Strategy

25. Jun. 2025 | 10:00 Uhr | von Yannick Tiedemann

René Wies, BMW

„Die Murmel muss schnell und sicher durchs System rollen“

BMW treibt den Direktvertrieb weiter voran – und damit eine der größten IT-Transformationen überhaupt. Im Interview erklärt René Wies, wie es gelang, im agilen Schulterschluss zwischen Business und IT erfolgreich Datensilos zu sprengen.

rené wies, bmw

René Wies, VP & Head of IT for Customer, Brand and Sales bei BMW, hatte mit seinem Team einige IT-Roadblocks auf dem Weg zum Direktvertrieb aus dem Weg zu räumen – und der Prozess ist noch längst nicht abgeschlossen. (Bild: BMW)

BMW transformiert sein Vertriebsmodell grundlegend: Der bayerische Premium-OEM stellt derzeit die Marke Mini und zukünftig auch BMW in Europa auf Direktvertrieb um – mit weitreichenden Folgen für IT, Handel und Kundenerlebnis. Für René Wies, VP & Head of IT for Customer, Brand and Sales, ist dieses Projekt nicht nur eines der größten Transformationsvorhaben der Unternehmensgeschichte, sondern auch ein Musterbeispiel für die neue Art der Zusammenarbeit zwischen Business und IT. Im Interview mit automotiveIT spricht Wies über den Plattformansatz hinter dem Rollout, die agile Synchronisation mit über 1.000 Beteiligten, die Rolle der Händler in der digitalen Zukunft – und warum echte End-to-End-Prozesse ohne technische Silos das Fundament für datengetriebene Innovationen bilden.

Herr Wies, was sind aus Ihrer Sicht die zentralen strategischen Ziele des neuen Direktvertriebsmodells von BMW. Und welchen Beitrag leistet die IT konkret zur Erreichung dieser Ziele?

Zentrales Ziel ist es, das Kundenerlebnis zu verbessern und eine direkte Vertragsbeziehung zwischen der BMW-Gesellschaft und unseren Kunden aufzubauen. Damit schaffen wir die Basis für ein konsistentes Kundenerlebnis – insbesondere an der Schnittstelle zwischen physischer und digitaler Welt. In der Vergangenheit wussten wir beispielsweise nicht, welche Probefahrten ein Kunde gemacht hat oder bei wie vielen Händlern er war. Diese Fragmentierung wollen wir überwinden und ein durchgängiges, nahtloses Erlebnis ermöglichen – von der ersten Online-Konfiguration bis zur Fahrzeugübergabe. Dabei spielt die IT eine zentrale Rolle. Allein im Sales-Bereich haben wir in Europa mit über 700 Applikationen gearbeitet – ohne dabei Aftersales, Service, Personal- oder Finanzsysteme mitzuzählen. Deshalb ist eine unserer wichtigsten Aufgaben die Harmonisierung der Prozesse und Systeme in den 24 europäischen Märkten. Wir setzen dabei auf eine Plattformstrategie, um nicht 24 Einzellösungen pflegen zu müssen. Das bedeutet: Wir kombinieren Best-of-Breed-Lösungen wie Salesforce, SAP oder Adobe mit Eigenentwicklungen – etwa die Customer ID –, um eine konsistente, skalierbare Infrastruktur aufzubauen.

Inwieweit verändert sich durch den Direktvertrieb das Verhältnis zwischen BMW, Handelspartnern und Endkunden? Wie orchestrieren Sie diese neue Dreiecksbeziehung technisch und operativ?

Diese Dreiecksbeziehung ist keineswegs neu. Der Handel bleibt unsere wichtigste lokale Anlaufstelle, mit einem klaren Fokus auf Kundenbetreuung, Beratung, Probefahrt, Fahrzeugübergabe und Aftersales-Services. Diese Rolle ändert sich also kaum. Was sich ändert, ist die rechtliche Vertragsbeziehung: Der Kaufvertrag wird künftig direkt mit der BMW-Landesgesellschaft abgeschlossen. Oder ganz plakativ gesagt: Auf dem Briefkopf steht nun BMW und nicht mehr der Händler.

