Ein Laptop auf einem Tisch, der einen Code anzeigt.

Wer die Zahlenberge, Tabellen und Balkengrafiken nicht beurteilen und interpretieren kann, gilt als Daten-Analphabet und kann leicht manipuliert werden.

Fakten und Zahlen werden häufig synonym benutzt, wenn es darum geht, Behauptungen zu belegen. Schließlich sind Zahlen unumstößlich und erlauben keinen Interpretationsspielraum – so zumindest die weitverbreitete Vorstellung. Doch dann gibt es auch noch den berühmten Satz: Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Ob Winston Churchill das wirklich gesagt hat, ist umstritten, doch was damit gemeint ist, trifft auf jeden Fall zu: Mit Zahlen und Daten lassen sich leicht manipulative Eindrücke vermitteln.

Das geht umso leichter, je geringer das Zahlenverständnis des Lesers ist. „Data Illiteracy“ ist der englische Begriff für ein mangelhaftes Datenverständnis, was wörtlich übersetzt so viel wie Daten-Analphabetentum bedeutet. Das Gegenteil ist dann „Data Literacy“, also die Fähigkeit, Zahlen und Daten richtig zu interpretieren. Im deutschen Sprachgebrauch hat sich dafür der etwas weniger präzise Begriff der „Datenkompetenz“ durchgesetzt, der aber inhaltlich mit Data Literacy identisch ist.

Schwere Zeiten für Daten-Analphabeten

Das Thema könnte man als eine philologische Spielwiese abtun, wäre da nicht der Daten-Tsunami, der auf die Managementebenen heutiger Unternehmen eingebrochen ist. „Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts“, „Datenwissenschaftler sind die modernen Businessgurus“ und „Vorhersagemodelle statt Glaskugel“ lauten die Werbesprüche der IT-Anbieter, mit denen sie immer raffiniertere KI- und ML-basierte Algorithmen verkaufen, um damit den Managern vermeintlich objektive Entscheidungsgrundlagen an die Hand zu geben.

Wer aber die gelieferten Zahlenberge, Tabellen und Balkengrafiken nicht beurteilen und interpretieren kann, gilt als Daten-Analphabet und kann leicht manipuliert werden. Das ist den auf Analytics spezialisierten Anbietern durchaus bekannt und deshalb fordern sie, dass die Datenkompetenz bei den Anwendern verbessert werden muss. „Wir erleben eine rasante Ausbreitung von computergestützten Entscheidungen. Das aber erfordert bei den Entscheidern und Anwendern ein zunehmendes Algorithmenverständnis“, sagt Jim Goodnight, CEO von SAS Institute, einem Anbieter von modernen Analyseprogrammen.

Beispiele für Datenmanipulation

Es gibt sehr viele unterschiedliche Formen der Manipulation von Daten und Statistiken. Besonders leicht lassen sich Ergebnisse verzerren, wenn sie in grafischer Form ausgegeben werden – denn der Mensch ist bekanntermaßen optisch manipulierbar. Bei Businesspräsentationen ist die häufigste und einfachste Manipulationsform die, dass überlagerte Kurven mit jeweils unterschiedlichen Skalierungen dargestellt werden. Auch das Zoomen auf marginale Veränderungen, die dann einen apokalyptischen Trend suggerieren, gehört in diese Trickkiste. Eine weitere Manipulationsmöglichkeit sind unzulässige Relationen – vor allem das Verwechseln von Korrelation und Kausalität. Doch die höchste Kunst der Manipulation mit Daten ist das Verstecken der Ausgangsdaten.

Hierbei wird das Sample so gewählt, dass sich ein gewolltes Ergebnis einstellt, ohne dass man explizit darauf hinweist. Beispielsweise wird allgemein gesagt, dass Deutschland bei der Internetgeschwindigkeit im internationalen Vergleich nicht auf einem der vorderen Plätze anzutreffen ist. Doch die dazu zitierten Statistiken sind allesamt fehlerhaft. Entweder berücksichtigen sie nicht den IPV6-Datenverkehr oder die VPN-Zugänge oder die Daten basieren auf Messungen bei freiwilligen, nicht repräsentativen Teilnehmern. Das erfährt man aber immer erst dann, wenn man tief in die Methodikhinweise einsteigt.

Industrie 4.0 erfordert Datenkompetenz

Diese wenigen Beispiele zeigen, dass Datenkompetenz beziehungsweise datenkompetente Mitarbeiter kein Nice-to-have sind. „Unsere Untersuchungen zeigen ganz deutlich, dass die Unternehmen, deren Mitarbeiter über eine hohe Datenkompetenz verfügen, zu den High Performern gehören“, sagt Lorin Hitt von der Wharton Business School an der University of Pennsylvania. Ein besonders wichtiges Anwendungsgebiet von datenbasierten Entscheidungen – und damit der Notwendigkeit einer hohen Datenkompetenz – ist Industrie 4.0.

„Die Gewinner der vierten industriellen Generation werden diejenigen sein, die über entsprechende Datenfähigkeiten verfügen. Das sind nicht nur die Datenanalysten und Datenwissenschaftler, sondern jene Manager und Sachbearbeiter, die die richtigen Schlüsse aus den bereitgestellten Daten und Maschineninformationen ziehen können“, sagt Jordan Morrow, Datenkompetenzexperte vom Analytics-Anbieter Qlik. Das Unternehmen ist auf diesem Gebiet besonders aktiv. So hat Qlik bereits vor einiger Zeit das „Data Literacy Project“ ins Leben gerufen, dessen Ziel es ist, die Businesswelt für dieses Thema zu sensibilisieren und die Datenkompetenz in den Unternehmen zu steigern. Inzwischen haben sich dieser Initiative weitere Unternehmen angeschlossen, darunter Accenture, Cognizant und Experian.

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