleware Sybase Unwired Platform ergibt, sortierte Niemann die Komponenten. In diesem Zusammenhang müsse man auch das Sybase-Tool Asaria nennen, mit dem sich in mobilen Geräten – also auch in vernetzten Autos – Security Policies einführen, erklärte der Experte. IDC-Analyst Spies fällt zu dem Themenpaar SAP und Autoindustrie eine ganz andere SAP-Software ein. „Dieser Kontext führt zur Trading-Plattform von Crossgate. Damit lassen sich Prozessketten unternehmensübergreifend gestalten, also etwa zwischen OEM und Tier One“, so Spies. Das Ganze ist noch taufrisch. Die Vermarktung der Software des erst im November übernommenen Cloud-Software-Anbieters soll wohl ab dem nächsten Jahr richtig losgehen, vermutet Spies.

 

Autor: Christoph Hammerschmidt

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