Und die Kunden?

Die Kunden erhalten weiterhin die Beratung und Betreuung vor Ort, aber in einem durchgängigen System. Im Hintergrund verändert sich vieles, insbesondere die Art, wie wir Prozesse orchestrieren und Daten nutzen. Wir gewinnen damit ein viel besseres Verständnis für Kundenbedürfnisse und erhalten einen vollständigen Einblick in die End-to-End-Customer-Journey. Dabei ist mir wichtig zu betonen: Unsere Händler bleiben ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Sie führen die Verkaufsgespräche und pflegen die Beziehung zum Kunden. Das können wir aus der BMW-Zentrale heraus gar nicht leisten.

Kundenbedürfnisse sind das eine, aber kennen Sie jetzt auch die Wünsche und Anliegen Ihrer Händler vor Ort besser?

Absolut. Wir haben heute deutlich mehr Transparenz, sowohl in Bezug auf die Kunden- als auch auf die Fahrzeugdaten. Diese Informationen teilen wir nun strukturiert zwischen Händlern und BMW. Auch finanzielle Aspekte wie Preise, Liefertermine oder Order-Stati sind systemseitig durchgängig verfügbar. Früher liefen diese Prozesse isoliert im Dealer Management System des Händlers, heute finden sie in unseren Systemen statt. Das bringt viele Vorteile: Wir können beispielsweise Finanzierungsangebote schneller und zielgerichteter gestalten. Wenn sich Produkt- oder Preisänderungen ergeben, lassen sich diese sofort in die Finanzierung integrieren. Diese Durchgängigkeit ist ein echter Mehrwert, vor allem für unsere Kunden.

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Im Hintergrund verändert sich vieles, insbesondere die Art, wie wir Prozesse orchestrieren und Daten nutzen.

René Wies, BMW

Das Projekt gilt als eines der größten IT-Transformationsvorhaben in der BMW-Geschichte. Was waren aus IT-Sicht die größten Herausforderungen bei der Harmonisierung der Vertriebsarchitektur in 24 Märkten?

Die größte Herausforderung bestand sicher darin, eine Standardisierung über 24 europäische Länder hinweg zu etablieren – und das bei höchst unterschiedlichen regulatorischen Rahmenbedingungen. Das betrifft nicht nur prozessuale Aspekte, sondern auch die technologische Basis. Wir haben deshalb konsequent auf Cloud-Architekturen umgestellt und so eine echte technologische Harmonisierung erzielt. Und das bei 700 Applikationen und knapp 300 Prozessen. Ein weiteres zentrales Element war der Wandel in der Zusammenarbeit: Business und IT, aber auch Finance, Banking und Sales haben in einem agilen Set-up eng zusammengearbeitet – und zwar nicht nur in der Theorie, sondern in der konkreten operativen Umsetzung. Wir haben funktionsübergreifende Teams gebildet, Tandem-Führungsrollen eingerichtet und Tools wie Jira, Confluence oder Xray Testing durchgängig eingeführt. Anders als früher haben wir uns nicht erst monatelang Konzepte überlegt und diese dann an die IT „weitergereicht“, sondern iterative Prozesse gemeinsam gestaltet. Für mich persönlich ist diese neue Arbeitsweise – diese echte Verzahnung von Fachbereichen und IT – vielleicht sogar die viel entscheidendere Transformation im Vergleich zur Technik selbst. Ein Beispiel dafür: Auch mit unseren Handelspartnern haben wir gemeinsam neue Prozesse entwickelt. Für viele war das ein großer Umbruch. Prozesse, die über 20 Jahre hinweg gelebt wurden, wie etwa das Buchen einer Probefahrt oder die Inzahlungnahme eines Fahrzeugs, mussten neu gedacht werden. Die Kunden haben diesen Wandel erstaunlich gut angenommen.

