Reinhard Unkhoff, Bauingenieur für Verkehrswesen (automotiveIT 12/2012)

Quietschende Reifen, Flüche, Hupen – Alltag im Straßenverkehr. Rote Ampeln sind häufig die Auslöser und für viele Verkehrsteilnehmer ein rotes Tuch. Ohne den Verkehrsingenieur würde Chaos herrschen. (Bild: Claus Dick)

Ohne Ampeln herrscht das Chaos. „Über Ampeln werden die Zeiten so zugeteilt, dass jeder Verkehrsteilnehmer halbwegs zufrieden ist“, sagt Reinhard Unkhoff (Bild). Der 54-Jährige ist Bauingenieur für Verkehrswesen und hat am Institut für Straßen- und Verkehrswesen in Stuttgart promoviert. Von dort wechselte er ins Tiefbauamt der Stadt Stuttgart, war zunächst Sachbearbeiter, heute ist er zuständig für die Lichtsignalsteuerung im ganzen Stadtgebiet. Fußgängerampeln und Ampeln für die Stadtbahn sind einfache Anlagen mit immer demselben Schema, aber unterschiedlichen Zuteilungszeiten. Kompliziert wird es, wenn unterschiedliche Verkehrsströme aufeinandertreffen. Dann gibt es für jede Kreuzung ein System aus Steuergeräten und Software mit Morgen-, Mittag- und Abendmodus. „Technisch gesehen sind alle Anlagen weitestgehend voneinander unabhängig. Sie werden nur dann vom zentralen Verkehrsrechner gesteuert, wenn die Ampeln Teil einer grünen Welle sind.“ Das ist eine Anforderung an die Software, andere lauten: Müssen Bus und Bahn bevorzugt behandelt werden oder sollen die Fußgänger die Straße auf einmal überqueren oder nur bis zur Hälfte? „Jede Kreuzung hat ihre Besonderheit und mit diesem Wissen beauftragen wir Ingenieurbüros, die darauf spezialisiert sind, die Software zu erstellen.“ Das geschieht mit Hilfe von speziellen Softwaretools. Für die Fußgängerüberwege liefern die Ampelhersteller skalierbare Software gleich mit. „Weil für die Programmierung neben Informatikkenntnissen spezielles Verkehrswissen notwendig ist, machen das eher Ingenieure, seltener Informatiker.“

Diese Spezialisten kommen etwa von der Technischen Universität Dresden. Dort gibt es den einzigartigen Studiengang Verkehrsingenieurwesen. Das Grundstudium ist für alle gleich: Mathematik, Elektrotechnik, Maschinenwesen, Kinematik und Optimierungsmethoden. Im Hauptstudium wird unter anderem die Fachrichtung Verkehrsplanung und Verkehrstechnik angeboten. „Lichtsignalsteuerung könnte man auch dazu sagen“, so Reinhold Maier, Lehrstuhlinhaber für Straßenverkehrstechnik und Theorie der Verkehrsplanung. Nach seinen Schätzungen beschäftigen sich deutschlandweit etwa 100 000 Ingenieure mit Verkehrsströmen zu Lande, auf dem Wasser und in der Luft. „Ein Drittel davon sind reine Verkehrsingenieure aus Dresden, zwei Drittel Bauingenieure mit Vertiefungsrichtung Verkehrsplanung und Verkehrswesen.“ Oder sie haben nach einem Ingenieurstudium mit Bachelor-Abschluss einen Master im Verkehrswesen folgen lassen. Die Jobchancen seien bestens und das Einstiegsgehalt liege zwischen 40 000 und 45 000 Euro in öffentlichen Einrichtungen, in der freien Wirtschaft etwas darüber. Beide Experten nennen verkehrsabhängig gesteuerte Anlagen als den Trend der Zeit, der hilft, Wartezeiten zu verkürzen und die Umwelt zu entlasten. Sensoren fragen den Verkehrszufluss an einer Kreuzung ab und regeln dementsprechend die Farbphasen. Sehr intelligente Anlagen berechnen sogar die Entwicklung des Zuflusses und stellen die Zeiten aufgrund von Erfahrungswerten verkehrsflussoptimiert ein. Gemessen wird jeweils über Induktionsschleifen in der Fahrbahndecke. „Im Stadtgebiet Stuttgart können wir durch verkehrsabhängig gesteuerte Anlagen die Wartezeiten insgesamt um etwa zehn bis 15 Prozent senken“, so Unkhoff. Starre Anlagen sind Auslaufmodelle.

Autor: Peter Ilg

Foto: Claus Dick

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