Pedro Pacheco auf dem automotiveIT Kongress

„Die zentrale Frage ist, ob Volkswagen künftig in der Lage ist, eine konkurrenzfähige Fahrzeugarchitektur selbst zu entwickeln", sagt Gartner-Experte Pedro Pacheco. (Bild: Marko Priske)

Im Bereich Fahrzeugsoftware wirkt es, als würde die VW-Tochter Cariad zunehmend an Bedeutung im Konzern verlieren. Mit welchen Auswirkungen rechnen Sie für Cariad durch die neue Kooperation mit Rivian und wie kann es Volkswagen grundsätzlich gelingen, die vielen verschiedenen in- und externen Player im Rahmen einer Gesamtstrategie effizient zusammenzubringen?

Es ist schwer zu sagen, was mit Cariad passieren wird. Was klar hingegen klar ist, dass in der Strategie von Volkswagen ein massives Umdenken stattgefunden hat. Während am Ende der letzten Dekade noch die Ambition vorhanden war, die Software und die Architektur für die eigenen Fahrzeuge selbst zu entwickeln, kommen die führenden Fahrzeugarchitekturen jetzt von anderen OEMs: Xpeng, SAIC oder Rivian. Die zentrale Frage ist für mich daher, ob Volkswagen künftig in der Lage ist, eine konkurrenzfähige Fahrzeugarchitektur selbst zu entwickeln. Wenn dies nicht gelingt, offenbart es eine große technologische Abhängigkeit von anderen OEMs, was bisher bei Autobauern dieser Größenordnung kaum zu beobachten war.

Gemessen an der eigenen Jahresproduktion und anderen KPIs ist Rivian zwar ein ambitionierter, aber immer noch ein kleiner Player im Automobilmarkt. Welches Kalkül vermuten Sie hinter der Entscheidung Volkswagens, sich einen Partner mit ins Boot zu holen, dessen Zukunft vergleichsweise ungewiss ist?

Mir sind die Gründe dafür, warum Volkswagen Rivian als Partner ausgesucht hat, nicht explizit bekannt. Ich würde allerdings vermuten, dass die prekäre Finanzsituation von Rivian einer der Gründe gewesen sein dürfte, sich für die Idee eines Technologietransfers an Volkswagen zu erwärmen. Außerdem kommt Volkswagens neuer Chief Software Officer Sanjay Lal von Rivian. Er könnte beim Zustandekommen der Partnerschaft eine Rolle gespielt haben.

Im Fokus der Kooperation steht das Software-Defined-Vehicle. Hat Rivian hier einen Vorsprung gegenüber den etablierten Autoherstellern?

Im Digital Automaker Index von Gartner, der die Software-Fähigkeiten verschiedener Autohersteller vergleicht, steht Rivian aktuell auf dem vierten Platz. Auf dem ersten Rang findet sich hier Tesla, gefolgt von Nio und Xpeng. Für Rivian spricht unter anderem, dass sie als einer von wenigen Autobauern ein Fahrzeug mit zonaler Architektur auf der Straße haben.

Volkswagen hat sich beim aktuellen Joint Venture für einen anderen Autohersteller entschieden statt für einen Partner aus der IT-Branche. Welche Gründe hat das?

Ich sehe Rivian eher als eine Mischung aus Autobauer und Tech-Company. Im Gegensatz zu vielen traditionellen Autounternehmen ist Rivian einer der führenden OEMs, wenn es um die Denkweise 'Software first' geht. Das ist etwas, was intrinsisch für Tech-Unternehmen ist. Darüber hinaus hat Rivian bereits eine eigene Fahrzeugarchitektur, die Volkswagen quasi von der Stange übernehmen kann. Ein Tech-Unternehmen müsste so etwas von Grund auf neu entwickeln, was teurer werden würde.

Zur Person

Pedro Pacheco, Gartner

Pedro Pacheco verantwortet als Vice President of Research für das Beratungsunternehmen Gartner die Bereiche Automotive und Smart Mobility. Vor seinem Wechsel zu Gartner war Pacheco unter anderem als Marketing Director Europe für Johnson Controls und Senior Product Marketing Manager EMEA/APAC bei Total aktiv. Zwischen 2001 und 2010 arbeitete Pacheco für Toyota Europe, unter anderem als Product and Marketing Manager EU/CIS. Der Autoexperte verfügt über einen Master of Business Administration (MBA) der Vlerick Management School und einen Bachelor in Ingenieurwissenschaften der Universität Porto.

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