Ist vor allem das Thema agile Prozesse eine besondere Herausforderung, wenn man schaut, wie viele Stakeholder im internationalen Vertriebsgefüge eines Autobauers unterwegs sind?

Natürlich, die Komplexität ist enorm. Aber wir kommen aus einer Branche, in der Großprojekte Alltag sind. In der Fahrzeugentwicklung etwa orchestrieren wir auch tausende interne und externe Stakeholder über viele Jahre hinweg. Diese Erfahrung konnten wir für das Direktvertriebsprojekt gut adaptieren. Wir haben mit einem sogenannten Synchroplan gearbeitet – also mit definierten Synchronisationspunkten, an denen unterschiedliche Handlungsstränge wie Customer-Facing-Systeme, Invoicing oder Accounting aufeinander abgestimmt wurden. Wir haben sogar die Systemgrenzen von Jira und Confluence erreicht, so groß war die Skalierung. Eine einheitliche Taktung, die sogenannte One Cadence, hat uns geholfen, all diese Bereiche synchron zu halten. Dadurch wussten wir jederzeit, wer im Zeitplan ist, wo Verzögerungen drohen und wo wir Anpassungen im Testlauf vornehmen müssen. Diese Stringenz, kombiniert mit einem gewissen Maß an Flexibilität, war essenziell für den Erfolg.

Können Sie uns Einblicke in die neu entwickelte Systemlandschaft geben? Welche Schlüsseltechnologien – etwa für ID-Management, Konfiguration oder Preislogik – wurden eingeführt oder modernisiert?

Wir haben eine durchgängige Customer ID eingeführt, die für Mini wie für BMW gilt, im Connected-Drive-Umfeld ebenso wie im B2C- und B2B-Bereich. Diese eindeutige Kundenidentifikation ist ein wichtiger Grundpfeiler. Zudem haben wir eine einheitliche User Experience definiert, sowohl für unsere Endkunden als auch für unsere Händler. Das System, mit dem man im Web arbeitet, ist dasselbe, mit dem auch unsere Retail-Partner arbeiten. Technologisch setzen wir vollständig auf die Cloud. Das hat uns nicht nur Skalierbarkeit, sondern auch hohe Stabilität und Sicherheit beschert. Eine große Herausforderung – aber zugleich ein echter Fortschritt – war die Einführung eines unternehmensweiten Streaming-Dienstes auf Basis von Kafka. Damit orchestrieren wir Prozesse über verschiedene Systeme hinweg: von der Planung, Konfiguration, über die Fahrzeugbestellung, bis hin zur Finanzierung und Auslieferung. Jede Änderung muss zuverlässig über alle relevanten Systeme hinweg durchgeschleust werden. Wichtig war zudem das End-to-End-Testing. Bei einem Rollout in bis zu acht Märkten gleichzeitig braucht man saubere Testdaten, automatisierte Testprozesse und enge Zusammenarbeit der Teams. Wir haben zudem bewusst keinen MVP-Ansatz gewählt – also keine Minimalversion –, sondern ein vollständiges Prozessbild umgesetzt. Ich spreche da lieber von einem „Most Lovable Product“, also einem System, das unsere Märkte und Verkäufer wirklich überzeugt. Denn mit Gewalt rollt man ein solches System nicht in 24 Ländern aus. Entscheidend dabei war, dass wir die Handelspartner früh eingebunden haben. Gemeinsam mit ihnen und den DMS-Providern haben wir Workshops durchgeführt, Schnittstellen definiert und sogar APIs neu spezifiziert, oft basierend auf konkreten Anforderungen aus dem Handel.

Wie gelingt die digitale Integration der Handelspartner in das neue Modell? Gibt es Schulungen, Schnittstellen oder neue Tools, mit denen BMW die Händler digital aufrüstet?

Wir haben verschiedene Maßnahmen umgesetzt, um unsere Händler bestmöglich in das neue System zu integrieren. Zunächst bieten wir ein zentrales Informationsportal, das direkt an die relevanten Daten und Systeme angebunden ist. Darüber läuft eine strukturierte Kommunikation, die sicherstellt, dass alle Beteiligten jederzeit auf dem aktuellen Stand sind. Ein zentraler Baustein waren unsere Face-to-face-Trainings: Dabei werden reale Szenarien durchgespielt, sodass die Händler die neuen Prozesse praxisnah erleben können. Zusätzlich verfügen wir über ein durchgängiges Customer-Lifecycle-Management-System, das die redundante Pflege von Daten überflüssig macht. Wichtig war uns auch, eine sogenannte Sandbox-Umgebung bereitzustellen. Also eine Testplattform, in der Händler Funktionen vor und nach dem Go-Live realitätsnah ausprobieren konnten. Diese Möglichkeit war besonders hilfreich, um Sicherheit im Umgang mit dem System zu gewinnen. Alles in allem setzen wir stark auf Beteiligung, Transparenz und kontinuierliche Informationsversorgung – denn das System lebt und entwickelt sich stetig weiter.

Frau schaut aufs Handy, im Hintergrund steht ein Mini Cabrio
Der Rollout des neuen Direktvertriebs mit individueller Customer-ID begann im Mini-Ökosystem. (Bild: BMW)

Wie gehen Sie aus IT-Perspektive mit der Heterogenität der regulatorischen, steuerlichen und datenschutzrechtlichen Anforderungen der einzelnen Märkte um, in denen der Direktvertrieb eingeführt werden soll?

Wir haben einen standardisierten technischen Stack entwickelt, der über sogenannte Templates marktspezifisch angepasst werden kann. So können wir beispielsweise unterschiedliche steuerliche oder logistische Anforderungen abbilden – etwa in der Rechnungsstellung oder der Steuer-ID-Erfassung. Dabei unterscheiden wir klar zwischen funktionalen Must-haves, regulatorischen Notwendigkeiten, differenzierenden Funktionen und Altlogiken, die historisch gewachsen sind, aber überprüft werden müssen. Unsere Priorität beim Go-Live war immer klar: Die Murmel – wie wir intern den Datenfluss bezeichnen – muss durch das System rollen. Und zwar durchgängig, schnell, sicher und compliant. Erst danach kommen zusätzliche Features.  Insgesamt erfüllen wir heute etwa 98 bis 99 Prozent der Anforderungen, die wir im Vorfeld kannten – und haben rund 10 Prozent zusätzlicher Funktionalitäten integriert, die erst im Laufe des Projekts sichtbar wurden.

Wie gelingt es Ihnen, über alle Kanäle hinweg – Online, Handel, App, Fahrzeug – ein durchgängiges Kundenerlebnis zu schaffen, ohne Medienbrüche oder doppelte Datenhaltung?

Wir denken das Erlebnis entlang von drei durchgängigen Datenströmen – oder „Streams“, wie wir sie nennen: Der Vehicle Data Stream umfasst sämtliche fahrzeugbezogenen Daten, etwa im Konfigurator, bei Angeboten oder der Finanzierung. Mit einer konsistenten Customer ID stellen wir im Customer Data Stream sicher, dass ein Kunde in jedem System als dieselbe Person erkannt wird – egal ob online oder im Autohaus. Im dritten Datenstrom, dem Value Data Stream geht es um finanzielle Werte, etwa Preise, Raten, Anzahlungen, die über den gesamten Prozess hinweg konsistent bleiben müssen. Wenn alle drei Streams synchronisiert und konsistent sind, entsteht ein echtes, durchgängiges End-to-End-Erlebnis. Bricht auch nur einer dieser Ströme, etwa weil sich die Fahrzeugkonfiguration nicht mit dem Finanzierungsangebot deckt oder die Zahlungsfreigabe bei der Übergabe fehlt, würde das Kundenerlebnis massiv leiden. Die Herausforderung liegt darin, diese Ströme über alle Touchpoints – von der Website bis zum Point-of-Sale – technisch und logisch sauber abzubilden. Früher waren viele dieser Prozesse in Silos organisiert; heute läuft dies end-to-end. Änderungen im Kundenprofil, bei Finanzierungswünschen oder im Eigentumsverhältnis müssen jederzeit systemübergreifend nachvollziehbar und umsetzbar sein.

Inwiefern setzen Sie KI und Machine Learning für die Vertriebsprozesse ein – sowohl intern als auch „vor Kunde“?

Erstmal muss man klar sagen: Erst durch die Standardisierung der Systemlandschaft wird der flächendeckende Einsatz von KI wirklich möglich. Mit isolierten Lösungen in jedem Markt wäre das nicht skalierbar. Die jetzige Transformation legt also den Grundstein für datenbasierte Intelligenz. Bereits heute setzen wir KI in verschiedenen Bereichen ein. Etwa zur Optimierung von Konfigurationen, bei der Analyse von Vertriebschancen oder zur Unterstützung bei der Preisbildung. Dabei gilt: AI supported, human decided. Unsere Preissetzung berücksichtigt Restwerte, Finanzdaten, Wettbewerbsinformationen – und wird durch KI unterstützt, nicht ersetzt. Im Hintergrund nutzen wir KI auch zur Steuerung des Bestellwesens: Welche Fahrzeuge sollen im Showroom stehen? Welche Modelle sollten langfristig geordert werden? Diese Entscheidungen werden durch KI-basierte Empfehlungssysteme begleitet. Auf IT-Seite gehen wir noch einen Schritt weiter: Wir generieren automatisiert Testfälle für End-to-End-Prozesse, basierend auf hinterlegtem Prozesswissen. Zudem entwickeln wir Chatbots für den Vertrieb, die konkreten Antworten auf komplexe Szenarien liefern können: Was passiert bei einer nachträglichen Änderung am Fahrzeug? Wie ändert sich die Logistikkette, wenn das Fahrzeug aus einem anderen Werk kommt? Solche Tools basieren auf KI und helfen sowohl in der Kundenbetreuung als auch bei internen Abläufen. Kurz gesagt: Wir unterscheiden zwischen KI, die den Businessprozess unterstützt – und KI, die die IT selbst effizienter macht. Beide Felder entwickeln sich derzeit sehr dynamisch weiter.

BMW hat die Einführung in Deutschland und weiteren Kernmärkten verschoben. War das eine rein geschäftspolitische Entscheidung oder auch eine Folge technischer bzw. IT-organisatorischer Komplexität?

Der Fokus liegt aktuell ganz klar darauf, operative Exzellenz im Rollout zu erreichen. Deshalb haben wir den Zeitplan für BMW geringfügig angepasst. Das ist keine Abkehr vom Direktvertriebsmodell, im Gegenteil: Für BMW in Europa bleibt das der zukünftige Vertriebsansatz. Zunächst setzen wir den Rollout mit Mini in den europäischen Märkten konsequent fort.

Wie geht es mit BMW weiter?

BMW bringt aufgrund seines höheren Volumens zusätzliche Anforderungen mit sich: Individualisierungsmöglichkeiten, M-Modelle oder die Auslieferung über die BMW-Welt in München sind nur einige Besonderheiten, die wir systemisch abbilden müssen. Zudem haben wir deutlich mehr Vertriebspartner, die wir in diese Transformation einbinden. Die größte Herausforderung ist dabei nicht technischer Natur, sondern liegt in der Begleitung der Menschen, intern und in der Handelsorganisation. Und wir wollen diese Veränderung exzellent gestalten. Aus IT-Sicht kann ich bestätigen: Wir haben ein stabiles, leistungsfähiges Fundament – sowohl im Frontend als auch im Backend. Es gibt keine Taskforces, die Systeme retten müssen. Die Murmel läuft sauber durch. Die IT ist in der Lage, mit Datenanalysen und KI-gestützten Optimierungen die Fachbereiche aktiv zu unterstützen. Das ist eine sehr erfreuliche Situation.

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Erst durch die Standardisierung der Systemlandschaft wird der flächendeckende Einsatz von KI wirklich möglich. Mit isolierten Lösungen in jedem Markt wäre das nicht skalierbar.

René Wies, BMW

Welche nächsten Märkte stehen auf der Roadmap?

Mit der sogenannten vierten Welle schließen wir den europäischen Rollout für Mini ab. Am 1. Juli gehen acht Märkte live: Bulgarien, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Rumänien, Dänemark und die Schweiz. Einige dieser Märkte – wie Dänemark mit seiner komplexen Steuerlogik – stellen uns vor besondere Herausforderungen. Polen und Österreich sind bereits live, sodass wir mit dieser Welle vor allem die östliche Region finalisieren. Wir decken mit diesen 23 Märken nahezu einhundert Prozent des Mini-Volumens in Europa im Direktvertriebsmodell ab.

Zum Schluss: Welchen mittelfristigen Reifegrad streben Sie für die Vertriebs-IT von BMW an – und wo sehen Sie noch den größten Handlungsbedarf in den kommenden zwei bis drei Jahren?

Zunächst einmal: Aktuell rollen wir diese IT-Systeme für den Direktvertrieb in Europa aus. Aber wir sehen bereits jetzt, dass viele unserer internationalen Märkte großes Interesse an den entwickelten IT-Lösungen auch für den Wholesale-Vertrieb zeigen. Die internationale Skalierung wird deshalb ein nächster logischer Schritt sein. Grundsätzlich bleibt für uns entscheidend: Der Handel ist und bleibt ein zentraler Bestandteil der Customer Journey. Wir sehen unsere Händler als Local Heroes, und sie werden diese Rolle auch künftig einnehmen. Darüber hinaus denken wir bereits darüber nach, wie sich ähnliche Standardisierungsansätze auch in angrenzende Bereiche übertragen lassen, etwa in den Customer Support oder den Aftersales. Denn auch hier sind die Prozesse in den letzten 20 bis 30 Jahren sehr unterschiedlich gewachsen. Eine Vereinheitlichung dieser Landschaft bietet enormes Potenzial. Der vielleicht wichtigste Entwicklungspfad ist jedoch die weitere Integration von datenbasierten Entscheidungsprozessen und künstlicher Intelligenz. Um diese wirklich wirksam nutzen zu können, müssen wir die Systemlandschaft weiter standardisieren. Heute arbeiten wir noch mit etwa 60 Prozent zentralen und 40 Prozent lokalen Systemen, für datengetriebene Prozesse ist das nicht optimal. Unser Ziel ist eine Verschiebung hin zu etwa 90 Prozent standardisierten Plattformen, ergänzt durch 10 Prozent marktspezifische Differenzierung.

Zur Person:

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(Bild: BMW)

Dr. René Wies verantwortet seit 2018 als Vice President die weltweiten IT-Lösungen für „Kunde, Marken, Vertrieb“ sowie die IT der europäischen Vertriebsgesellschaften. Zudem leitet er den IT-seitigen Aufbau des Direktvertriebsmodells der BMW Group in Europa. Der promovierte Informatiker und Betriebswirt ist seit 1997 in verschiedenen Führungsfunktionen bei BMW tätig – unter anderem in der IT, der Fahrzeugentwicklung und der Konzernstrategie. Er war dabei viele Jahre im Ausland aktiv, unter anderem in England, den USA und China. In den Jahren 2016 und 2017 wurde unter seiner Führung das globale IT-Backend für BMW ConnectedDrive und die Fahrzeugvernetzung neu konzipiert und implementiert. Dem Leibniz-Rechenzentrum München steht Herr Wies als beratendes Mitglied im SuperMUC-Lenkungsausschuss zur Seite.

 

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